Süddeutsche Zeitung

Studium:Warum Muslime an der TU Berlin nicht beten dürfen

  • Muslimische Studierendenverbände der TU Berlin haben für Freitag zur Demonstration und zum gemeinsamen Freitagsgebet vor der Uni aufgerufen.
  • Die Hochschule hatte Mitte März einen Gebetsraum geschlossen und eine Turnhalle nicht mehr für das Freitagsgebet zur Verfügung gestellt.
  • Die Studierenden beteten daraufhin auf einer Wiese - wo es zu einem Disput mit einem Mitglied der Hochschulleitung kam.

Von Matthias Kohlmaier

Oft heißt es, Studierende seien heutzutage nicht mehr kritisch genug, politisch desinteressiert und müssten ohnehin im Bachelor-/Master-System nur noch den Zensuren hinterherhecheln. Kurzum: Die studentische Revolte sei auf allen Ebenen tot. Vermutlich würde sich aber manch Verantwortlicher der Technischen Universität Berlin derzeit ein wenig mehr Lethargie unter den Studierenden wünschen. Denn ein Teil von ihnen macht ordentlich Rabatz.

Begonnen hat alles mit einem Verbot. Oder vielmehr der Rücknahme eines Angebots. Jahrelang hat die TU Berlin ihren muslimischen Studierenden einen Gebetsraum sowie eine Turnhalle für das Freitagsgebet zur Verfügung gestellt. Probleme gab es nicht, dennoch hat die Uni die Praxis Mitte März beendet. "Ich bin der Meinung, dass Hochschulen und Religion voneinander getrennt sein sollten", sagte Präsident Christian Thomsen im Gespräch mit SZ.de.

Muslimische Studierendenvereine protestierten, auch der Bischof der evangelischen Kirche in Berlin, Markus Dröge, äußerte sich kritisch. Die Uni blieb bei ihrer Linie und schloss den Gebetsraum am 14. März. Man sei es gewohnt, "bei Entscheidungen auf Widerstand der Studierenden zu treffen", sagte Thomsen zu den Protesten. "Damit muss und kann die Uni umgehen."

Dass sie das muss, bekommt die TU Berlin am Freitag wieder zu spüren. Die islamischen und arabischen Studierendenverbände haben zur Demonstration mit anschließendem Freitagsgebet aufgerufen. "Die Leitung der TU Berlin unter Präsident Thomsen und Präsidialamtsleiter Oeverdieck versucht aktiv, die Lage an der Universität weiter zu eskalieren", schreiben die Verbände. Was ist passiert?

Erklärungen liefert ein Video, das den Leiter des TU-Präsidialamtes, Lars Oeverdieck, im Disput mit muslimischen Studierenden zeigt (mittlerweile hat der Nutzer den Clip wieder aus youtube entfernt). Diese hatten nach dem Verbot das Freitagsgebet auf einer Wiese auf dem Gelände der Hochschule abgehalten. Oeverdieck versucht, zu erklären, dass auch das verboten sei. Einer der Studenten fragt ihn, was die Uni denn unternehmen wolle, wenn sie ihr Gebet einfach fortsetzen würden. Oeverdieck antwortet, dass man darauf "angemessen antworten" würde.

Die muslimischen Verbände werten das als Drohung - und sind entsprechend sauer. "Wir lassen uns unser Gebet nicht verbieten und fordern die TU Berlin zurück, wie wir sie kennen", heißt es in der Ankündigung der Demonstration. "Wir treten ein gegen Diskriminierung und Autokratie und für eine pluralistische, inkludierende, weltoffene Universität."

Aber was ist mit der "angemessenen" Antwort auf weitere Freitagsgebete tatsächlich gemeint? Man werde auf Grundlage der Hausordnung handeln, sollten die freitäglichen Gebete größerer Gruppen auf dem TU-Gelände nicht aufhören, schreibt die Pressestelle auf Anfrage. Die Einleitung rechtlicher Schritte beziehungsweise die Durchsetzung des Hausrechts behalte sich die TU Berlin vor. Das bedeutet, die Uni würde sich wohl im Zweifel auch mit polizeilicher Hilfe gegen ungehorsame Studierende wehren.

Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Allerdings hat die TU mit ihrer Kommunikationspolitik einen Anteil an der Eskalation. Man wolle die Trennung von Staat und Kirche, hat Präsident Thomsen wiederholt betont, ein staatlicher Unicampus sei "für die aktive Religionsausübung in Formen von Gottesdiensten, Messen und Freitagsgebeten der falsche Ort". Allerdings hat er im Gespräch mit muslimischen Studierendenverbänden wie auch im SZ.de-Interview das Ende des Freitagsgebets an seiner Uni auch damit begründet, dass die zur Verfügung gestellte Turnhalle dafür zu klein und baupolizeilich ungeeignet sei. Also: Kein Gebet, weil kein Platz.

"Wenn es nur darum geht, warum dürfen wir dann auch nicht auf einer Wiese beten?", fragt ein Student, der regelmäßig an den Freitagsgebeten teilnimmt. Dort störten er und seine Kommilitonen doch niemanden. Die Hochschule sieht das anders und will an ihrem Verbot festhalten - auch weil an den Gebeten auf den Grünflächen neben Studierenden ebenfalls Personen teilnähmen, die weder an der TU studierten noch arbeiteten.

"Wir als TU Berlin und insbesondere ich als Präsident haben keinerlei Interesse an einer Eskalation", lässt Christian Thomsen mitteilen. Er hofft, dass sich die Studierenden dem Gebetsverbot fügen und "das gute Miteinander in unserer Universität" gewahrt bleibt.

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