Wissenschaft:Nerds gesucht

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Mit den Max Planck Schools sollen junge Überflieger nach Deutschland gelockt werden - die "absoluten Forschungsnerds zwischen 22 und 25 Jahren", wie Martin Stratmann sagt, Chef der Max-Planck-Gesellschaft. Viel Geld gibt es dafür nicht, die Reputation der beteiligten Wissenschaftler soll es richten. (Foto: caracterdesign/Getty)

Klasse statt Masse: Die Max Planck Schools sollen junge Überflieger aus aller Welt anlocken und US-Eliteunis wie Harvard und Yale Konkurrenz machen. Nebenbei könnten sie das deutsche Promotionswesen verändern.

Von Christine Prußky

Ein bisschen Fantasie braucht es schon. Wenn Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU), Rektorenpräsident Horst Hippler und der Chef der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), Martin Stratmann, kommende Woche die Gründung der ersten drei Max Planck Schools verkünden, wird kein Band feierlich durchschnitten, kein Gebäude eröffnet, kein Richtfest gefeiert. Die Max Planck Schools kann man, so wie andere virtuelle Forschungsverbünde, weder sehen noch anfassen. Und doch soll von ihnen eine Strahlkraft ausgehen, die die Wissenschaftswelt nach Deutschland blicken lässt.

So ehrgeizig ihre Mission, so einfach die Konstruktion der Max Planck Schools: Bundesweit sollen die besten Wissenschaftler aus Unis und außeruniversitären Instituten im Team forschen - und derart vereint junge Forschungsnerds aus aller Welt anlocken. "Wir können den weltweit besten Studierenden und Doktoranden in Deutschland bis jetzt noch kein Umfeld bieten, das dem der international führenden Schools entsprechen würde", räumt MPG-Präsident Stratmann ein. Anders als in den USA, wo sich die Elite in den Unis der Ivy League ballt, sei sie in Deutschland immer noch verstreut. Die Max Planck Schools sollen das ändern. Ihre Gründung ist ein weiterer Versuch, dem Wissenschaftsstandort Deutschland den Nimbus zu verpassen, nach dem sich dessen Protagonisten so verzweifelt sehnen. Endlich soll eine deutsche Einrichtung in einer Reihe stehen mit US-amerikanischen Eliteunis wie Harvard, Yale, Stanford oder Princeton.

Mit den Schools zieht Deutschland aber nicht nur im internationalen Wettbewerb um die besten Talente ein neues Register. Sie haben das Zeug zu einer wissenschaftspolitischen Volte in der Bundesrepublik. Sie könnten den Einstieg in den Ausstieg aus einer wissenschaftlichen Nachwuchsförderung einläuten, in der die Klasse in der Masse zu verschwinden droht.

Mit ihren aktuell gut 200 000 Promovenden ist die Bundesrepublik Europas Doktorfabrik Nummer eins. In keinem anderen EU-Staat werden jährlich mehr Grade verliehen. Das Promotionsrecht ist das Privileg der Universitäten. Dennoch engagieren sich die MPG, die Helmholtz-Gemeinschaft, die Leibniz-Gemeinschaft und die Fraunhofer-Gesellschaft seit Langem schon in der Nachwuchsförderung. Etwa sechs Prozent aller Promovenden forschen aktuell an außeruniversitären Instituten.

Einer von ihnen ist Leonard Borchert. Der Umweltforscher arbeitet seit gut zwei Jahren an der internationalen Max Planck Research School, die das Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie und die Universität Hamburg eingerichtet haben. Im Bewerbungsgespräch wurde er von sechs Professoren "ins Kreuzverhör" genommen. "Vielleicht 45 Minuten ging das so, eigentlich nicht lang", sagt Borchert, "aber das Gespräch war wahnsinnig intensiv." Am Ende bekam er die Stelle. Für monatlich rund 1500 Euro erforscht er seitdem, wie sich der Golfstrom auf das mitteleuropäische Klima auswirkt. Ein Hungerlohn für einen Hochqualifizierten, für Promovenden in Deutschland jedoch üblich.

Nicht viel mehr werden die Doktoranden in den geplanten Max Planck Schools bekommen. Die weltweit besten Talente sollen nicht mit Geld nach Deutschland gelockt werden, sondern mit dem, was in der Wissenschaft am besten zieht: der internationalen Reputation der beteiligten Forscher. Je mehr davon in einem Team vereint ist, umso attraktiver der Verbund.

Neue Bauten soll es dafür nicht brauchen. Die konkrete Forschungsarbeit findet an den Einrichtungen statt, die an den Schools beteiligt sind. Die drei Piloteinrichtungen erhalten ab 2018 jährlich drei Millionen Euro vom Bund über fünf Jahre hinweg, um den kontinuierlichen Austausch zu koordinieren und die Doktoranden zu bezahlen. Die werden von den Schools handverlesen ausgesucht und wählen ihrerseits ihre Betreuer aus. Ein sogenanntes Matching, aus dem am Ende jene hervorgehen sollen, die MPG-Chef Stratmann an die Schools locken will: die "absoluten Forschungsnerds zwischen 22 und 25 Jahren".

Gemeint sind Wissenschaftler, die ihr Leben ganz der Grundlagenforschung widmen. Passen muss dann noch die Fachrichtung. Welche Disziplinen in den Schools genau gefragt sind, ergibt sich aus den Forschungsfragen, die sie lösen möchten. Naturwissenschaftler können also durchaus Seite an Seite mit Sozial- und Geisteswissenschaftler in einem Verbund forschen. Für eine Bewerbung in einer der Piloteinrichtungen werden neben Spitzenleistungen auch Referenzen gefragt sein. Denjenigen, die es in die letzte Runde des Auswahlverfahrens schaffen, sitzen dann auch nicht nur sechs Professoren gegenüber wie damals Borchert. Die Auswahlriege bildet die geballte Forscherelite im jeweiligen Thema. Das können Max-Planck-Wissenschaftler genauso sein wie Uniprofessoren oder Forscher aus Fraunhofer-, Helmholtz- oder Leibniz-Instituten.

Experten schlagen Alarm wegen Qualitätsmängeln bei der Promotion in Deutschland

Um sie alle unter dem Label "Max Planck" zu vereinen, war einige Überzeugungsarbeit nötig. Eitelkeiten, institutionelle Egoismen und eine tief sitzende Angst der Unis vor dem Verlust des Promotionsprivilegs mussten überwunden werden. Gut zwei Jahre dauerte es, bis Max Planck die anderen außeruniversitären Institute an Bord hatte und auch ein Konsens mit den Unis erzielt war. Der kostete mal mehr, mal weniger Mühe. An der Technischen Universität München mussten sie nicht lange überzeugt werden. "Das Beste, das wir den Besten geben können, ist, mit den Besten zu arbeiten", sagt Thomas Hofmann, der als Vizepräsident für Forschung und Innovation zuständig ist. Auch die TUM bewirbt sich um eine der drei Max Planck Schools.

Deren Angebot klingt mit Blick auf den Doktoranden-Alltag in Deutschland durchaus reizvoll. Denn selbst in vergleichsweise gut ausgestatteten Universitäten, die wie die TU München über Betreuungsvereinbarungen verfügen, sind eben diese Regeln manchmal nicht viel mehr wert als das Papier, auf dem sie stehen. Jonas Umlauft, Sprecher der Promovenden in der uniweiten TUM-Graduiertenschule, weiß das aus einer hausinternen Doktorandenbefragung. Längere Wartezeiten auf persönliche Gespräche und zögerliches Feedback zu geplanten Publikationen gehören an der Münchner Eliteuni ebenso zur Tagesordnung wie mangelnde Aufklärung über gute wissenschaftliche Praxis. Fast die Hälfte der TUM-Doktoranden offenbarte in einer Umfrage im Jahr 2015 sogar erhebliche Wissensdefizite bei den Richtlinien zur guten Forschungspraxis.

Qualitätsmängel bei der Promotion in Deutschland zeigen nicht nur Doktorandenbefragungen. Auch Experten schlagen Alarm. Anfang Juni etwa warnten die Wissenschaftsakademien vor einem Qualitätsverlust und begaben sich auf politisch vermintes Gebiet. So beschreiben sie in dem Papier "Promotionen im Umbruch" explizit den Druck auf die Hochschulen, Drittmittelprojekte in der Forschung kostengünstig mit Mitarbeitern umzusetzen, die "zumeist erwarten, durch die Mitarbeit in Projekten eine Promotion erfolgreich durchführen zu können". Im Klartext heißt das: Ausbeutung gegen Doktorgrad. Dass Deutschland mit gut 28 000 Doktortiteln jährlich mehr Grade verleiht als andere Staaten in Europa, hat also handfeste ökonomische Gründe - und führt die Wissenschaft insgesamt in eine heikle Situation.

Wie lässt sich in der Masse die Klasse halten und vor allen Dingen auch erkennen? Die Max Planck Schools könnten die Antwort bieten, eine Trendumkehr einläuten und die Diskussion um den Wert und die Qualität der Promotion neu beleben. Vorausgesetzt, die Spitzenforscher in den Schools nehmen ihre Betreuungsaufgaben tatsächlich ernst. Dass das kein Selbstläufer ist, wissen Leonard Borchert und Jonas Umlauft. Beide kennen Doktoranden, die bei hoch angesehenen Experten promovieren und davon so gut wie nichts haben. Die Elite ist schwer beschäftigt. Forschungsnerds eben.

© SZ vom 28.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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