Süddeutsche Zeitung

Übertritt auf weiterführende Schulen:Grundschüler leiden unter hohem Stress

  • Bayerns Viertklässler leiden vor der Vergabe der Übertrittszeugnisse für die weiterführenden Schulen unter hohem Stress, besagt eine Studie der Universität Würzburg.
  • Demnach ist bei 16 Prozent der Schüler die Belastung so hoch, "dass im Grunde eine Gefährdung des Kinderwohls nicht mehr weit entfernt ist".
  • Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) verteidigt das Verfahren, wonach die Noten maßgeblich über die weitere Schullaufbahn entscheiden.

Von Roland Preuß

Grundschüler sind oft starkem Stress ausgesetzt, wenn sie für den Übertritt auf Gymnasium oder Realschule einen bestimmten Notenschnitt erreichen müssen. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Universität Würzburg, über die die Süddeutschen Zeitung (Donnerstagsausgabe) vorab berichtet. Demnach fühlen sich auch Eltern von Viertklässlern in Bayern, das Notenschnitte vorschreibt, deutlich mehr belastet als hessische Eltern, wo die Lehrer Empfehlungen für die weiterführende Schulart aussprechen. Die Wissenschaftler plädieren für neue Regeln beim Übertritt.

Die Studie kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Fast jeder zweite bayerische Dritt- und Viertklässler zeige erhöhte Stresswerte, die zum Teil "alarmierend" seien, sagt Heinz Reinders, Professor für Empirische Bildungsforschung an der Universität Würzburg und Co-Autor der Studie. In Hessen dagegen gibt nur gut ein Viertel der Eltern an, dass der Übergang ihr Kind sehr belaste. Ähnlich sieht es bei den Eltern selbst aus: Mehr als die Hälfte (54,6 Prozent) der bayerischen Eltern von Viertklässlern empfinden das Übertrittsverfahren als belastend, in Hessen ist es nur knapp ein Drittel. Besonders Eltern ohne Abitur oder Studium stresst die Situation oft, sie fühlen sich offenbar überfordert, während Akademikereltern ihr Kind leichter unterstützen können.

Zur Analyse der Würzburger Studie

Die ausführliche Analyse der Studie lesen Sie in der Donnerstagsaugabe der SZ oder in der digitalen Ausgabe.

Bestimmte Schüler sind laut Reinders besonders gefährdet: die mit einem Notenschnitt von 2,66 zwischen Real- und Mittelschule stehen, also zwischen dem gängigen Weg zum Mittleren Abschluss, der fast alle Ausbildungsberufe eröffnet, und dem gängigen Weg zum Hauptschulabschluss, der oft nicht für eine Lehrstelle reicht. Ein weiteres Risiko sind Eltern, die einen besseren Bildungsabschluss erwarten, als die Kinder realistischerweise leisten können. "Immerhin bei 16 Prozent der bayerischen Viertklässler ist die Stressbelastung so hoch, dass im Grunde eine Gefährdung des Kinderwohls nicht mehr weit entfernt ist", sagt Reinders.

Der Bildungsforscher fordert, verbindliche Notenschnitte durch Beratungen und Empfehlungen zu ersetzen. Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) dagegen verteidigt das Verfahren. Sie seien die "sozial gerechteste Form der Entscheidung", sagte er der SZ.

Am kommenden Montag erhalten Bayerns Grundschüler ihre Übertrittszeugnisse. Deren Notenschnitt entscheidet grundsätzlich darüber, auf welcher Schulart ein Schüler weitermachen darf. Ähnliche Regeln gibt es laut Reinders in Brandenburg, Thüringen und Sachsen.

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