Süddeutsche Zeitung

Studium speziale: BWL für Leistungssportler:"Alles dreht sich um Sport, außer Mikroökonomik"

Mehr als 20 000 Studiengänge gibt es in Deutschland, darunter auch einige spezielle Fächer. Tennisprofi Vivian Heisen studiert "BWL für Leistungssportler".

Protokoll von Bernd Kramer

Vivian Heisen auf der Tennis-Weltrangliste - und studiert nebenher im dritten Semester "BWL für Leistungssportlerinnen und Leistungssportler", ein Spezialangebot an der Universität Oldenburg.

Was an dem Fach anders ist: "Am Tag stehe ich vier bis fünf Stunden ich auf dem Tennisplatz, dazu kommen eineinhalb Stunden Fitness, außerdem Physiotherapie. 30 Wochen im Jahr bin weltweit auf Turnieren unterwegs. Es ist gar nicht so einfach, ein Studium zu finden, das man neben der aktiven Profilaufbahn machen kann. Über einen Tenniskollegen bin ich zu diesem Bachelor in Oldenburg gekommen. Ein ganz normales BWL-Studium ist es nicht. Im Seminar quatscht man mit den Kommilitonen nebenher eher mal über die Olympiavorbereitungen oder die letzten großen Turniere statt über Supply-Chain-Management. Wir können Fächer wie Sportmarketing und Sportmanagement belegen. Im Modul Unternehmensprozesse arbeite ich an einem Projekt über solidarische Landwirtschaft. Unternehmensprozesse können ja auch sportlich sein. Ich will daher herausfinden, wie Agrarbetriebe von einer Kooperation mit Sportvereinen profitieren könnten und in welchen Bereichen es Synergien gibt. Dafür spreche ich mit den Verantwortlichen des Vereins aus meinem Heimatdorf. Die haben natürlich auch Landwirte unter den Mitgliedern. Könnte man vielleicht Grünflächen des Vereins landwirtschaftlich nutzen? Mal sehen, was dabei herauskommt. Ich könnte mir vorstellen, dass Vereinsmitglieder vor allem Sport machen wollen und nicht noch irgendwas anbauen. Aber wer weiß."

Die schwerste Prüfung: "Mikroökonomik. Fast alles dreht sich um Sport, außer Mikroökonomik. Der Prof meinte, wenn er da jetzt auch noch krampfhaft einen Sportbezug einbaut, sind wir so verwirrt vom Stoff, dass wir durch die Prüfung fallen."

Meine wichtigste Hausarbeit: "Die waren bisher alle im Bereich Tennis. Besonders interessant war für mich die Arbeit über Finanzierungsmöglichkeiten junger Profikarrieren. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das im Tennis immer eine Herausforderung ist. Ich hätte ohne die Unterstützung meiner Eltern und einiger kleiner Sponsoren niemals eine Profilaufbahn einschlagen können. Welche Möglichkeiten gibt es da noch? Würde Crowdfunding funktionieren? Das habe ich untersucht, aber auf eine völlig neue geheime Finanzierungsquelle, mir selbst entgangen wäre, bin ich nicht gestoßen."

Das hätte ich sonst studiert: "Gute Frage. Medizin hätte mich interessiert. Aber ich könnte nicht im OP stehen. Das habe ich gemerkt, als ich vor einigen Jahren am Meniskus operiert wurde. Es gab nur eine örtliche Betäubung und ich konnte auf dem Monitor verfolgen, was die Ärzte tun. Das ganze Blut - überhaupt nichts für mich. Und leider gibt es auch keinen Medizinstudiengang, den man neben der Profilaufbahn belegen könnte."

Was man damit wird: "BWL ist ja ein breites Fach und das ist das Gute. Wenn es mit dem Sport vorbei ist, haben wir einen Abschluss. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, im Eventmanagement zu arbeiten. Durch den Sport kommt man ja mit vielen Unternehmen in Kontakt. Da hört man immer wieder mal, man soll sich ruhig melden, wenn die aktive Laufbahn zuende ist."

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