Privatschulen (oder richtiger: Schulen in freier Trägerschaft) werden seit einigen Jahren - nicht zuletzt durch den Pisa-Schock - immer beliebter: Laut dem Bildungsbericht 2016 hat sich ihr Anteil seit 1998 auf knapp elf Prozent verdoppelt, fast neun Prozent aller Schüler in Deutschland gehen auf eine Privatschule. Ob Montessori, Waldorf, kirchliche oder sonstige freie Träger, aus dem öffentlichen Bildungssystem scheint eine regelrechte Fluchtbewegung eingesetzt zu haben. Der Andrang ist so hoch, dass die Schulen bei weitem nicht alle Bewerber aufnehmen können.
Schule und Erziehung:Ich war Waldorfschülerin
Aquarelle malen, Theater spielen und Noten gibt es erst am Schluss: Die Waldorfschule will den Schülern die Freude am Lernen lassen. Doch bereitet sie auch auf die Arbeitswelt vor? Unsere Autorin erinnert sich.
Denn die Privatschule ist weder eine Bildungsanstalt für höhere Töchter noch ein Bildungsghetto für die, die es sich leisten können. Zwar unterscheidet sich ihre Sozialstruktur immer noch deutlich von der öffentlicher Schulen, aber auch Eltern mit mittlerem Einkommen schicken ihre Kinder mittlerweile auf die sogenannten Ersatzschulen. Von der zusätzlichen Investition in Form des Schulgelds versprechen sie sich besseren Unterricht, bessere Betreuung, bessere Förderung ihrer Kinder - und damit bessere Zukunftschancen.
Ganz so simpel ist die Rechnung allerdings nicht: Zum einen gibt es zahlreiche öffentliche Schulen, die ausgezeichnete Arbeit leisten. Zum anderen sorgt mehr Geld nicht automatisch für besseren Unterricht: Einer Analyse von Leistungsvergleichen im Auftrag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zufolge zeigen Privatschüler zwar bessere Leistungen, die jedoch mit ihrem sozioökonomischen Hintergrund zu erklären sind. Wird die Zusammensetzung der Schülerschaft berücksichtigt, schneiden die staatlichen Schulen in mehreren Ländern mindestens genauso gut oder sogar besser ab.
Zwischen den einzelnen Anbietern gibt es außerdem große Unterschiede. Häufig steht hinter dem jeweiligen Träger auch ein bestimmtes pädagogisches Konzept oder eine weltanschauliche Ausrichtung, das oder die zu Eltern und Kind passen muss. Und auch die Kosten schwanken stark: Während einige der Lehranstalten den Schulbesuch mit einem Stipendium auch ärmeren Familien ermöglichen und die monatlichen Ausgaben im Schnitt bei 120 bis 200 Euro liegen, verlangen manche Privatgymnasien mehr als 2000 Euro pro Monat. Denn für die rein gewerblichen Träger, die mit ihrem Bildungsangebot schlicht Geld verdienen wollen, hat sich durch den Privatschul-Boom ein reizvoller Markt aufgetan.
Welches Konzept hinter welcher Schule steckt:
Mehr als 400 Schulen in Deutschland, davon drei Viertel Grundschulen, haben sich der Montessori-Pädagogik verschrieben. Die meisten gibt es dem Montessori-Dachverband zufolge in Bayern und Berlin. Die Gründung geht in der Mehrzahl auf Elterninitiativen zurück, die ihre Kinder auf eine Montessori-Schule schicken wollten.
Das pädagogische Konzept setzt auf individuelle Entwicklung und Förderung, auf selbstständiges und selbstbestimmtes Lernen, das vom Kind als "Baumeister seiner selbst" aus einer natürlichen Freunde daran selbst ausgeht. Zentraler Gedanke der Montessori-Pädagogik: Hilf mir, es selbst zu tun. Im Schulalltag bedeutet dies, dass es keine nach Jahrgängen getrennten Klassen gibt, sondern dass gemeinsam in verschiedenen Altersgruppen gelernt wird.
Die Schüler können weitgehend frei entscheiden, was sie nach einem Wochen- oder Monatsplan wann lernen und womit sie sich während der Schulzeit beschäftigen. Die ausgebildeten Montessori-Lehrer sind dabei Ansprechpartner und geben Hilfestellung oder Anleitung. Kritik, Strafen und Leistungsdruck sind unerwünscht. Großen Wert wird auch auf eine kindgerechte Lernumgebung mit speziellen Materialien gelegt. Weitere Informationen unter http://www.montessori-deutschland.de/startseite.html
Die Waldorfschulen gehen auf den Anthroposophen Rudolf Steiner zurück, etwa 230 gibt es laut dem Bund der Freien Waldorfschulen derzeit in Deutschland. Grundlage ist Steiners Leitsatz: Das Kind in Ehrfurcht aufnehmen, in Liebe erziehen und in Freiheit entlassen. Ausgehend von seiner spirituellen Weltanschauung steht eine ganzheitliche Bildung im Mittelpunkt: Die Schüler sollen sich nicht nur geistiges Wissen aneignen, sondern auch musisch, künstlerisch, handwerklich und gymnastisch dazulernen.
Kunst, Theater, Musik, Werken und Turnen haben daher eine hohe Bedeutung. Neben den klassischen Schulstunden nach Fächern gibt es den Epochenunterricht, bei dem ein Fach oder Themengebiet über einen längeren Zeitraum besonders intensiv studiert wird. Wer sich für eine Waldorf-Schule entscheidet, besucht sie im Normalfall zwölf Schuljahre lang, eine Selektion nach Leistung oder Sitzenbleiben gibt es ebenso wenig wie einen festgelegten Lehrplan.
Auch auf das klassische Notensystem verzichten die Waldorfschulen weitgehend, stattdessen stehen in den Zeugnissen oft nur detaillierte Leistungsbeschreibungen. Weitere Informationen unter http://www.waldorfschule.de/
Der Großteil der freien Schulen in Deutschland hat einen kirchlichen Träger. Sowohl die katholische wie auch die evangelische Kirche unterhalten zahlreiche private Bildungseinrichtungen der unterschiedlichsten Schularten von der Grund- bis zur Berufsschule - insgesamt mehr als 2000, wobei der Anteil der beiden Konfessionen ungefähr gleich hoch ist. Ins Zentrum ihrer Pädagogik stellen sie das christliche Menschenbild vom Kind als Geschöpf Gottes sowie Nächstenliebe, Gemeinschaft und Werteerziehung.
Glaube und Religiosität sind keine Voraussetzung für den Schulbesuch, aber vielleicht, um sich dort wohlzufühlen, denn die Religion spielt über das Unterrichtsfach hinaus eine große Rolle. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, bezeichnet katholische Schulen als "Kernstück kirchlichen Lebens". Und auch die evangelischen Schulen setzen laut dem Bundeskongress Evangelische Schule auf den "gemeinsamen Bezug auf das Evangelium und ein aus dem christlichen Menschenbild abgeleitetes evangelisches Bildungsverständnis". Weitere Informationen unter www.katholische-schulen.de und www.evangelische-schulen-in-deutschland.de
International ist an diesen Schulen nicht nur die Sprache, denn der Unterricht wird, vor allem in den höheren Klassen, oft in einer Fremdsprache oder aber zweisprachig, teils in einer Fremdsprache, teils auf Deutsch abgehalten. Auch Abschlüsse und Stoff orientieren sich vielfach nicht am deutschen Schulsystem, sondern an ausländischen Vorgaben. Anerkannt werden die Abschlüsse in der Regel aber auch in Deutschland problemlos.
Oft steht am Ende der zwölften Klasse das International Baccalaureate (IB), also ein internationales Abitur, mit dem Schulabgänger in zahlreichen Ländern studieren können. Auch in Deutschland gilt das IB als Hochschulzugangsberechtigung, wenn bestimmte Fächer (darunter zwei Sprachen, Mathe, ein natur- und ein gesellschaftswissenschaftliches Fach) belegt wurden. Deutsch-französische Bildungsgänge schließen beispielsweise mit dem AbiBac ab, das Abitur und französisches Baccalauréat vereint.
Neben privaten Trägern wie internationalen Firmen oder Institutionen richten auch andere Staaten solche Schulen als Auslandsschulen ein. Sie richten sich zwar primär an die Kinder von Expats, stehen aber meist auch deutschen Schülern offen. Gerade weil hier mehr Fremdsprachen intensiver unterrichtet werden und die Klassen international zusammengesetzt sind, werden die Internationalen Schulen bei deutschen Eltern und Kindern immer beliebter. Unter Umständen ist aber eine Ausnahmegenehmigung der zuständigen Schulbehörde nötig.