Süddeutsche Zeitung

Unterricht mit Masken:"Einatmen, ausatmen"

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Eine Deutschlehrerin rät dazu, in der Schule nicht nur die Klassenzimmer zu lüften. Sondern auch die Lungen - mit Hilfe von Yoga.

Von Susanne Klein

Der Atem steht derzeit unter Generalverdacht: Menschen in Räumen, Aerosole, Virusgefahr! Je mehr Leute, je kräftiger sie atmen, desto riskanter. Fitnessstudios sind daher zu, Klassenzimmer voller Schüler sollen dagegen möglichst offen bleiben. Deswegen sind dort zunehmend Masken angesagt - hinter denen allerdings schwer atmen ist. Die Lehrerin Mona Bekteši empfiehlt zum Ausgleich: Yoga.

SZ: Frau Bekteši, trotz Maske im Unterricht Frischluft schnappen, geht das?

Mona Bekteši: Wir müssen ja ohnehin alle 20 Minuten die Fenster weit öffnen. Das ist ein guter Moment, um die Lunge zu belüften. Einfach mit den Fingerspitzen sanft den Brustbereich abklopfen und durch die Nase einatmen. Den Atem ein Weilchen halten, die Arme hängen lassen, und dann die ganze Luft schön langsam durch die Nase ausatmen. Die Maske schränkt zwar ein, aber solche bewussten Atemzüge sind trotzdem wohltuend.

Und in der Pause? Die Kleinen bewegen sich gern, das aktiviert die Atmung automatisch. Die Älteren stehen eher rum.

Die Lehrkraft kann mit ihnen, aber auch den Jüngeren, die Holzfälleratmung machen. Zweieinhalb Meter Abstand, Maske runter, Knie locker. Und dann in einer Bewegung: Einatmend die Arme über den Kopf schwingen, Finger verschränken und ausatmend kraftvoll die Axt nach unten sausen lassen. Dabei laut "Aaaah" rufen.

Auf dem Schulhof schreiend die Luftaxt schwingen - das machen alle mit?

Manche finden es anfangs vielleicht peinlich, aber dann müssen immer alle lachen. Bei solchen Übungen entsteht in der Gruppe eine tolle Dynamik, die Schülerinnen und Schüler lassen Stress hinter sich.

Weil sie auch innerlich Dampf ablassen? Ja, und weil sie bei solchen Übungen ihre Kraft spüren. Das ist wichtig, denn die Situation belastet sie. Corona ist ständig Thema, viele haben Angst vor der Pandemie. Und alle kennen jemanden, der gesundheitliche oder finanzielle Probleme hat. Es ist gut, sich für einen Moment von seinen Sorgen zu befreien, das gibt Zuversicht.

Kürzlich ist Ihr Yoga-Buch für die Schule erschienen, mit Übungen für Pausen, vor Klassenarbeiten oder wenn man mal traurig ist. Corona kommt nicht vor.

Nein, ich habe es vor der Krise geschrieben. Ich beginne schon lange jede Unterrichtsstunde mit einer kurzen Yoga-Sequenz. Zum Beispiel einatmen, ausatmen, im Wechsel durch das linke und rechte Nasenloch, wobei das andere leicht verschlossen wird. Dann vielleicht den Drehsitz und das Zitronengesicht. Zuletzt mit geschlossenen Augen spüren, wie es einem geht und was man braucht. Der Blick nach innen hilft dabei, sich zu sammeln.

Was bringt das für den Unterricht?

Wir lassen die Unruhe hinter uns, die meist zu Anfang jeder neuen Stunde herrscht. Der Unterricht beginnt konzentrierter, denn die Kinder und Jugendlichen sind dann gelassener.

Wollen Ihre Schüler auch von sich aus Übungen machen?

Wir hatten einmal einen Suizid an unserer Schule. Als wir anfingen, darüber zu sprechen, fragte ein Schüler: Können wir nicht zusammen Yoga machen? Und das haben wir dann gemacht. Ich denke, der Schüler wusste intuitiv, so können wir etwas teilen, für das wir noch keine Worte haben.

Sie setzen Yoga auch in der Lehrerfortbildung ein.

Das Bremer Landesinstitut für Schule, an dem ich arbeite, kümmert sich viel um die Lehrergesundheit. Da vermittele ich Referendaren und jungen Lehrern nicht nur, wie sie mit einfachsten Atem- und Bewegungsübungen mehr Gelassenheit in die Klasse bringen können, sondern auch, wie sie selbst damit Stress bewältigen.

Zum Beispiel? Was hilft nach einer schwierigen Stunde oder Ärger im Kollegium?

Irgendwo eine ruhige Ecke finden und den Sonnengruß im Sitzen machen. Einatmend die Arme über die Seiten nach oben strecken, ausatmend den Oberkörper auf den Oberschenkeln ablegen. Einatmend wiederauftauchen und so weiter. Und beim Abtauchen sich selbst sagen: Puh, das tut gut.

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Quelle:
SZ vom 09.11.2020
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