Studium speziale: Hebammenwissenschaft:"Mir ist nicht wichtig, ob ich am Ende reich werde"

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(Foto: Illustration Jessy Asmus)

Jule Marie Krüger war schon bei etwa 100 Entbindungen dabei - die 21-Jährige studiert Hebammenwissenschaft. Sie erklärt, wie einen das Fach darauf vorbereitet, im Kreißsaal die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Protokoll von Julian Erbersdobler

Jule Marie Krüger ist 21 und studiert im vierten Semester Hebammenwissenschaft in Lübeck. Davor war sie in Greifswald, um sich als Hebamme ausbilden zu lassen.

Was an dem Fach anders ist: "Ich bin meistens drei bis vier Wochen am Stück in der Uni und dann wieder ein paar Wochen im Krankenhaus in Kiel auf Praxiseinsatz. Bei der Einrichtung habe ich einen Ausbildungsvertrag unterschrieben, deshalb bekomme ich auch ein Lehrgehalt. Im Moment sind das etwa 900 Euro. Davor habe ich die Hebammenausbildung in Greifswald gemacht. Dort konnte keiner verstehen, warum ich noch studieren möchte. Aber mich hat das einfach gereizt und ich habe es auch nicht bereut. Ich mag, dass wir teilweise Vorlesungen und Kurse mit den Medizinern haben. Davon profitieren am Ende beide Seiten, Austausch ist immer gut. In der Ausbildung hat man einfach das gelernt, was im Bucht steht. Im Studium wird man auch dazu angeregt, mal über den Tellerrand hinauszuschauen. Weil ich schon zwei Jahre in Greifswald war, konnte ich direkt im dritten Semester in Lübeck einsteigen. In meinem Jahrgang sind nur Frauen, ich glaube, selbst auf ganz Deutschland bezogen gibt es nur eine Handvoll Männer, die sich für dieses Studium entscheiden. Manchmal fände ich es aber gar nicht schlecht, wenn in den Kursen auch mal ein Mann sitzen würde. Es kann schon anstrengend sein, immer nur von Frauen umgeben zu sein."

Jule Marie Krüger

Jule Marie Krüger studiert Hebammenwissenschaft in Lübeck.

(Foto: privat)

Das reizt mich am Beruf: "Ich kann beim Wunder der Geburt dabei sein. Und auch meinen Beitrag leisten, dass alles gut geht. Das Schönste an diesem Beruf ist der Moment, wenn eine Mutter ihr Baby zum ersten Mal hält. Wenn man sehen kann, dass die ganze Anspannung von einem Moment auf den anderen von ihr abfällt. Dass ich später mal Hebamme werden möchte, wusste ich seit der elften Klasse. Da habe ich in den Sommerferien ein Praktikum bei einer Geburtsstation auf Rügen gemacht. Dort werden im Jahr nur 250 Babys geboren, das ist relativ wenig. Weil ich nur zwei Wochen da war, hatte ich die Sorge, dass ich gar keine Geburt erleben werde. Habe ich dann aber zum Glück doch. Mittlerweile war ich schon bei etwa 100 Entbindungen dabei, 26 habe ich selbst durchgeführt. Mir ist nicht wichtig, ob ich am Ende reich werde. Ich wollte immer schon lieber einen Job haben, der mich glücklich macht."

Mein Aha-Erlebnis: "Bei den ersten Geburten war ich ziemlich nervös und dachte oft: Oh Gott, hoffentlich geht alles gut. Gerade in kritischen Situationen wurde ich hektisch. Von erfahrenen Hebammen habe ich gelernt, wie wichtig es ist, Ruhe zu bewahren. Das wirkt sich auch auf die Frau aus und hilft damit auch bei der Geburt."

Der komplizierteste Fachbegriff: "Insertio velamentosa, das bedeutet, dass die Nabelschnur nicht wie üblich an der Plazenta ansetzt, sondern in den Eihäuten. In der Regel kann man das in der Schwangerschaft per Ultraschall feststellen."

Der Grundlagentext: "Hebammenkunde: Lehrbuch für Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Beruf. An diesem Werk kommt niemand vorbei, der etwas mit dem Thema zu tun hat."

Das Hassfach: "Zumindest am Anfang waren es Forschungsmethoden I. Da lernt man, wie Studien aufgebaut sein sollten und was man bei der Datenerhebung beachten muss. Mittlerweile finde ich es ganz spannend, aber viele schreckt wahrscheinlich alleine schon der Statistikpart ab."

Die größte Überraschung: "Das war einmal im Kreißsaal, als alle damit gerechnet haben, dass es ein Mädchen werden sollte und dann war es doch ein Junge. Da war es kurz still und dann haben sich aber natürlich auch alle total gefreut."

Das hätte ich sonst studiert: "Vielleicht Medizin. In der zehnten Klasse habe ich mal ein Praktikum in einer Radiologie gemacht. Das war interessant, aber auf keinen Fall so schön wie im Kreißsaal."

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