Tag der Bibliotheken:Wo die vielen Bücher wohnen

Über Jahrhunderte waren Bibliotheken das Zuhause für das gesammelte Wissen einer Gesellschaft. Und nun? Werden trotz Digitalisierung immer noch welche gebaut. Eine Zeitreise in Bildern.

Von Sarah Schmidt

10 Bilder

Bibliotheken weltweit von der Antike bis heute

Quelle: Will Pryce; Will Pryce, Knesebeck-Verlag

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Bibliotheken haben einen ganz eigenen Zauber. Schließlich lagert in ihnen das Wissen der Welt, gedruckt auf Papier, gebündelt zu Büchern, die sich Deckel an Deckel über die Regalmeter reihen. Hier warten die Worte Abertausender Autoren darauf, hervorgeholt zu werden.

Wer einen solchen Raum zum ersten Mal betritt, wird überwältigt. Im Bild zu sehen ist das Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum in Berlin, die größte Freihandbibliothek Deutschlands. Schon die Masse ist beeindruckend, die komplexe Ordnung, die komplizierte Buchstaben- und Ziffernlogik, die über Stockwerke und Gänge schließlich zu dem einen gesuchten Buch führt.

"Bibliotheken sind mehr als Gebäude mit Bücherregalen", schreibt der Architekturhistoriker James Campbell in seinem Bildband "Die Bibliothek" (erschienen im Knesebeck-Verlag). Sie sind Orte des Lesens und Lernens, Sinnbild für die Bedeutung von Wissen und Bildung in einer Gesellschaft.

Zum Tag der Bibliotheken am 24. Oktober wollen wir Sie mitnehmen auf eine Reise durch Raum und Zeit.

Bibliotheken weltweit von der Antike bis heute

Quelle: Will Pryce; Will Pryce, Knesebeck-Verlag

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Die Bibliothek als "Zuhause der Bücher" ist kein starres Konzept, wie der Bildband von James Campbell beweist. Mit dem Fotografen Will Pryce hat er 82 Bibliotheken in 21 Ländern besucht und erlebt, wie individuell und einfallsreich diese in den verschiedenen Epochen und an den unterschiedlichen Orten der Welt gestaltet wurden.

In der russischen Staatsbibliothek in Moskau wird beispielsweise in einem neoklassizistischen Saal zwischen Topfpflanzen und unter dem gestrengen Blick einer großen Lenin-Statue gelesen und gelernt.

Bibliotheken weltweit von der Antike bis heute

Quelle: Will Pryce, Knesebeck-Verlag

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Doch zunächst zu den Anfängen: Seit dem Entstehen der Schrift vor mehr als 5000 Jahren gibt es Orte, um Schriftstücke aufzubewahren. 1975 entdeckten Archäologen bei Ausgrabungen im antiken Palast von Ebla nahe der syrischen Stadt Aleppo Tausende in Keilschrift beschriebene Tontafeln, die dort etwa 2300 v. Chr. archiviert worden waren.

2000 Jahre später war die Bibliothek von Alexandria die größte und beeindruckendste ihrer Zeit - schade nur, dass die Ägypter ihre verbalen Ergüsse auf Papyrus festhielten. Dieser stellte sich als nicht besonders haltbar heraus - weshalb von den einst mehr als 10 000 Schriftrollen nichts übrig geblieben ist.

Die schönste erhaltene römische Bibliotheksruine findet sich in der heutigen Türkei. Die Fassade der Celsusbibliothek in Ephesos konnte aus Steinüberresten rekonstruiert werden (im Bild). Das Gebäude stand im Herzen der Stadt, in unmittelbarer Nähe zum Marktplatz.

Bibliotheken weltweit von der Antike bis heute

Quelle: Will Pryce; Will Pryce, Knesebeck-Verlag

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Nach dem Untergang des Römischen Reiches gewannen in Europa die Klosterbibliotheken an Bedeutung. Im Leben eines Mönches waren immerhin mehrere Stunden des Tages für die Lektüre vorgesehen.

In der 1452 erbauten Biblioteca Malatestiana im italienischen Cesena ist die Ausstattung im Original erhalten. Die Ordensbrüder konnten sich an hölzernen Lesepulten der Bibelkunde widmen.

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Quelle: Will Pryce; Will Pryce, Knesebeck-Verlag

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Sehr viel größer und fortschrittlicher als die europäischen Bibliotheken des Mittelalters waren zu jener Zeit die Wissenszentren der arabischen Welt und Südostasiens. In China ist das Papier erfunden worden, dort wurden auch die ersten Buchdruckverfahren entwickelt.

Der Tianyi-Pavillon in Ningbo ist das älteste Bibliotheksgebäude Chinas. Noch heute werden die Bücher, in Papier eingeschlagen, in Schränken aufbewahrt. In den weißen Beuteln befinden sich Kräuter, die Insekten fernhalten sollen, der Gipsbrocken unter dem Schrank (im Bild) absorbiert Feuchtigkeit. Gelesen wurde übrigens in einem lichten Lesesaal mit direktem Zugang zum Garten.

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Quelle: Will Pryce; Will Pryce, Knesebeck-Verlag

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Im 16. Jahrhundert wurde es billiger, Bücher zu produzieren, außerdem wurden diese kleiner. Das stellte neue Anforderungen an die Aufbewahrung. Zwei Systeme setzten sich durch: Beim "stall-System" wurden die Regale quer zur Wand aufgestellt, beim Wandsystem bis unter die Decke gestapelt.

Die Biblioteca Ambrosiana in Mailand, benannt nach dem heiligen Schutzpatron der Stadt, ist eine der ersten Wandsystem-Bibliotheken mit Galerie.

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In der 1612 erbauten Bodleian Library im britischen Oxford wurden kunstvoll hölzerne Gestelle und Galerien ins Regalsystem integriert. An Pulten konnten die dicken Schinken an Ort und Stelle in Augenschein genommen werden.

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Quelle: Will Pryce; Will Pryce, Knesebeck-Verlag

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Im 18. Jahrhundert trat ein "einzigartiger historischer Moment" ein, wie der Architekturhistoriker Campbell es beschreibt. Es war der Zeitpunkt, "zu dem viele Sammlungen so groß geworden waren, dass sie entsprechend prachtvolle Räumlichkeiten benötigten, aber noch nicht zu groß, um sie in einem einzigen Raum unterzubringen".

Ganz besonders gewaltig ist dieser Raum der Wiener Hofbibliothek. Die größte Barockbibliothek der Welt ist 77 Meter lang, 14 Meter breit und knapp 20 Meter hoch. Der reich verzierte Prunksaal war schon bei seiner Fertigstellung 1730 als öffentliche Nationalbibliothek gedacht. Nicht erwünscht waren jedoch: "Idioten, Bedienstete, Faulenzer, Plappermäuler und notorische Landstreicher".

Die Arbeit als Bibliothekar war nicht ganz ungefährlich - mussten diese doch bis zu zehn Meter über dem Boden auf Leitern balancierend nach dem gesuchten Werk fahnden.

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Quelle: Will Pryce; Will Pryce, Knesebeck-Verlag

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Mit zunehmender Technisierung veränderte sich im 18. Jahrhundert erneut der Anspruch an Größe und Ausstattung von Bibliotheken.

Die George Peabody Library in Baltimore entstand auf Initiative des namensgebenden Gründers einer karitativen Stiftung. Der siebengeschossige Hauptsaal mit 18,5 Metern Höhe wirkt dank des Glasdachs hell und geräumig. Großteils wurde mit Elementen aus Eisen gebaut - selbst die Säulen und Schmuckelemente sind aus Guss- und Schmiedeeisen gefertig. Dampfgetriebene Lastenaufzüge erleichterten den Biliothekaren den Transport von Büchern.

Das Konzept bewährte sich jedoch nicht: Oben wurde es feuchtwarm, der Lesebereich im Erdgeschoss zugig und kalt.

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Quelle: Will Pryce; Will Pryce, Knesebeck-Verlag

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Und heute? Sind im Zeitalter der Digitalisierung die Bibliotheken nicht dem Untergang geweiht? Zieht nicht das Wissen gerade Buchstabe für Buchstabe ins Internet um? Wird die analoge Heimat für Bücher überflüssig? "Vielleicht irgendwann, aber nicht heute", so die Einschätzung von James Campbell. Schließlich würden auch zum Beginn des 21. Jahrhunderts neue Bibliotheken erbaut.

So auch in Cottbus: Das Informations-, Kommunikations- und Medienzentrum der Universität wurde 2004 eröffnet. Jede Etage ist in einem anderen kräftigen Farbton gestaltet, eine Glasfassade sorgt für angenehm helle Räume im Inneren. Und im Dunkeln leuchtet die Bibliothek in die Welt hinaus: als Ort der Bildung, als moderne Interpretation eines Jahrtausende alten Konzepts.

© Süddeutsche.de/mkoh/rus
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