Geschlechter:Student*innen! Verklagt die Sprachpolizei an eurer Uni!

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Sag, wie hältst du es mit dem Binnen-I: Blick in den Lesesaal der Unibibliothek Dresden. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Wenn ihr sie findet. Ein Verein verteilt Flugblätter gegen den "Gendersprech" an deutschen Hochschulen. Müssen Studierende wirklich um ihren Abschluss bangen, wenn sie nicht gendern?

Von Bernd Kramer

Die Flyer zumindest hat Konstanze Marx, Linguistikprofessorin an der Universität Greifswald, schon gesehen. Im Hörsaal lagen sie aus, auch in der Mensa sollen die Flugblätter gesichtet worden sein, und auch andere Kollegen berichten von dem Flugblatt, das da plötzlich wie aus dem Nichts über die Uni kam. Warum es ihre Hochschule heimgesucht hat, das ist Marx dagegen eher ein Rätsel. "Der Inhalt des Flyers", sagt sie jedenfalls, "ist befremdlich."

"Mutige Studenten gesucht!", steht auf dem Blatt, das derzeit nicht nur in Greifswald kursiert. "Klagen Sie gegen ungerechte Noten! Wir helfen Ihnen!"

Urheber ist der umstrittene Verein Deutsche Sprache, der pünktlich zum Semesterbeginn mit großzügiger Prozesskostenhilfe zum Kampf gegen "rechtswidrige sprachpolizeiliche Genderregeln" bläst. Dürfen Hochschulen von ihren Studierenden in Seminar- und Abschlussarbeiten gendergerechte Formulierungen verlangen und auch bei der Bewertung darauf achten?

5000 dieser Flugblätter hat der Verein nach eigenen Angaben in Umlauf gebracht. (Foto: Screenshot SZ)

"Es haben sich immer wieder Studenten an uns gewandt, die sich durch das Gendern gegängelt fühlen, aber sich nicht trauen, dagegen vorzugehen", sagt Holger Klatte, Geschäftsführer des Vereins. "Wir würden es daher gerne rechtlich klären lassen, ob Dozenten eine solche Kunstsprache zur Pflicht für ihre Studenten machen können." Den Präzedenzfall hofft man mit den Flyern nun zu finden, 5000 Flugblätter hat der Verein nach eigenen Angaben bundesweit an den Hochschulen in Umlauf gebracht. Es ist der nächste Schritt der selbsternannten Sprachbewahrer in ihrem Feldzug gegen das, was sie als "Gendersprech" bezeichnen.

Im Frühjahr hatte der Verein Deutsche Sprache bereits einen martialisch formulierten "Aufruf zum Widerstand" gegen den "Gender-Unfug" lanciert, initiiert unter anderem von der Schriftstellerin Monika Maron, dem ehemaligen Journalistenausbilder Wolf Schneider und dem ehemaligen Lehrerfunktionär Josef Kraus. Die Schar der Erstunterzeichner war dabei so illuster wie irritierend: Eher unverdächtige Schriftsteller wie Günter Kunert oder Judith Hermann waren darunter, mitunter irrlichternde Kabarettisten wie Dieter Nuhr, aber auch deutliche Rechtsaußen-Figuren wie Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, der Publizist Roland Tichy und der Dresdener Politikwissenschaftler Werner Patzelt, dem Kollegen eine verharmlosende Interpretation der Pegida-Demonstrationen vorwerfen. Es wirkte, als hätte sich hinter dem Verein eine Koalition aus Wut- und Bildungsbürger*innen versammelt. Der Professorentitel wird in der Unterzeichnerschaft auffällig oft genannt.

Insofern erscheint es nicht so verwunderlich, dass der Verein seinen Kampf gegen das Binnen-I und Gendersternchen nun an die Universitäten trägt; auch einzelne Lehrstühle und Dozenten hätten die Flyer angefragt, heißt es beim Verein. Greifswald ist dabei ein Schwerpunkt der Aktion - weil dort "besonders dirigistische Eingriffe beschlossen" worden sein. Bloß welche genau?

Im April hatte der Senat der Universität Greifswald zwar tatsächlich einen Beschluss gefasst, wonach ab diesem Wintersemester geschlechtergerechte Sprache zu verwenden ist - mit großer Mehrheit. Linguistikprofessorin Marx, die dem Arbeitskreis zum Umsetzung des Senatsbeschlusses angehört, weist aber darauf hin: Die Vorgabe betrifft vor allem offizielle Dokumente der Hochschule selbst, etwa Prüfungsordnungen oder Satzungen. Die Hausarbeiten der Studierenden zählen eher nicht zu den offiziellen Dokumenten der Universität.

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In den Vorgaben für Seminararbeiten, die Marx den Studierenden ihres Fachbereichs gibt, steht von einem Zwang zum Genderstern oder Binnen-I kein Wort. Marx selbst sagt, sie weise in Gutachten zu Hausarbeiten durchaus darauf hin, wenn nicht gegendert wurde - mit dem expliziten Nachsatz, dass das keine Auswirkungen auf die Note habe. "Das kommt aber auch nur selten vor, weil Studierende in unserem Fach von sich aus gendern. Für sie ist das einfach selbstverständlich."

Etwas anders ist es an der Theologischen Fakultät in Greifswald, ein Beispiel, auf das auch der Verein Deutsche Sprache auf Nachfrage verweist. Die Handreichung für Seminar- und Abschlussarbeiten nennt als eines von acht formalen Bewertungskriterien, ob auf geschlechtergerechte Formulierungen geachtet wurde - wie Studierende das umsetzen, ob sie Lehrperson schreiben oder Lehrer*innen oder Lehrerinnen und Lehrer, bleibt ihnen überlassen. In dem Punkt ist die Sprachpolizei großzügig.

Und wohl auch sonst: Studiendekan Heinrich Assel sagt, für die Noten relevant seien selbstverständlich vor allem Inhalt und Aufbau der Arbeit: "Es gibt keinen einzigen Fall an unserer Fakultät, in dem geschlechtergerechte Sprache in Hausarbeiten beurteilungsrelevant geworden ist." Selbst die Verfasserin des Leitfadens erklärt, dass sie bei der Bewertung einer Arbeit nicht darauf achte. Eher darauf, ob sich die Studierenden an die Zitierregeln halten. Was leider nicht immer der Fall ist. Der Leitfaden werde wohl kaum gelesen, bedauert sie.

Vielleicht finden sich durch den Flyer ja nun ein paar Mutige, die vor der nächsten Seminararbeit doch einen Blick reinwerfen.

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