SZ.de: Herr Thomsen, warum stellen Sie an der TU Berlin künftig keine Gebetsräumlichkeiten für muslimische Studierende mehr zur Verfügung?
Christian Thomsen: Wir haben nicht nur lange Zeit einen Gebetsraum an der Uni gehabt, sondern auch eine Turnhalle für das Freitagsgebet zur Verfügung gestellt. Zu Letzterem kamen teilweise bis zu 600 Studenten - in eine nur etwa 300 Quadratmeter große Halle. Das ist aus baupolizeilichen Gründen zu gefährlich. Dazu kam die Überlegung, dass wir viele Religionsgruppen ausschließen, wenn wir so ein Angebot nur für die Muslime haben. Daher haben wir uns im Sinne der Neutralität entschlossen, ab 14. März komplett auf Gebetsräume zu verzichten und auch keine sonstigen religiösen Veranstaltungen mehr an der TU Berlin zuzulassen.
Den Gebetsraum hat es über Jahrzehnte gegeben. Warum schaffen Sie ihn gerade jetzt ab?
Es ging um die Grundsatzfrage: Wollen wir an unserer Universität religiöse Veranstaltungen oder nicht? Ich bin der Meinung, dass Hochschulen und Religion voneinander getrennt sein sollten. Zu früheren Zeiten gab es in Berlin noch nicht so viele Möglichkeiten für Muslime, ihre Religion zu praktizieren. Nun aber haben wir ausreichend Gebetshäuser, auf die Studierende ausweichen können. Vielleicht nicht in fußläufiger Entfernung, aber doch innerhalb von wenigen Stationen mit dem Bus. Deshalb ist ein Gebetsraum an der Uni nicht mehr notwendig.
Sie haben Ihre Entscheidung auch mit Vertretern muslimischer Vereine diskutiert.
Wir haben offen miteinander gesprochen, aber an der grundsätzlichen Entscheidung gegen Gebetsräume an der TU Berlin hat das nichts geändert. Die Schließung des Gebetsraumes haben wir mit genug Vorlauf angekündigt und den Vereinen geraten, sich nach geeigneten Räumlichkeiten in Uninähe umzusehen. Denn auch klar ist natürlich: Wir haben viele muslimische Studierende und uns liegt viel an deren Wohlbefinden.
Ist es dann auch in Ihrem Sinne, dass muslimische Studierende künftig mangels Alternative vermehrt an anderen ruhigen Orten auf dem Gelände der Universität beten werden?
Es gilt Religionsfreiheit, jeder kann beten, wo und wann er möchte. Schwierig würde es nur, wenn viele Menschen gleichzeitig beten wollen und dadurch die universitären Abläufe gestört werden. Dass etwa Bücherregale in Bibliotheken wegen betender Studierender nicht mehr erreichbar sind, das wollen wir nicht. Wir haben den muslimischen Vereinen auch mitgeteilt, dass wir dann einschreiten werden. Wenn aber ein oder zwei Studierende auf dem Flur vor einem Büro beten möchten, habe ich nichts dagegen. Ich verstehe das als Teil unserer pluralistischen Gesellschaft.
An der Uni in Dortmund ist ein "Raum der Stille" kürzlich geschlossen worden, weil es dort Probleme mit potenziellen Salafisten und der Trennung von Männern und Frauen gab. Haben Sie in Berlin Ähnliches erlebt?
Auf salafistische Umtriebe haben wir überhaupt keine Hinweise und auch sonst hat das mit dem Gebetsraum immer reibungslos funktioniert. Die Trennung zwischen Männern und Frauen allerdings haben wir hier auch: Sowohl im Gebetsraum wie auch beim Freitagsgebet sind nur Männer zugelassen. Das ist natürlich ein Zustand, den die deutsche Verfassung nicht vorsieht. Es war für die Abschaffung aber nicht der zentrale Grund.
Die Uni Köln plant, noch in diesem Jahr einen "Raum der Stille" für Menschen aller Konfessionen einzurichten. Wäre das auch an der TU Berlin eine Lösung?
Darüber haben wir nachgedacht, den Gedanken aber erst einmal aus rein praktischen Gründen verworfen. Wollte man Studierenden aller Konfessionen so ein Angebot machen, müssten wir eine so große Fläche zur Verfügung stellen, wie wir sie schlicht nicht haben. Ich möchte aber nicht völlig ausschließen, dass wir in einigen Jahren einen solchen überkonfessionell nutzbaren Raum an der TU eröffnen.
Gegen die aktuelle Abschaffung des Gebetsraumes gibt es bereits eine Petition. Befürchten Sie umfangreiche Proteste, wenn der Raum am 14. März geschlossen wird?
An der Uni sind wir es gewohnt, bei Entscheidungen auf Widerstand der Studierenden zu treffen. Gewöhnlich geht es dabei um Prüfungsordnungen oder dergleichen, nun eben um den Gebetsraum. Damit muss und kann die Uni umgehen.