Mitten in der Debatte über den Wert des Bachelors wollen Europas Bildungsminister das Studium noch stärker auf den Arbeitsmarkt zuschneiden. Am Donnerstag begann die Tagung der 47 Bologna-Staaten eines einheitlichen europäischen Hochschulraums im armenischen Eriwan. Im Abschluss-Kommuniqué am Freitag, dessen Entwurf der Süddeutschen Zeitung vorliegt, fordern die Minister, dass Hochschulen mit Firmen kooperieren und praxisnähere Studiengänge anbieten: Absolventen, auch ein Bachelor nach sechs Semestern, müssten "arbeitsmarktfähig werden für sich rasch verändernde Arbeitsmärkte, die von technischer Entwicklung und neuen Berufsbildern geprägt sind".
In Deutschland hatten widersprüchliche Daten jüngst Unruhe ausgelöst. Nur 47 Prozent der Betriebe sind nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) mit dem Bachelor-Nachwuchs zufrieden. Das Bildungsministerium hingegen spricht von "guten Karriereaussichten". Nach einer Studie des Stifterverbands und des Instituts der deutschen Wirtschaft sind in 80 Prozent der Firmen die Bachelor bereits Projektleiter. Der Nachwuchs selbst erkennt in den DIHK-Angaben wenig Sinn: Ein Studium sei keine Berufsausbildung, erklärte der Studentendachverband fzs - und Absolventen seien "nie Eier legende Wollmilchsäue".
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Die Bologna-Konferenz findet alle zwei bis drei Jahre statt. Die Ergebnisse bieten für die Staaten einen groben Rahmen mit "vorrangigen Zielen". Doch der Bologna-Raum ist bunt, in jüngster Zeit trat unter anderen der diesmalige Gastgeber Armenien bei. So ist im Kommuniqué von "dramatischer Arbeitslosigkeit" die Rede - derzeit kein deutsches Problem. Auch wurden Kooperationen von Wissenschaft und Wirtschaft hierzulande schon ausgebaut, andernorts kaum. Fachhochschulen arbeiten meist eng mit dem Mittelstand zusammen, auch viele Unis lehren nicht mehr abgeschottet. Das Bildungsministerium will das Papier vor der Veröffentlichung nicht kommentieren - offen bleibt daher, wo für Berlin die Kooperation Grenzen hat.
Der Vize-Chef der Hochschulrektorenkonferenz Holger Burckhart, der auch in Eriwan zu Gast ist, sagte auf SZ-Anfrage: "Man muss aufzeigen, was wir als Hochschulen schon getan haben. Den alten Elfenbeinturm gibt es heute praktisch nicht mehr." Langsam gehe man jedoch "an eine Grenze", nämlich die Freiheit der Lehre. Kooperation, Austausch, längere Praxisphasen - für Burckhart ist das sinnvoll. "Aber die Hochschule muss sich kritische Distanz zu Begehrlichkeiten der Industrie bewahren. Es geht um akademische Bildung: Wir wollen keine Roboter produzieren."
Welche Begehrlichkeiten gemeint sind, zeigt ein Strategiepapier der Bundesverbände der Arbeitgeber und der Industrie. Die "Hochschule der Zukunft" sorgt demnach dafür, "dass ihr Profil zu den Anforderungen der Stakeholder passt". Die Wirtschaft soll auch die Studieninhalte mit entwickeln - Hochschulen und Unternehmen "verstehen sich als gemeinsame Produzenten wissenschaftlicher Bildung und beruflicher Kompetenzen".