Neue Stadt, neue Freunde und endlich lernen, was einen interessiert: Die Erwartungen vieler Abiturienten ans Studium sind hoch. Doch gibt es das vielbeschworene süße Studentenleben heute überhaupt noch? Wie geht es den knapp 2,5 Millionen Studierenden in Deutschland angesichts von straffen Studienplänen und steigenden Lebenshaltungskosten? Diesen Fragen ist das Deutsche Studentenwerk (DSW), der Dachverband der lokalen Studentenwerke, nachgegangen.
Alle drei Jahre befragt es Studierende zu ihrer sozialen und wirtschaftlichen Situation. Für die 20. Sozialerhebung wurden im Sommersemester 2012 mehr als 15.000 Studierende an 227 Hochschulen befragt. Die Ergebnisse im Überblick.
- Sozialer Hintergrund
Viele Abiturienten kommen mit ganz konkreten Vorstellungen und Hoffnungen an die Uni. Das hat einen einfachen Grund: Schon ihre Eltern haben studiert. An den Hochschulen ist hauptsächlich Akademikernachwuchs zu finden. Von 100 Kindern aus Familien, in denen Mutter und/oder Vater einen Hochschulabschluss haben, nehmen 77 später selbst ein Studium auf. In Facharbeiterfamilien sind es hingegen nur 23.
Damit bestätigt sich einmal mehr, wie sehr das Bildungsniveau in Deutschland von der sozialen Herkunft abhängt. "Die hochschulpolitischen Schlüsselbegriffe unserer Zeit sind Exzellenz, Elite, Autonomie. Von sozialer Gerechtigkeit und Chancengleichheit ist kaum die Rede", kritisiert Studentenwerkspräsident Dieter Timmermann.
Der Anteil der Studierenden mit Migrationshintergrund lag 2012 bei 23 Prozent. Im Vergleich zu 2009 sind das zwölf Prozentpunkte mehr - dieser Anstieg kommt aber vor allem dadurch zustande, dass in der jüngsten Erhebung Merkmale ergänzt wurden. Studierende mit einem Migrationshintergrund kommen mehr als viermal so häufig aus einem Nicht-Akademiker-Haushalt wie Studierende ohne Migrationshintergrund.
- Studienbeginn
Das alte Studiensystem mit den Diplom- und Magister-Abschlüssen brachte zwar hochqualifizierte Absolventen hervor. Doch diese waren im internationalen Vergleich (zu) alt. Auch deshalb wurde das Bachelor-/Master-System in Deutschland eingeführt. Die Abiturienten scheinen die implizite Forderung daraus, dem Arbeitsmarkt möglichst schnell zur Verfügung zu stehen, verinnerlicht zu haben.
Immer mehr junge Leute legen nach dem Abi keine Pause ein, sondern gehen direkt an die Uni. 35 Prozent, also mehr als jeder dritte Abiturient schreibt sich demnach innerhalb von drei Monaten nach seinem Abschluss für ein Studium ein. 2009 lag diese Quote noch bei 31 Prozent.
- Studienwahl
Fast jeder vierte Abiturient - und sogar jeder dritte männliche Abiturient - beginnt ein Studium in einem ingenieurswissenschaftlichen Fach. Damit zieht diese Fächergruppe die meisten Studierenden an.
- Studienabbrecher
Parallel dazu gibt es immer weniger Studienabbrecher: Legten 2003 noch 15 Prozent der Studierenden ihr Studium nieder, waren es 2012 (zum Zeitpunkt der jüngsten Erhebung) nur noch neun Prozent. "Diese Entwicklung ist erfreulich und zeigt, dass ein erfolgreicher Studienabschluss für junge Menschen immer besser planbar wird", sagt Thomas Rachel, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbildungsministerium.
- Zeitaufwand
Die Sozialerhebung kommt zu dem Ergebnis, dass der Zeitaufwand für das Studium in den vergangenen Jahren eher zurückgegangen ist. Demnach verbringen die Studierenden im Schnitt 18 Stunden in der Woche in Lehrveranstaltungen. Dazu kommen durchschnittlich 17 Stunden für Vor- und Nachbereitung ("Selbststudium"). Zum letzten Befragungszeitpunkt 2009 betrug die zeitliche Belastung fürs Studium noch eine Stunde mehr.
Das Deutsche Studentenwerk führt die moderate durchschnittliche Arbeitsbelastung vor allem darauf zurück, dass die Unis auf die Kritik der ersten Bachelor-Jahrgänge eingegangen seien. "Die Reform der Reform beginnt zu greifen", so DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde.
- Stress im Studium
Doch wie passt das vorliegende Ergebnis zu Klagen von Studierenden über den stressigen Bachelor? Tatsächlich haben andere Studien ergeben, dass Bachelor-Studierende im Vergleich zu Diplom-Studierenden gestresster sind. Die wahrgenommene psychische Belastung scheint jedoch weniger mit dem Arbeitspensum als vielmehr mit der Entscheidungsfreiheit im Studium und den Studienanforderungen zusammenzuhängen.
Inzwischen sind an den Unis etwa drei Viertel aller Studiengänge auf Bachelor und Master umgestellt, an den Fachhochschulen sind es sogar 95 Prozent.
- Finanzierung
Studierende hatten 2012 durchschnittlich 864 Euro i m Monat zur Verfügung - das sind 50 Euro mehr als vor drei Jahren. Ein Viertel muss allerdings mit weniger als 675 Euro monatlich über die Runden kommen. Und immerhin 21 Prozent machen jeden Monat ein kleines Minus. Am meisten geben Studierende für die Miete aus: nämlich 34 Prozent ihres monatlichen Einkommens. Besonders hoch sind die Wohnkosten in Köln und München.
Die meisten Studierenden tragen selbst zu ihrem Lebensunterhalt bei: 60 Prozent jobben neben dem Studium. Durch die Abschaffung der Studiengebühren habe sich der Druck zur Erwerbstätigkeit wieder etwas verringert, teilte das Studentenwerk mit.
Etwa ein Viertel der Studierenden bekommt bei der Finanzierung staatliche Unterstützung in Form von Bafög. 80 Prozent der Empfänger gaben an, sie hätten ohne diese finanzielle Hilfe nicht studieren können. Hier zeigt sich wiederum die Bedeutung der sozialen Herkunft: Je höher der Bildungsabschluss der Eltern, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass der Studierende Bafög beantragt. Wer von den Eltern unterstützt wird, erhält monatlich im Schnitt 476 Euro.
Die Bafög-Quote stieg gegenüber 2009 zwar um vier Prozentpunkte. Dennoch sieht DSW-Präsident Timmermann Handlungsbedarf: Er forderte Bund und Länder auf, sich jetzt ohne weitere Verzögerungen auf eine Reform der Ausbildungsförderung zu verständigen. Eine Anhebung der Bafög-Sätze steht nun schon im zweiten Jahr in Folge aus. Studienkredite (sechs Prozent) und Stipendien (vier Prozent) spielen bei der Studienfinanzierung nur eine untergeordnete Rolle.
- Knapper Wohnraum, überfüllte Mensen
Beim Wohnen haben es die Studierenden gerne überschaubar: 37 Prozent wohnen alleine oder mit einem Partner zusammen. An zweiter Stelle auf der Beliebtheitsskala folgt die Wohngemeinschaft. Im Gegensatz dazu essen Studierende gerne in Gemeinschaft. 82 Prozent besuchen während der Vorlesungszeit mindestens einmal in der Woche eine Mensa.
Doch nicht immer bekommen sie dort einen Platz. Die Sozialerhebung dokumentiert Engpässe bei Wohnheimen und Mensen. Hintergrund ist die Oberstufen-Reform an den Gymnasium, besser bekannt als "G8", die nicht nur Folgen für die Schulen hatte, sondern auch für die Unis. "Bund und Länder müssen den Studentenwerken zusätzliche Mittel parallel zu den Hochschulpakten bereitstellen", sagte DSW-Generalsekretär Meyer auf der Heyde.