"Dinosaurier-Angriff an Friedrich-Staedtler-Schule" meldet das Abendblatt. Das Foto zeigt, wie ein Junge von einem T-Rex verschlungen wird. In der Spalte daneben: Kinowerbung. Über dem Artikel: der Facebook-Button, demzufolge die Meldung 380-mal geteilt wurde. Was aussieht wie ein echtes Onlinemedium ist das Projekt der Klasse 3b zum Thema Fake News.
Die 3b ist die "Tablet-Klasse" der Schule, sie nutzt die Geräte seit der ersten Klasse in allen Fächern. Für das Projekt haben sie damit Fotos gemacht, Hintergründe montiert, einen Text geschrieben und alles in einen Nachrichtengenerator geladen. Klassenlehrerin Verena Knoblauch hofft: "Ihnen muss man nun nicht mehr erklären, dass sie nicht jeder Quelle vertrauen dürfen."
Entstanden ist die Tablet-Klasse eher zufällig: Eine Softwarefirma spendete der Nürnberger Grundschule 55 Geräte. Anfangs wusste niemand: Wo bewahren wir sie auf? Wer pflegt sie? Und was machen wir überhaupt damit?
Die Antworten auf diese Fragen zu finden, kostete Verena Knoblauch in den vergangenen vier Jahren viel Zeit - vor allem Freizeit. Sie absolvierte ein Zusatzstudium in Medienpädagogik. Heute ist sie Expertin für digitalen Unterricht in der Primarstufe und sagt: "Erst die Geräte anschaffen, dann ein Konzept überlegen - das ist die falsche Reihenfolge."
Genau so könnte es aber an vielen Schulen nun laufen. Fünf Milliarden Euro für Computer, Tablets und Whiteboards stellt die Bundesregierung im "Digitalpakt Schule" zur Verfügung.
Knoblauch hält nichts von technischen Hilfsmitteln um der Digitalisierung willen. Schreiben lernen die Kinder auch bei ihr auf Papier. Sind im Sachunterricht Bäume dran, macht sie mit der Klasse einen Waldspaziergang und sammelt Laub. Aber die Schüler seien auch in ihrer Freizeit von digitaler Technik umgeben, sagt Knoblauch. Sie will nicht mehr darüber diskutieren, ob man die Geräte in der Schule nutzen sollte, sondern zeigen, wie - nämlich, indem sich die Kinder damit möglichst viel selbst erarbeiten.
"Lernapps nutze ich kaum, das sind nur digitale Arbeitsblätter", sagt sie, "und mit einem Whiteboard kann man genau denselben lehrerzentrierten Kackunterricht machen wie vor 100 Jahren". Gerade lässt sie ihre Schülerinnen und Schüler mit der "Book Creator"-App Englischwörterbücher erstellen. Die Kinder tippen die neuen Vokabeln, setzen Bilder daneben und sprechen die Wörter mit dem Mikrofon ein. Das spricht alle Sinne an, geht schnell und macht Spaß.
Sie selbst hält sich im Hintergrund und beantwortet Fragen selten direkt. "Was heißt Weintraube auf Englisch?" "Schau in die 'Leo'-App." "Was müssen wir jetzt machen?" "Das weißt du doch."
"Grape heißt Schweintraube", brüllt ein Junge, immer wieder, so entzückt ist er von seiner Wortkreation. Manche Mitschüler setzen sich da lieber Kopfhörer auf. "Natürlich machen die manchmal Blödsinn mit den Tablets", sagt die Lehrerin gelassen. "Machen sie aber auch ohne Tablets."
Am Ende der Stunde präsentiert die Klasse ihre Wörterbücher über den Beamer. "Komm, zeig deins auch noch schnell, bevor der Akku leer ist", fordert Knoblauch einen Schüler auf. Pear, watermelon, grapes. Schweintrauben. Gekicher. Dann ist Pause, die Kinder rennen raus, die Geräte gehen in den Stand-by-Modus. Auf der Leinwand dreht sich ein grauer 3-D-Schriftzug im Kreis: "Schulen ans Netz."