Studium:Studierende aus Nicht-EU-Ländern sollen in Baden-Württemberg Gebühren zahlen

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1500 Euro pro Semester müssen Nicht-EU-Ausländer in Baden-Württemberg bezahlen. Der Landtag beschloss das Gesetz Anfang Mai. Alle Proteste gegen die Pläne der grünen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer - wie hier im Januar 2017 in Stuttgart - blieben vergeblich. (Foto: Deniz Calagan/dpa)
  • In Baden-Württemberg sollen Studierende aus Nicht-EU-Ländern künftig Studiengebühren zahlen.
  • 1500 Euro pro Semester sollen diese betragen.
  • Betroffene und Studierendenvertretungen demonstrieren gegen die Pläne.

Von Josef Kelnberger

Es wirkt auf den ersten Blick wie politischer Selbstmord, was Theresia Bauer als grüne Wissenschaftsministerin auf den Weg gebracht hat: die Einführung von Studiengebühren. Der Protest war vorhersehbar. In Heidelberg wurde das Audimax besetzt, eine Petition gegen Bauers Pläne wurde auf den Weg gebracht, am Freitag rief die Studierendenvertretung des Landes Baden-Württemberg zu einer Demonstration auf den Stuttgarter Kronprinzplatz. An dem Bündnis beteiligte sich auch die Grüne Jugend. Einige Hundert Teilnehmer demonstrierten im Namen von Gerechtigkeit und Weltoffenheit, gegen Rassismus und Diskriminierung - schweres Geschütz, bedenkt man, dass es der grün-schwarzen Regierung im Kern darum geht, die Kinder reicher Eltern aus Ländern wie China und Indien zur Kasse zu bitten.

Studierende, die aus Nicht-EU-Ländern stammen, sollen pro Semester künftig 1500 Euro pro Semester zahlen. Am Freitag endete die Anhörungsphase für das entsprechende Gesetz, in dem auch eine allgemeine Gebühr von 650 Euro pro Semester für ein Zweitstudium steht. Damit versucht Ministerin Bauer, die Sparvorgaben der ebenfalls grünen Finanzministerin Edith Sitzmann in Höhe von 48 Millionen Euro aufzubringen. Die schwarze Null im Haushalt bis zum Ende der Legislaturperiode zu erreichen, ist ein zentrales Ziel der grün-schwarzen Regierung. Angesichts der rapide steigenden Zahl von Studierenden hat sich Bauer nun dafür entschieden, die Einnahmen zu steigern, statt die Ausgaben zu kürzen. Eine pragmatische Lösung, typisch für die Grünen in Baden-Württemberg. Die Reform provoziert zwar keinen Massenprotest, wie angesichts der Teilnehmerzahl am Freitag zu erkennen war, birgt aber doch politische Brisanz.

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Sie protestieren damit vor allem gegen Studiengebühren für Ausländer. Die Stimmung sei "gerade sehr angespannt", berichtet ein Teilnehmer.

Von Nadja Schlüter

Theresia Bauer, zuletzt vom Deutschen Hochschulverband dreimal nacheinander zur "Wissenschaftsministerin des Jahres" gekürt, gilt genau wie Edith Sitzmann - hoch renommierte Fraktionschefin der Grünen in den Regierungsjahren 2011 bis 2016 - als mögliche Nachfolgerin von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Auch damit erklärt sich wohl der massive Widerstand gegen die Gebühren. Die FDP hält Bauers Pläne für nicht konsequent genug, die SPD bezeichnet sie als Einfallstor für die Wiedereinführung allgemeiner Studiengebühren, die man doch in der grün-roten Regierung abgeschafft habe. Dies wird im grün-schwarzen Koalitionsvertrag allerdings explizit ausgeschlossen. Die CDU spricht von einer "vernünftigen Lösung" und ist ansonsten froh, bei dem ebenso heiklen wie komplizierten Thema auf die Grünen verweisen zu können.

Derzeit sind an den Hochschulen des Landes rund 22 000 internationale Studentinnen und Studenten eingeschrieben, die nicht aus Ländern der Europäischen Union respektive aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) kommen. Für sie gilt allerdings der Bestandsschutz, das heißt: Sie bleiben von Gebühren befreit. Die Regel greift erst für Neulinge ab dem Wintersemester 2017/2018. Zahlen müssen internationale Studierende auch nur dann, wenn sie zum Zwecke des Studiums einreisen, nicht also sogenannte "Bildungsinländer", die in Deutschland ihr Abitur gemacht haben. Ausgenommen sind auch Studierende aus den Erasmus-Mitgliedsländern sowie Flüchtlinge. Zudem soll es eine Reihe von Ausnahmeregeln geben - aus sozialen Gründen, für Hochbegabte, zur Förderung des wissenschaftlichen Austauschs.

Die Wirkungen des Gesetzes sind schwer einzuschätzen. Die Kritiker behaupten, Bildungschancen würden künftig wieder mehr vom Geldbeutel der Eltern abhängen, und es würden fähige Köpfe künftig einen Bogen um Baden-Württemberg machen und sich in anderen Bundesländern einschreiben.

Ministerin Bauer dagegen verweist darauf, dass die größten Gruppen internationaler Studierender aus China (21 Prozent) und Indien (6 Prozent) kommen - aus Ländern, in denen man deutlich höhere Studiengebühren zahle als in Deutschland. Die Abbrecherquote liegt bei 50 Prozent; ein Teil der Gebühren solle zur besseren Betreuung verwendet werden. Zudem orientiere sich Baden-Württemberg am Beispiel von Ländern wie Schweden, der Niederlande, Dänemark, Großbritannien, der Schweiz oder Österreich.

© SZ vom 16.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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