Umfrage:Lehrer oft überfordert von der Inklusion

Viele Pädagogen fühlen sich unzureichend vorbereitet.

Von Johann Osel

Beim gemeinsamen Unterricht von Schülern mit und ohne Behinderung fühlen sich viele Lehrer "ins kalte Wasser geworfen". Das zeigt eine Forsa-Umfrage, die am Montag veröffentlicht wurde. Fast 60 Prozent der Pädagogen gaben an, keine sonderpädagogischen Kenntnisse zu haben. Und mehr als die Hälfte derjenigen, die behinderte Kinder unterrichten, hatte nur wenige Wochen Zeit, sich auf die Inklusion vorzubereiten. Auch eine Unterstützung durch Sozialpädagogen ist keinesfalls die Regel, zudem sind Klassen im Zuge der Neuerungen oft nicht kleiner geworden. 98 Prozent der Befragten fordern in inklusiven Klassen eine Doppelbesetzung aus Lehrer und Sonderpädagoge. "Schulrechtlich ist eine solche Doppelbesetzung aber nicht zwingend vorgesehen", teilte Udo Beckmann mit, der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE). Die Bildungsgewerkschaft hat die Umfrage in Auftrag gegeben.

Das Ergebnis sei "mehr als ein Alarmsignal an die Politik", so Beckmann. "Die Bedingungen für die Umsetzung der Inklusion stehen klar im Widerspruch zur UN-Behindertenrechtskonvention." Deutschland hat sich 2009 zur Konvention verpflichtet. Demnach darf keiner vom "normalen" System ausgeschlossen sein und hat auch mit Handicap Anspruch auf den Besuch der Regelschule. Ein Viertel aller Schüler mit Förderbedarf lernt heute nicht mehr an Förderschulen. Die Kinder haben häufig Verhaltensstörungen und geistige Behinderungen, nur wenige sind körperbehindert.

Trotz der Defizite: 75 Prozent der Befragten gaben an, dass es an ihrer Schule Inklusionskinder gibt. Ein Drittel der Lehrer unterrichtet sie schon selbst. Von der Politik, so der VBE-Chef, werde "billigend in Kauf genommen, dass Inklusion vor die Wand gefahren wird". Die Umfrage zeigt so auch ein großes Feld an Inklusionsskeptikern. Beckmann verweist auf die schlechten Rahmenbedingungen: "Da muss man sich nicht wundern, dass 41 Prozent der befragten Lehrer die Beschulung von Kindern mit Behinderung an Förderschulen für sinnvoller halten."

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