Studium:Warum die Uni Greifswald ihren Namen ändert

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Ernst Moritz Arndt - die Statue bleibt, der Name muss weg. (Foto: dpa)
  • Die Uni Greifswald hat den Namen des Publizisten und Freiheitskämpfers gegen Napoleon Ernst Moritz Arndt abgelegt.
  • Arndt war Abgeordneter in der Frankfurter Paulskirche, es sind aber auch diverse antisemitische und fremdenfeinliche Zitate von ihm dokumentiert.
  • Abgeordnete von AfD und CDU protestierten im mecklenburg-vorpommerschen Landtag gegen die Entscheidung.

Von Paul Munzinger, München

In Zink, ein Bein übers andere geschlagen, das Kinn auf die linke Hand gestützt - so wird Ernst Moritz Arndt auch künftig vor der Universität Greifswald sitzen: als Teil eines Denkmals vor dem Hauptgebäude. Den Namen des Publizisten aber hat die Universität abgelegt, sie heißt nur noch Universität Greifswald. So hat es der Akademische Senat am 18. Januar entschieden, mit 24 zu elf Stimmen.

Es ist das vorläufige Ende einer Debatte, die der Universität seit der Wende keine Ruhe ließ. Der Fall Arndt rührt an die in Deutschland stets heiklen Fragen, wo die Ehrwürdigkeit historischer Persönlichkeiten endet, und ob man gegenwärtige Maßstäbe auf die Vergangenheit übertragen darf.

Arndt, 1769 auf Rügen geboren, Schriftsteller, Gelehrter, Abgeordneter in der Frankfurter Paulskirche, wurde lange als Freiheitskämpfer und glühender Patriot verehrt. Zugleich sind viele seiner Aussagen mindestens aus heutiger Sicht unerträglich. Über Franzosen sagte er, sie zu hassen, sei die "Religion des deutschen Volkes". Juden nannte er "diese giftige Judenhumanität". Und den Deutschen attestierte er zufrieden die Reinheit des Volkes, sie seien nicht "durch fremde Völker verbastardet". Dass die 1456 gegründete Universität seinen Namen 1933 erhielt, im Jahr der "Machtergreifung", kommt hinzu.

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Zuletzt hatte der Senat 2010 über den Namen abgestimmt, angestoßen von einer Studenteninitiative. Das Ergebnis: Arndt blieb. Nun, nur sieben Jahre später, heißt es, Arndt muss weg. Warum, darüber lässt sich streiten. Anders als 2010 hat der Senat auf eine aufwendige Dokumentation des Für und Wider verzichtet, schließlich sei "nichts wesentlich Neues hinzugekommen", sagt Senatsvorsitzende Maria-Theresia Schafmeister. Kommentieren will sie das Ergebnis nicht, nur so viel: Sie begrüße jede Entscheidung, die wieder Ruhe an die Uni bringe.

Statt Ruhe gab es zunächst landesweite Aufmerksamkeit und Protest. Die AfD im Schweriner Landtag versuchte vergeblich, die Namensänderung per Eilantrag verhindern lassen, auch zwei CDU-Abgeordnete schlossen sich an. Der Historiker Götz Aly polemisierte in der Berliner Zeitung gegen "selbstherrliche Siegergeschichte".

An den vielen Schulen in Deutschland, die den Namen Arndts tragen, hoffen sie jetzt vor allem, dass ihnen eine erneute Diskussion erspart bleibt. Alle fünf Jahre komme das Thema hoch, sagt Hartmut Bruns, Direktor des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums in Osnabrück. Arndt sei gewiss kein Vorbild, sagt Bruns, heute würde sich eine Schule nicht mehr nach ihm benennen. Doch den Namen wechsle man eben auch nicht wie ein Hemd. Und überhaupt: Vom Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium spreche in Osnabrück ohnehin niemand. Alle sagten: das Ema.

© SZ vom 30.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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