Von Algebra bis Trigonometrie: Erkenntnisse aus dem Maßkrug

Rosen ohne Köpfe und unfaire Noten, aber auch viel Engagement: Schulzeit-Nostalgien sind ohne Anekdoten aus dem Matheunterricht kaum denkbar. SZ.de-Leser erinnern sich an gute und schlechte Zeiten mit Algebra, Geometrie & Co.

Das Gewicht negativer Ausrutscher

Ich habe gerade erst mein Abitur gemacht und bin froh, mit Mathematik endlich abgeschlossen zu haben - das zwar recht gut, aber meine Zeit in der Mittelstufe war doch eher eine Katastrophe. Unsere Lehrerin hat uns täglich Vorhaltungen gemacht, dass wir es niemals zu etwas bringen würden, weil wir alle zu schlecht seien. Ihrer Einschätzung nach waren fast alle 30 SchülerInnen in der Klasse zu schlecht in Mathematik, um das Abitur zu erreichen.

Recherche

"Welche Bildung brauchen unsere Kinder wirklich?" Diese Frage hat unsere Leser in der zweiten Abstimmungsrunde unseres Projekts Die Recherche am meisten interessiert. Dieser Text ist einer von zahlreichen Beiträgen, die sie beantworten sollen. Alles zur Bildungsrecherche finden Sie hier, alles zum Projekt hier.

So schleppte sich jeder von uns durch die nicht endenwollenden Mathematikstunden und war froh, wenn er die Klausuren überstanden hatte. Ich war seitdem davon überzeugt, dass ich in Mathe einfach zu schlecht sei, so wie viele andere eben auch und das man daran auch nichts mehr ändern könne. Doch einmal hatten wir ein Thema, was mir Spaß machte. Ich verstand es auf Anhieb und wie zu erwarten, war auch die Klausur ein richtiger Erfolg. Ich schöpfte Hoffnung und Mut, dass ich es doch noch zu etwas bringen könnte.

Doch dann stellte ich fest, das meine gute Note irgendwie nicht einberechnet worden war, als es um die Zeugnisnoten ging. Etwas verdutzt rechnete ich wieder und wieder nach und kam immer zu einem anderen Ergebnis als meine Lehrerin. Als ich sie jedoch darauf ansprach, antwortete sie mir nur, dass meine gute Leistung bloß ein positiver Ausrutscher gewesen sei, der so wohl nicht mehr vorkommen werde und von daher von ihr auch nur gering berücksichtigt werde. Schließlich wolle ich ja auch nicht, dass negative Ausrutscher so ins Gewicht fallen. Damit hatte sie mir endgültig die Freude an der Mathematik genommen.

Unangemessene Freude

Hier eine pädagogische Höchstleistung eines Mathelehrers: Meine Tochter hatte große Schwierigkeiten im Matheunterricht am Gymnasium, es hagelte eine Reihe von Fünfern. Doch eines Tages erhielt sie eine Schulaufgabe mit der Note Drei zurück. Außer sich vor Freude schreit sie laut auf. Darauf der Mathelehrer: "Du brauchst dich gar nicht so zu freuen, es ist nur eine knappe Drei!" Kann man Schüler besser motivieren?

Rosenkrieg

Meine Leistungen in Mathe bestanden im Wesentlichen darin, Fragen zu stellen, die nur ich verstand und bei allen Anwesenden verstörte, zuweilen mitleidige Blicke auslösten. In den wenigsten Fällen wurden diese Fragen beantwortet und mein Mathewissen blieb so bescheiden wie vorher. Dennnoch versuchte ich voller Optimismus und Nachhilfeunterricht das Mathe-Abi einigermaßen passabel zu überstehen. Auch wenn ich wohl die Einzige war, die noch daran glaubte.

Und so löste der Kommentar meines Mathelehrers zu meinem Mathe-Abi eine mittelschwere Krise aus: "Liebe Frau H., nachdem ich gestern Ihre Arbeit korrigiert hatte, bin ich erst mal raus in den Garten und hab allen Rosen die Köpfe abgeschnitten. Jetzt habe ich Ärger mit meiner Frau und Sie sind schuld."

Mein erster Gedanke: "Seien Sie froh, dass Sie überhaupt eine Frau haben, Sie narzisstisches Arschloch!" Hätte ich das ausgesprochen, wäre der Effekt größer gewesen. Aber Kopfkino ist immer noch besser als eine schlechte One-Man-Show.

Was Nichtkönner können

Seit der zweiten Klasse hatte unsere Jüngste Probleme mit Mathe. Irgendwann auf dem Gymnasium hieß es dann: Sie kann es eben nicht, was sie ja auch selbst glaubte. In der zehnten Klasse hat sie jetzt einen 21-jährigen Maschinenbau-Studenten als Nachhilfeleher, der genau weiß, was und warum mathematikschwache Schüler im Unterricht nicht verstehen.

Und siehe da: Unsere Tochter kann auf einmal Mathe! Von der Note Sechs auf Drei in drei Monaten! Natürlich meinte der Mathematiklehrer, er hätte das bewirkt. Er ist ein sehr netter Mensch, darum lassen wir ihn in dem Glauben und zahlen weiter den Privatunterricht.

Mathe ist ein Arschloch

Mathe war mein Horrorfach. Ich hatte eine relativ wilde Pubertät, so dass ich in der Zeit, in der einige der wichtigsten Grundlagen in Mathe durchgearbeitet wurden, mich lieber mit anderen Dingen beschäftigt habe. Das ist mir später ständig auf die Füße gefallen. Mein älterer Bruder - inzwischen Mathelehrer - musste mir immer Nachhilfe geben, allerdings mit wenig Erfolg. Seine Aussage war immer: Mathe ist nicht dein Problem, du kannst einfach nur nicht rechnen. Mir graut es davor, mit meinem Sohn üben zu müssen.

Was mich dann gerettet hat, war Trigonometrie. Auf einmal kam es nicht mehr auf reines Rechnen an, sondern auf logisches Vorstellungsvermögen, auf dreidimensionales Denken. So habe ich in der zwölften Klasse im ersten Halbjahr null und einen Punkt in den Klausuren erreicht (sprich, fast durchgefallen), im zwölften Halbjahr dann 14 Punkte (also eine glatte Eins).

Nach dem Abitur dachte ich erst auch: endlich kein Mathe mehr. Ich habe Politikwissenschaft studiert und was stand sofort auf dem Lehrplan? Statistik! Trotz der ganzen Qual mit Mathe bin ich froh, dass ich dank baden-württtembergischem Zentralabitur Mathe bis zum Schluss machen musste. Mathe nervt, ist aber als Hilfswissenschaft unersetzlich. Und trotzdem muss ich jedesmal innerlich zustimmen, wenn ich jemand mit einem T-Shirt sehe, auf dem steht: "Mathe ist ein Arschloch".

Rote Köpfe und Blackouts

Wir hatten als Mathelehrer einen richtige Giftzwerg in der Oberstufe. Er buchstabierte mit hochrotem Kopf seine Befehle, zum Beispiel: "Tür zu meint T-Ü-R Z-U!" Und wehe der Schülerin, die lange Haare hatte und sich bisweilen eine Strähne hinter die Ohren steckte (also ich). Dann hieß es: "Was will sie mit langen Haaren, wenn nichts im Kopf ist. Ja, sind wir denn hier im Friseursalon?"

Meine Angst vor Mathe führte schließlich dazu, dass ich im Abi einen Blackout hatte und nicht mal eins und eins zusammenzählen konnte. Ich gab ein leeres Blatt ab und bereitet mich auf die mündliche Nachprüfung vor. Ich schaffte mit zittrigen Knien immerhin fünf Punkte und der Giftzwerg von Lehrer war endlich ruhig.

Der Letzte macht die Tafel sauber

Ich hatte einen Mathelehrer, der zu Beginn einer jeden Stunde alle Schüler aufstehen ließ und Rechenaufgaben stellte. Wer das Ergebnis zuerst nannte, durfte sich setzen. Der, der am Schluss zuletzt stand, musste die Tafel abwischen. Da das niemand machen wollte, waren alle immer motiviert, ihre Kopfrechenkünste noch besser zu trainieren. Bis heute bin ich in meinem Bekanntenkreis immer diejenige gewesen, die bei einer Rechenaufgabe (zum Beispiel beim Bezahlen im Restaurant) zuerst das Ergebnis weiß. So etwas vergisst man nie.

Rettende Skizze

Positives Erlebnis in Mathematik, Maturaklasse in Österreich: Mathematiklehrer Peter L. betritt die Klasse und liest eine Textaufgabe vor. Frage an uns, die wir bald den Schulanschluss machen sollten: "Habt ihr das verstanden?" Einmütiges Kopfschütteln. Der Lehrer liest den Text noch einmal vor. Und noch einmal. Weiterhin erfolglos.

Dann eröffnet er uns: "Keine Panik, Leute! Auch ich hab mir den Text durchgelesen. Und zwar zehnmal. Dann hat's mir gereicht, ich hab mir eine Skizze gemacht. Erst dann wusste ich, worum's geht!" Er zeichnete uns eine seiner wunderschönen Skizzen an die Tafel - und allen war alles klar.

Mathe und Maßkrüge

Obwohl Mathe weiß Gott nicht zu meinen Lieblingsfächern gehörte, weiß ich genau, dass ein Liter Flüssigkeit in einen Würfel mit zehn Zentimetern Kantenlänge passt. Unser Mathelehrer Siegfried E. hatte zur Demonstration dieser Tatsache zunächst einen Maßkrug (in den bekanntlich ein Liter Bier passt) befüllt und die Flüssigkeit dann in einen dagegen winzig wirkenden Plexiglaswürfel mit zehn Zentimetern Kantenlänge umgefüllt. Ergebnis: allgemeine Verblüffung. Und ich kann mich auch 20 Jahre später noch daran erinnern.

Lebendiger Unterricht

Die Recherche zum Schulsystem: Bildung, wie wir sie brauchen

"Welche Bildung brauchen unsere Kinder wirklich?" - das wollten unsere Leser in der zweiten Runde von Die Recherche wissen. Mit einer Reihe von Artikeln versuchen wir diese Frage zu beantworten.

Mein Mathelehrer Herr L. hat uns in der neunten Klasse zur Erklärung und Veranschaulichung der Trigonometrie auf dem Schulhof mit Seilen verschiedene Dreiecke in Eigenregie aufstellen lassen. Die Schüler selbst waren die Eckpunkte, wir durften Formen verändern und dann wurden unsere Dreiecke mit Feldmessgeräten vermessen. Zehn Jahre danach kann ich mich inhaltlich leider an nicht mehr so viel erinnern, aber es hat eine Menge Spaß gemacht, und zu der Zeit hatte ich ausnahmsweise mal richtig Ahnung von Mathe.

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