Trotz Studentenschwemme an den Hochschulen:Gute Chancen auf einen guten Job

Obwohl noch nie so viele junge Menschen wie in diesem Jahr mit ihrem Studium beginnen werden, können sie mit einem anspruchsvollen Beruf rechnen. Aber: Die meisten werden in ihrem gewünschten Job weniger bekommen als Akademiker früherer Generationen, manche nur unwesentlich mehr als einen Niedriglohn.

Roland Preuß

Man darf durchaus fragen, wo sie einmal alle hin sollen, diese Studenten. Mehr als eine halbe Million sind vergangenes Jahr neu in die Hochschulen des Landes gekommen, doppelt so viele wie Mitte der 1990er Jahre, ein Rekordwert. Und auch zu diesem Semesterbeginn am kommenden Montag wird es ungewöhnlich lange Erstsemesterlisten geben, die Kultusminister erwarten nur einen leichten Rückgang gegenüber dem Vorjahr.

Die Gründe liegen auf der Hand: Die Wehrpflicht wurde abgeschafft, zu allem Überfluss führen die westdeutschen Bundesländer derzeit auch noch das Abitur nach acht Jahren ein, weshalb nun zwei Jahrgänge gleichzeitig um die Plätze in Audimax, Bibliotheken und Chemielaboren rangeln.

Und: Es wollen immer mehr von den jungen Leute studieren. Das ist nicht nur für die Hochschulen spannend, die die studierwillige Masse zu Vorlesungen in Kirchen oder Sporthallen schicken, das wird in wenigen Jahren noch spannender, wenn die Damen und Herren Absolventen auch noch gleichzeitig einen guten Job finden wollen.

Lohnt es sich da noch zu studieren? Oder kommt da ein Verdrängungswettbewerb der Akademiker auf Deutschland zu? Droht ein akademisches Proletariat, das jahrelang in Traineeprogrammen und Honorarverträgen seine Runden dreht - also ein Studium ins Nichts?

Es gibt eine erfreuliche und eine ernüchternde Antwort auf diese Fragen. Und ein Restrisiko: Niemand weiß, wie sich die Wirtschaft und Gesellschaft letztendlich entwickeln und damit der Durst nach Akademikern. Erfreuliches verheißt die Erfahrung aus den vergangenen Jahren. Auch da drängten mehr und mehr Abiturienten an die Hochschulen - und sind später gut untergekommen.

Der Mangel an Fachkräften hat sich seither sogar verstärkt, etwa bei den Ärzten, bei Informatikern und Mathematikern. Bei den Ingenieuren sind schon jetzt mehr als 100.000 offene Stellen gemeldet. Und es ist absehbar: Zehntausende Akademiker werden sich in den kommenden Jahren in den Ruhestand verabschieden.

Der Lohn ist das Problem

Arbeitslose Jungakademiker (unter 25 Jahren) sind in den Arbeitsagenturen derzeit die Exoten, im Februar zählte man bundesweit gerade einmal gut 1800 von ihnen - manche bedrohte Tierart kann mehr Exemplare vorweisen. Die Arbeitslosigkeit müssen Studienanfänger aller Voraussicht nach deshalb nicht fürchten.

"Die Chancen für Studenten sind unter dem Strich so gut wie seit langem nicht", sagt Kolja Briedis. Der Wirtschaftswissenschaftler hat anhand von mehr als 10.000 Studenten für das Hochschul-Informations-System (HIS) untersucht, was aus den Absolventen des Jahrgangs 2009 ein Jahr nach dem Abschluss geworden ist.

Die Ergebnisse stimmen durchaus zuversichtlich: Von den Neuakademikern mit den traditionellen Abschlüssen Diplom, Magister und Staatsexamen waren lediglich vier Prozent arbeitslos, vom Nachwuchs mit dem neuen Abschluss Bachelor nur zwei bis drei Prozent. Doch es ist nicht nur irgendein Job, den die meisten ergattern, er entspricht in der Regel auch dem Niveau des Erlernten: Nur drei (Bachelor) bis fünf (alte Abschlüsse) Prozent der Berufseinsteiger arbeiten dort, wo man eigentlich keinen Studierten braucht, als Kopierhelfer, Aktenschlepper oder was gerade sonst noch Lästiges anliegt im Betrieb. "Es gibt nicht nur sehr gute Chancen auf einen Job, sondern auch gute Chancen auf einen guten Job", sagt Briedis.

Das trifft auch auf die große Mehrheit der Bachelor-Studenten zu. Das ist bemerkenswert, weil ihr Studium kürzer und enger gefasst ist, als es die alten Abschlüsse sind. Viele Arbeitgeber beäugten die Bachelor-Studenten deshalb skeptisch als Schmalspurakademiker. Dennoch finden sich zumindest bisher genug Unternehmen und Behörden, welche die Bachelor einstellen.

Beim Einkommen gibt es zwar durchaus Unterschiede zu den alten Uniabschlüssen. Doch bewegen sich Bachelors einerseits und Diplom- und Magisterabsolventen andererseits in Berufen wie etwa Architekten oder Wirtschaftswissenschaftler in derselben Gehaltsliga. Die allerdings ist mitunter - um im Bild zu bleiben - drittklassig.

Was zur ernüchternden Antwort auf die Fragen der Studentenschwemme führt. Denn bei diesen Gruppen bedeutet ein Arbeitsvertrag noch lange nicht ein gutes Einkommen. Die durchschnittlich 22.200 Euro im Jahr für Geisteswissenschaftler mit Bachelor-Abschluss bewegen sich nahe am Niedriglohn, dessen Grenze allgemein bei 9,15 Euro die Stunde angesetzt ist. Das heißt, viele aus dieser Gruppe erhalten tatsächlich Niedriglöhne. Das erinnert an das Klischee vom Philosophie-Studenten, der sein Geld im Taxi verdient - doch der ist selten geworden.

Heute schlägt sich jeder dritte Uni-Bachelor mit geisteswissenschaftlichem Anspruch auf Honorarbasis, mit befristeten Verträgen oder per Teilzeit durch. Alle Folterinstrumente, die das Arbeitsrecht so hergibt, wenden die Arbeitgeber bei diesen Berufsanfängern offenbar an. Mit der Absolventenwelle in wenigen Jahren wird es nicht einfacher werden, sagt Karl Brenke, Arbeitsmarktexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Schon in den vergangenen Jahren seien die Einkommen bei Gutqualifizierten "nicht berauschend" gestiegen, sagt Brenke. Und in denn kommenden Jahren werde durch die vielen Absolventen der Druck auf die Löhne "eher noch wachsen".

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