Stellt man sich das Wissenschaftssystem als Galaxie vor, mit Hochschulen als Planeten und Forschungsinstituten als Sternen, dann wäre der Wissenschaftsrat die Enterprise. So wie das von Captain Kirk befehligte Raumschiff Feind und Freund im Weltall ausmacht, analysiert der Wissenschaftsrat hinderliche und förderliche Phänomene in Lehre und Forschung. Deutschlands wichtigstes wissenschaftspolitisches Beratungsgremium soll ideale Strukturen konzipieren, ohne die ökonomische und soziale Realität zu ignorieren. Seine Reputation ist hoch, seine Vorschläge werden stets mit Spannung erwartet. "Faszinierend", würde Wissenschaftsoffizier Mr. Spock vermutlich sagen. Martina Brockmeier nennt die Aufgabe "hochinteressant".
Die Professorin für Welternährungswirtschaft von der Uni Hohenheim steht seit Anfang Februar an der Spitze des Rats. Vor ihr hatte der Bildungsforscher Manfred Prenzel das Sagen. Brockmeier ist die zweite Frau, die in der 60-jährigen Geschichte des Rats in den Vorsitz gewählt wurde.
Politik und Wissenschaft zu verbinden, ist eine heikle Aufgabe
Mit 24 renommierten Forschern, 22 Politikern und acht Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, unter ihnen die frühere Generalbundesanwältin Monika Harms, ist das Gremium hochkarätig besetzt. Vor Schlappen ist es deshalb nicht gefeit. Eine bittere Niederlage erfuhren die Experten mit ihren etwa 80 Beschäftigten in der Kölner Geschäftsstelle vor zwölf Jahren: Sie warnten davor, Hochschulpolitik zur reinen Ländersache zu erklären. Doch die Föderalismusreform kam, der Bund verlor an Macht. Bis heute hat er sie nur teilweise wiedergewonnen.
Politik und Wissenschaft haben ihre jeweils eigene Logik. Die Ziele beider Systeme zu verbinden, ist eine heikle, mitunter paradox erscheinende Aufgabe. Martina Brockmeier, 55, bringt die nötige Erfahrung mit, obwohl sie bislang keine wissenschaftspolitische Debatte prägte. Mit 39 wurde sie als damals jüngstes Mitglied in den Ausschuss gewählt, der die Institute der Leibniz-Gemeinschaft auf Qualität überprüft. Ein "Initiationserlebnis", sagt sie. Dass der Ausschuss den Instituten mit Vorschlägen helfen konnte, sich zu verbessern, sei ein "sehr gutes Gefühl" gewesen.
Das Wissenschaftssystem betrachtet Brockmeier als Kosmos, in dem alles mit allem zusammenhängt. Diese Komplexität findet sie "faszinierend". Das hätte auch der logikbegabte Mr. Spock so formulieren können, und sicher wäre auch ihm keine berufliche Situation eingefallen, in der er "je die Beherrschung verloren hätte". Schwierigkeiten habe sie erst, gesteht die Agrarökonomin, wenn Menschen Positionen vertreten, die auf Gefühlen und Annahmen basieren. Als Vorsitzende des Wissenschaftsrats dürften ihr bauchgesteuerte, faktenarme Argumente eigentlich nicht sehr oft begegnen, ganz ausgeschlossen ist das aber nicht. Immerhin will das Kölner Gremium bald ein heißes Eisen anfassen: das leidenschaftlich umkämpfte Begutachtungswesen. Scharen von Wissenschaftlern betätigen sich dabei als Kontrolleure, indem sie sich gegenseitig - etwa bei Projekten, für die Drittmittel beantragt werden - unter die Lupe nehmen. Es geht um viel Geld, besagte Drittmittel eben, und um sehr viel Zeit, die diese Wissenschaftler unhonoriert ableisten, statt derweil zu forschen. Von "Gutachteritis" ist die Rede, die Honorarfrage steht im Raum, und überzeugende Alternativen sind noch nicht in Sicht.
Das alles schreckt Brockmeier nicht. Sie weiß sogar schon, welche Planeten im Wissenschaftskosmos sie ab kommenden Herbst erkunden will: Dann soll die deutsche Friedens- und Konfliktforschung auf den Prüfstand.