Verfassungsschutz beobachtet Pädagogen:Mein Lehrer, der Staatsfeind

Lesezeit: 2 min

Unter Beobachtung des Verfassungsschutzes: der Realschullehrer Michael Csaszkóczy (Foto: dpa)

Michael Csaszkóczy ist Realschullehrer und politisch aktiv. Seit Jahren steht er deshalb unter Beobachtung des Verfassungsschutzes - obwohl Richter längst die Harmlosigkeit des Antifa-Aktivisten festgestellt haben. Jetzt will sich der Pädagoge wehren.

Von Tanjev Schultz

Michael Csaszkóczy ist gerne Lehrer. Seit sechs Jahren unterrichtet er an einer Realschule in Baden-Württemberg Deutsch, Kunst und Geschichte. Es läuft gut, ihm gehe es "prima" dort. Michael Csaszkóczy ist auch gerne politisch aktiv. Er engagiert sich gegen Nazis, ist Mitglied einer Antifa-Gruppe und bietet Stadtrundgänge an zu Orten, an denen die Nazis ihren Schrecken verbreitet haben.

Aus Sicht des Verfassungsschutzes ist dieser Lehrer verdächtig. Der Konflikt mit dem Geheimdienst zieht sich seit Jahren hin; nach dem Referendariat wollte der Staat Csaszkóczy gar nicht in den Schuldienst lassen. Den Kampf gegen dieses Berufsverbot hat der vermeintliche Staatsfeind am Ende gewonnen. Der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof sah 2007 keinen Grund, an der Friedfertigkeit des Mannes zu zweifeln. Die Richter zeigten sich auch verwundert, dass die Behörden die Teilnahme an Veranstaltungen gespeichert hatten, "die ersichtlich ebenso vom Grundgesetz gedeckt ist wie die freie Meinungsäußerung". Csaszkóczy hatte zum Beispiel gegen den Irak-Krieg protestiert und gegen Angriffe auf Asylbewerber.

Nach dem Urteil durfte er endlich Lehrer werden und bekam fast 33 000 Euro Schadenersatz. Mittlerweile ist der 43-Jährige verbeamtet. Politische Indoktrination, sagt er, fände er "völlig daneben".

"Sie führen einen Privatkrieg"

Was er ebenfalls daneben findet: dass der Geheimdienst ihn nicht in Ruhe lässt: "Sie führen einen Privatkrieg." Auch nach dem Gerichtsurteil ist er weiter ausgespäht worden. Vor vier Jahren stellten Csaszkóczy und sein Anwalt Martin Heiming Anträge auf Einsicht in die Akten, anschließend sollte alles gelöscht werden. Doch die Behörden weigern sich.

Ende vorigen Jahres erließen die Innenministerien in Berlin und Stuttgart "Sperrerklärungen": Der Lehrer bekommt fast nichts von den Dokumenten zu sehen, gelöscht wird auch nicht. Allein die Akte beim Bundesamt für Verfassungsschutz umfasst mehr als 1200 Seiten. Die Behörde, die beim rechten Terror des NSU versagte, hält Antifa-Gruppen für einen Tummelplatz gewaltbereiter Linksextremisten. Dass ein Gericht längst die Harmlosigkeit des Lehrers festgestellt hat, schert den Geheimdienst offenbar nicht.

Einfach nur Herr Lehrer

Der Verfassungsschutz behält den Lehrer auch deshalb im Visier, weil dieser sich gegen Berufsverbote stark macht - nachdem er ja selbst jahrelang und rechtswidrig vom Schuldienst ferngehalten wurde. Csaszkóczy will jetzt juristisch weiterkämpfen. Es soll zu einem sogenannten In-camera-Verfahren kommen. Dabei würden das Oberverwaltungs- und das Bundesverwaltungsgericht in geheimer Sitzung Einblick in die Akten nehmen und dann entscheiden, wie es weitergeht.

Der Verfassungsschutz in Stuttgart erklärt, man gebe keine Stellungnahmen zu Einzelpersonen ab. So hält es auch das Bundesamt. Michael Csaszkóczy sagt, für ihn sei dies belastend, er empfinde es als "reale Bedrohung", dass der Geheimdienst ihn ausforsche wie einen Staatsfeind.

Und seine Schüler? Bei denen sei das alles kein Thema. Für sie ist Herr Csaszkóczy einfach nur ihr Lehrer.

© SZ vom 03.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: