Wissenschaftler:"Viele Unis tun sich schwer"

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Andreas Keller, Jahrgang 1965, ist Vizevorsitzender der Bildungsgewerkschaft GEW, wo er sich schon seit vielen Jahren gegen das Hire-and-fire-Prinzip in der Wissenschaft stark macht. (Foto: Kay Herschelmann)

Die Bildungsgewerkschaft GEW schaltet eine Info-Website zu den Arbeitsbedingungen an deutschen Hochschulen frei. Das soll den Unis Druck machen, Wissenschaftlern bessere Konditionen zu bieten.

Interview von Susanne Klein

SZ: Herr Keller, Ihre Gewerkschaft wird diesen Mittwoch eine neue Website freischalten. Worum geht es dabei?

Andreas Keller: Um die Beschäftigungsbedingungen an deutschen Universitäten. Also wie viele Stellen sind befristet, wie viele Lehrbeauftragte gibt es, wie hoch sind Teilzeitquote und Frauenanteil? Die Seite heißt Kodex-Check. Wir checken, was die Unis dafür tun, die Situation ihrer wissenschaftlichen Beschäftigten zu verbessern. 93 Prozent der Wissenschaftler bis zum Alter von 45 haben Zeitverträge , wie der Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs (Bu win) belegt. Verglichen mit anderen Ländern ein extremer Wert. Ja, und mit dem Kodex-Check können Sie vergleichen: Einige Unis haben sehr hohe Befristungsanteile, andere moderate. Es wird sichtbar, welcher Arbeitgeber gute oder weniger gute Bedingungen bietet. Wir setzen darauf, dass dies den Unis Anreize für eine aktive Personalpolitik gibt.

Seit einem Jahr macht auch das neue Wissenschaftszeitvertragsgesetz Druck auf die Unis: Sie sollen keine unangemessen kurzen Zeitverträge mehr ausstellen. Verrät der Check, was das Gesetz bewirkt?

Nein, dafür ist es noch zu früh. In die Datenbank sind genauso wie beim Buwin Ergebnisse aus der Zeit vor der Gesetzesnovellierung eingeflossen. Forscher der Humboldt-Universität haben sie für uns aufbereitet. Neuere Daten, die etwas über die Wirkung des Gesetzes verraten könnten, liegen leider noch nicht vor. Gibt es andere Hinweise, ob das Gesetz seinen Zweck erfüllt? Unsere Mitglieder und Personalräte berichten, dass sich einige Hochschulen sehr schwertun mit der Umsetzung. Manche behaupten, fast gar nicht mehr befristen zu können - so soll Stimmung gegen die Novelle gemacht werden. Dabei sieht das Gesetz ausdrücklich zwei Befristungsgründe vor: Qualifizierung und Drittmittelbefristung. Gleichzeitig wird verlangt, dass die Vertragsdauer dem Befristungsgrund entsprechen muss. Bei den Drittmittelprojekten gibt es nichts zu diskutieren, da ist das Gesetz klar, das setzen die Unis auch um.

Und bei der Qualifizierung?

Da ist das Gesetz vage. Wir verstehen unter Qualifizierung vor allem die Vorbereitung auf eine Promotion oder Professur. Viele Unikanzler sagen aber etwa: Wer Lehrveranstaltungen vorbereitet, lernt auch was, also kann ich den Job mit einer kurzen Laufzeit befristen. Dieses Schlupfloch können letztlich nur die Gerichte schließen.

Weil Betroffene klagen?

Genau, weil sie auf Entfristung klagen, wir sichten schon die ersten Fälle. Es ist nichts Ehrenrühriges auf die Einhaltung eines Gesetzes zu klagen. Im Februar haben Sie Bildungsministerin Johanna Wanka einen runden Tisch mit Arbeitgebern und Vertretern der Beschäftigten vorgeschlagen. Kam eine Antwort? Nein. Aber wir sind auch so im Gespräch mit der Politik. In zwei Tagen findet in Berlin unser nächster Kongress zu dem Thema statt. Das Motto lautet dieses Jahr: Jobtrauma oder Traumjob Wissenschaft? Abgeordnete aller vier Bundestagsfraktionen werden zu uns kommen.

Was wollen Sie ansprechen?

Wir werden die Ergebnisse des Buwin und des Kodex-Checks diskutieren und mit Blick auf die Bundestagswahl weitere Maßnahmen fordern. Es gibt keinen Grund, sich zurückzulehnen, die Politik muss nachlegen

© SZ vom 20.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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