Süddeutsche Zeitung

Umstrittener Vorschlag von US-Politiker:Schlechte Noten, weniger Sozialhilfe

Eine 6 im Zeugnis könnte für Kinder und deren Eltern im US-Bundesstaat Tennessee künftig finanzielle Folgen haben. Der republikanische State Senator Stacey Campfield will Sozialhilfe an schulische Leistung knüpfen. Es ist nicht der erste bildungspolitisch fragwürdige Vorschlag des Republikaners.

Von Johanna Bruckner

Wer den Namen "Stacey Campfield" bei Google sucht, bekommt schnell einen ersten Eindruck davon, was für eine Art Mann der US-Politiker mit dem blonden Bürstenhaarschnitt ist. So mag Stacey Campfield offensichtlich keine Schwulen und Lesben. Damit Kinder gar nicht erst auf den Gedanken kommen, es gäbe etwas anderes als die Liebe zwischen Mann und Frau, hat sich der republikanische Senator des Staates Tennessee ein Gesetz erdacht: Seit Jahren versucht der 44-Jährige, das "Don't Say Gay law" (Sag-nicht-schwul-Gesetz) durchzubringen, dass es Lehrern verbieten würde, in den unteren Klassen über Homosexualität zu sprechen.

Nun wartet der religiöse wie politische Hardliner mit einer neuen bildungspolitischen Initiative auf: Er plant, sozialhilfebedürftigen Eltern die staatliche Unterstützung zu kürzen, wenn ihre Kinder schlechte Noten nach Hause bringen. Das berichten amerikanische Medien.

Ganz neu ist Campfields Idee nicht. Die Eltern von Schulschwänzern können in Tennessee bereits bis zu 20 Prozent der staatlichen Hilfen verlieren. Der republikanische Senator will nun zusätzlich festlegen, dass Schüler aus benachteiligten Familien einen "zufriedenstellenden akademischen Fortschritt" in der Schule erreichen müssen. Wenn sich die Leistungen eines Kindes verschlechtern statt verbessern oder in den Fachbereichen Mathematik und Lesen/Sprache eine bestimmte Note nicht erreicht wird, soll künftig eine Kürzung um bis zu 30 Prozent drohen.

Weniger als 90 Euro im Monat zum Leben

Campfield will die Betroffenen damit jedoch nicht bestrafen, wie er beteuert - vielmehr sei sein Vorschlag dazu gedacht, den "Kreislauf der Armut" zu durchbrechen. "Wenn es der Familie egal ist, ob das Kind zur Schule geht oder dort gute Leistungen erzielt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass das Kind den Weg aus der Armut schafft", sagte er in einem Interview. "Dieser Gesetzentwurf gibt Eltern die Motivation, ihre Kinder in der Schule und beim Lernen mehr zu unterstützen."

Mehr Bildungsbemühungen, damit Gelder nicht gekürzt werden? Das erscheint nicht nur dem Laien als Milchmädchenrechnung - auch Experten und politische Gegner kritisieren Campfields Vorschlag. Linda O'Neal, Direktorin der "Tennessee Commission of Children and Youth", äußert die Befürchtung, dass die Situation von Eltern und Kindern dadurch prekärer würde, die ohnehin zu kämpfen hätten. So blieben einer Mutter mit zwei Kindern im Ernstfall weniger als 125 Dollar - umgerechnet etwa 90 Euro - im Monat zum Leben.

Noch deutlicher bringt es der Vorsitzende der Demokraten im Senat in Nashville auf den Punkt: "Wie stellt sich Senator Campfield vor, dass ein Kind seine Hausaufgaben macht, wenn es nichts zum Abendessen bekommt?"

Auch im Internet kommt der neue Vorschlag des republikanischen Senators nicht gut weg. Auf einer eigens für den umstrittenen (Bildungs-) Politiker eingerichteten Anti-Fan-Seite bei Facebook reichen die Reaktionen von Fremdscham ("Stacey Campfield beschämt weiter sich selbst und die Bewohner Tennessees") bis zu Galgenhumor ("Der arme Stacey hat seine Medikamente mal wieder abgesetzt").

Ob sein Gesetzesentwurf durchkommt, ist offen. Campfields Anti-Aufklärungs-Unterricht hat es trotz negativer Presse zumindest schon mal durch den Senat geschafft. Eine weitere entscheidende Abstimmung darüber steht noch aus. Derweil unterfüttert der 44-Jährige sein homophobes Vorhaben mit kruden Thesen: Im vergangenen Jahr versuchte er in einem Interview der Welt zu erklären, der HIV-Virus sei durch einen schwulen Piloten verbreitet worden, der Sex mit einem Affen gehabt habe.

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