Tipps fürs Bergwandern:"Eine Bergtour soll keine Selbstkasteiung sein"

Tipps fürs Bergwandern: Und zwischendurch einfach mal: die Aussicht genießen

Und zwischendurch einfach mal: die Aussicht genießen

(Foto: Andreas Haertle - Fotolia)

Wer in München studiert, hat die Berge vor der Haustür. Doch wie geht man die erste Wanderung an? Bergführer Dieter Stopper sagt, was in den Rucksack gehört - und wie man reagieren sollte, wenn man von der Dunkelheit überrascht wird.

Von Johanna Bruckner

"Lasst uns doch mal in die Berge fahren!" Wer in München studiert, bekommt diesen Vorschlag meist irgendwann zu hören - wenn er beim Anblick des Alpen-Panoramas nicht selbst auf die Idee kommt. Dieter Stopper, 47, kennt die schöne und die gefährliche Seite der Berge. Als Berg- und Skiführer organisiert er Touren für Anfänger und ambitionierte Routiniers. Hauptberuflich arbeitet der Geophysiker als Gutachter bei Bergunfällen. Im Interview erklärt er, worauf man achten sollte, damit die Wandertour nicht zum Albtraum, sondern zum unvergesslichen Erlebnis wird.

SZ.de: Herr Stopper, wenn ich noch nie in den Bergen war - sollte ich dann besser eine geführte Tour machen?

Das wäre ideal. Bei einfachen Touren kann man aber auch auf eigene Faust losziehen, es gibt genügend Information im Internet. Wichtig: Eine Bergtour soll keine Selbstkasteiung sein, sondern Spaß machen. Ich würde Einsteigern empfehlen, erst mal im Vorgebirge zu bleiben, eine Tour mit 500 bis 1000 Höhenmetern ist für sie ideal.

Muss ich denn trainiert sein?

Schadet sicher nicht. Aber grundsätzlich kann jeder, der keine Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat, bergwandern. Wichtig: Langsam beginnen, sonst kommt man schnell in den anaeroben Bereich, das heißt, man geht über seine eigene Belastungsgrenze hinaus, fängt das Hecheln an und muss stehenbleiben. Mindestens zehn bis 15 Minuten in gemächlichem Tempo laufen, bis die Muskeln warm sind. Irgendwann sagt der Körper dann ganz von selbst: "Mach' mal ein bisschen schneller, mir ist langweilig."

Gibt es eine perfekte Jahreszeit für die Bergpremiere?

Im Frühjahr haben wir in den Bergen oft noch Schnee; insbesondere auf der Nordseite gibt es Firnfelder, die sehr hart sein können. Dementsprechend gefährlich ist es, sie zu queren. Es gibt in jedem Frühjahr Leute, die auf Firnfeldern ausrutschen, quasi im freien Fall eine schiefe Ebene hinunterrauschen, unten in die Felsen krachen oder über eine Abbruchkante fallen. Leider gibt es jedes Jahr Tote und Verletzte.

Wann ist es ungefährlicher?

Der Oktober ist eine hervorragende Zeit, um mit dem Bergwandern zu beginnen. Da sind die Firnfelder abgetaut, die Tageslänge ist noch okay und wir haben häufig stabiles Wetter. Das Gewitterrisiko ist viel geringer als im Sommer. Trockene Luft, eine super Fernsicht, dazu ändert sich die Blattfarbe - besser geht es nicht.

Wie geht man eine Tour an?

Erster Schritt: Informieren! Es gibt Literatur zum Thema Bergwandern und auch das Internet ist sehr hilfreich. In der Regel ist bei den Touren auch der Schwierigkeitsgrad angegeben, sodass sich Einsteiger leicht tun. Ein guter Tipp: Verlassen Sie sich beim Planen nicht auf eine einzelne Tourenbeschreibung, sondern ziehen Sie immer eine zweite hinzu.

Warum?

Beim Bergwandern gibt es unterschiedliche Ansätze: Dem einen geht es um die sportliche Herausforderung, der kalkuliert für eine Tour hin und zurück drei Stunden. Ein anderer will die Natur genießen und zwischendurch Rast machen, bei dem dauert dieselbe Tour sechs Stunden. Die Beschreibungen, eine Karte und - ganz wichtig - einen Höhenmesser mit auf Tour nehmen. Letzterer ist wichtig zur Orientierung auf dem Berg, denn dort gibt es nicht immer Wegweiser. Und in der Beschreibung steht im Zweifelsfall nur "Bei 1800 Höhenmetern die Flanke absteigen".

"Im Notfall an Ort und Stelle übernachten"

Wie gefährlich ist es, bei Einbruch der Dunkelheit noch auf dem Berg zu hängen?

Unfälle passieren vor allem dann, wenn man auf Teufel komm' raus versucht, den Gipfel zu überqueren oder ins Tal abzusteigen, obwohl man nichts sieht. Besser ist es, im Notfall an Ort und Stelle zu übernachten. Natürlich ist es in den Bergen nachts kalt, aber Erfrierungsgefahr besteht um diese Jahreszeit in der Regel noch nicht. Damit es so weit gar nicht kommt, hilft eine gute Planung - und Ehrlichkeit: Wenn ich in der ersten Stunde schon meinem Zeitplan hinterherhinke, hole ich die Zeit nie mehr rein, da die Leistungsfähigkeit mit der Länge der Tour abnimmt. Da hilft nur rechtzeitig abbrechen.

Stichwort Ausrüstung: Müssen es die teuren Wanderschuhe sein oder reichen für leichte Touren auch Turnschuhe?

Turnschuhe reichen für alpine Bereiche nicht mehr aus. Es sollten auf jeden Fall Bergschuhe sein und gerade für Anfänger ist es empfehlenswert, welche zu nehmen, die den Knöchel umschließen. Ein weicher Trekkingschuh mit einer guten Sohle ist für den Anfang das Beste. Wichtig ist auch, dass die Stiefel schon beim Anprobieren bequem passen und Sie nicht das Gefühl haben, Sie müssten sie noch drei Tage einlaufen. Es gibt schon gute Stiefel für um die 100 Euro. Lassen Sie sich am besten im Bergsportgeschäft beraten.

Was gilt es beim Rucksack zu beachten?

Für eine Tagestour ist ein Rucksack mit 30 Litern Fassungsvermögen vollkommen ausreichend. Er sollte stabile Schulterriemen und einen Bauchgurt haben, damit man ihn möglichst nah an den Körper ziehen und das Gewicht auf Schultern und Hüfte verteilen kann. Wenn ich mit Leuten in die Berge gehe, die wenig Erfahrung haben, bin ich meistens der mit dem kleinsten Rucksack. Typisches Beispiel: Wir sind drei bis vier Stunden unterwegs und die Leute haben viel zu viel Proviant dabei. Man sollte sich nach jeder Tour fragen: Was habe ich wirklich gebraucht - und was kann ich beim nächsten Mal getrost zuhause lassen?

Was gehört auf jeden Fall rein?

Ein Wetterschutz ist ganz wichtig. Heutzutage gibt es leichte Anoraks, die trotzdem vor Wind und Nässe schützen. Auch gut ist eine dünne Mütze, denn über den Kopf geht im Zweifelsfall viel Wärme verloren. Für Kälteempfindliche sind zudem Handschuhe und eine leichte Überhose sinnvoll - alles zusammen sollte nicht mehr als 500 Gramm wiegen. Außerdem gehört eine Erste-Hilfe-Ausrüstung in den Rucksack, da gibt es kleine Pakete etwa fürs Motorradfahren, in denen alles Wichtige drin ist. Ein bisschen was zu Essen und zu Trinken - wobei der Flüssigkeitsverbrauch individuell verschieden ist. Bei kleinen Touren reichen 500 Milliliter, bei größeren sollten es mindestens anderthalb Liter sein.

Sind isotonische Getränke sinnvoll?

In der Regel reicht Wasser, auch gut ist Apfelschorle. Lösen Sie eine halbe Magnesiumtablette im Wasser auf, das beugt Muskelkrämpfen vor.

Letzte Frage: Wenn ich die Berge lieben lernen will, wo sollte ich dann hingehen?

Tolle Touren mit fantastischer Aussicht gibt es in den Bayerischen Voralpen im Bereich Heimgarten und Herzogstand. Anfänger steigen auf den Heimgarten; trittsichere, das heißt geübte Geher können die Überschreitung am Herzogstand wagen - mit einem Traumblick hinunter auf den Walchensee. Auch das Gebiet um die Alpspitze ist sehr zu empfehlen, hier gibt es Wanderungen, aber auch leichte Klettersteige. Ein guter Ausgangspunkt für Touren ist der Osterfelderkopf, den man mit der Bahn erreicht. Gerade jetzt im Herbst kann man dort unvergessliche Stunden erleben: Man steigt aus dem Nebelmeer hoch, wo es sonnig und warm ist. Leider muss man abends wieder zurückfahren - aber man hat das Erlebte ja noch im Herzen.

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