Verköstigung auf dem Campus:Mensa als Krisenherd

Uni Universität Freiburg, Mensa, Kantine

Platzmangel in der Mittagspause: Manchmal müssen Studenten wieder abziehen, weil sie in der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit keinen Platz in der Mensa gefunden haben.

(Foto: dpa)

Der Ausbau hält mit dem Ansturm auf die Universitäten nicht Schritt. Das merkt auch die Gastronomie auf dem Campus. Die Betreiber fordern deshalb mehr Geld, und während die einen Studenten mehr vegetarische Alternativen fordern, fühlen sich andere Gruppen von "Veggie-Days" bevormundet.

Von Melanie Staudinger

Donnerstags meidet Julian Wagner die Tübinger Mensa "Prinz Karl" seit einiger Zeit. Nicht weil ihm das Essen dort generell nicht schmecken würde - aber dem Studenten fehlt einfach die Auswahl. Immer am Donnerstag nämlich wird dort vegetarisches Essen angeboten, sogar ein veganes Gericht ist dabei. Dieses Mal könnte er sich für die Kartoffelpasteten Röstopper, ein Eblysotto oder Spätzle mit Pilzragout entscheiden. Doch Wagner, Vorsitzender des Studierendenverbunds Ring Christlich Demokratischer Studenten in Tübingen, wird nicht hingehen. "Ich bin kein vehementer Fleischesser, aber ein Verteidiger der Wahlfreiheit", sagt er. Sein Argument: Die immer beliebter werdenden "Veggie-Days" in der Mensa bevormundeten Studenten. "Wir wollen selbst entscheiden, was wir wann essen."

Derlei Grummeln gibt es nicht nur an der Uni Tübingen. In Leipzig forderten Studenten ein Ende des "Diktats der Pflanzenfresser", als dort in der Mensa am Park erstmals ein fleischloser Tag eingelegt wurde. Von Benachteiligung war ebenso die Rede wie von Entmündigung. Manche fürchteten gar um die Arbeitsplätze in der fleischverarbeitenden Industrie.

In Dresden stellten Aktivisten "Wir wollen Fleisch"-Plakate auf und grillten demonstrativ Würstchen vor der Mensa. Und sogar im vermeintlich toleranten Berlin gründete sich an der Freien Universität zur Wahl des Studierendenparlaments eine Liste gegen Deutschlands erste reine Veggie-Mensa - die jedoch keinen Sitz im Gremium erhielt.

"Identität definiert sich heute stark über Ernährung"

Stefan Grob, Sprecher des Deutschen Studentenwerks (DSW), kann die Aufregung nicht verstehen. "Es ist ja nicht so, dass wir die Veggie-Tage gegen den Willen der Studierenden durchgedrückt hätten", sagt er. Vielmehr hätten die Studenten mehrheitlich den Wunsch nach bewussterer Ernährung geäußert: mehr Bio, mehr regionale Kost, mehr vegetarische und vegane Angebote. Die gesellschaftliche Debatte um ökologisches Essen sei an den Hochschulen angekommen. "Identität definiert sich heute stark über die Ernährung und wir sehen uns da in einer Vorreiterrolle", sagt Grob.

Derzeit betreiben die 58 Studentenwerke etwa 400 Mensen - und zusätzlich noch einmal ungefähr genau so viele Bistros, Cafeterien und andere gastronomische Einrichtungen. Die Mensen des DSW bieten bundesweit nach eigenen Angaben 230.000 Sitzplätze. Pro Jahr bereiten die Mitarbeiter mehr als 90 Millionen Portionen zu.

85 Prozent aller Studenten nutzen regelmäßig eine Mensa - im Durchschnitt kommen sie vier Mal in der Woche. 41 Prozent sind Stammgäste, Männer sind darunter häufiger zu finden als Frauen. Den Studenten ist an Mensen wichtig, dass sie nahe der Hochschule liegen sowie kostengünstiges und qualitativ hochwertiges Essen bieten, besagen Umfragen.

Die Mensa stellt heutzutage aber längst nicht mehr den plumpen Massenabfertigungsbetrieb von einst dar. Das Personal erhält bessere Schulungen, das Angebot muss sich ständig erweitern, um mit anderen Anbietern von günstigem Essen konkurrieren zu können, Sonderaktionen sollen locken. An sogenannten Front-Cooking-Stations bereiten mancherorts Köche das Essen frisch vor den Augen der Gäste zu, Gemüse- und Salatbars sollen gesunde Alternativen schaffen.

"Die Anforderungen sind definitiv gestiegen", sagt Grob. Das liegt aber nicht nur an den Ansprüchen der Studenten, sondern auch an der veränderten Hochschullandschaft. Insgesamt sind momentan 2,5 Millionen Hochschüler eingeschrieben, 2013 werden es erneut fast 500.000 Studienanfänger sein.

Das bringt nicht nur die Universitäten an ihre räumlichen Grenzen, sondern überfordert die soziale Infrastruktur. Dass an vielen Uni-Standorten bezahlbarer Wohnraum fehlt, ist bekannt; dass aber auch die Gastronomie den akuten Studentenansturm kaum noch bewältigen kann, wird nach Ansicht des Studentenwerks viel zu wenig diskutiert. 200 Millionen Euro, so schätzt DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde, wären nötig, um die Mensen auszubauen.

Neue Probleme durch die Bologna-Reform

"Die Studierenden brauchen einen Studienplatz ja, aber sie brauchen genauso ein bezahlbares Dach über dem Kopf, gute Beratung und günstiges, gutes Mensaessen", sagt er. Bund und Länder müssten gemeinsam handeln und nun auch die soziale Infrastruktur stärken. Das müsse parallel zum Ausbau der Studienplatzkapazitäten geschehen. Zum gesetzlichen Auftrag der Studentenwerke gehöre schließlich wesentlich die Essensversorgung, auch an kleineren und betriebswirtschaftlich daher eher unrentablen Standorten. Die Mensaversorgung finanzieren die Werke in der Regel aus dem Verkaufserlös der Speisen, dem Semesterbeitrag der Studenten und Zuschüssen der Länder.

Ganz neue Problem wirft auch die Bologna-Reform auf: So kommen Bachelor-Studenten häufiger als ihre Kommilitonen in den alten Studiengängen zum Essen. Für die Mensen ist das eine Belastungsprobe. Anders als im Magisterstudium führe die zeitliche Taktung und die Verschulung der Lehre in vielen Bachelor-Fächern oft zu einheitlichen Mittagspausen. Es bilden sich lange Schlangen, manchmal müssen frustrierte Studenten auch wieder abziehen, weil sie in der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit keinen Platz gefunden haben.

An der Beliebtheit der Mensen hat der Streit zwischen Vegetariern und Anhängern der traditionellen Hausmannskost also bisher offenbar nichts geändert. "Zur Not werden wir den Konflikt auch aushalten", sagt Stefan Grob. Denn selbst wenn die Mehrheit der Protestler es anders sieht und einen Erziehungsauftrag der Studentenwerke verneint, die Einrichtungen sehen sich heute auch als Ort der Information.

"Wenn gesellschaftliche Debatten geführt werden, sollten wir uns nicht davor verschließen", sagt Grob. Und für die letzten Widerständler gebe es an jedem Standort noch andere Mensen, in die sie ausweichen können - komplett fleischfrei, so verspricht Grob, werden nicht alle Gastronomiebetriebe werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: