Regensburg
Oberpfälzer Odyssee
Max Kawaschs erste Unterkunft in Regensburg war ausgesprochen preisgünstig und geräumig, so gesehen konnte er sich nicht beschweren, wären da nur nicht die vielen Mitbewohner gewesen. Das Quartier befand sich im Partykeller eines Wohnheims, in dem die Studentenvertretung ein provisorisches Matratzenlager eingerichtet hatte, die Duschen ein paar Kilometer entfernt im Sportzentrum. Im Juli 2012 hatte der Oberbayer erfahren, dass er einen Studienplatz in der Stadt bekommt. Bis Herbst stand er immer noch auf der Straße. Wohnraum gebe es in Regensburg genug, glaubt Kawasch, nur "keinen bezahlbaren". In einem Wohnheim probierte er es erst gar nicht, keiner seiner Bekannten habe dort etwas bekommen. Seine erste Adresse führte den 21-Jährigen in eine Fünfer-WG, ein altes Haus, aus dem er bald wieder ausziehen musste. Monate vergingen, bis er die nächste Wohnung auftat: eine Zweier-WG, weit weg von Uni und Innenstadt. Max Kawasch suchte weiter, bis er etwas entdeckte, dessen Existenz er bislang "für einen Mythos gehalten" hatte: Dreier-WG, zentral, 80 Quadratmeter, gut 900 Euro Miete. Nach eineinhalb Jahren ist er richtig angekommen in Regensburg - allerdings nach einer beachtlichen Wohnungsodyssee.
München
Zweifelhafter Ruhm
Mit Rekorden ist das so eine Sache. Die einen jagen ihnen hinterher, die anderen würden auf zweifelhaften Ruhm lieber verzichten. Zu Letzteren zählt wohl das Studentenwohnheim in der Türkenstraße in München. Laut Studentenwerk hat es die längste Warteliste in ganz Deutschland. Fast 1700 Studenten würden gerne einen der 104 Plätze dort im Wohnheim ergattern. "Derzeit wartet man hier vier bis fünf Semester auf einen Platz", sagt Ingo Wachendorfer vom örtlichen Studentenwerk. Dass gerade das Wohnheim in der Türkenstraße so beliebt ist, liege auch an der tollen Lage - nur wenige Minuten von den beiden Münchner Universitäten entfernt. "Hier gibt es viele Cafés und Kneipen, außerdem hat das gerade sanierte denkmalgeschützte Gebäude einen ganz besonderen Charme", sagt Wachendorfer. Insgesamt bewerben sich jedes Jahr rund 6000 Studenten auf einen Wohnheimplatz in München, gut jeder dritte möchte in die Türkenstraße. Gerade für Erstsemester gibt es jedoch eine ganz geringe Chance auf das Traumlos: denn insgesamt werden in München jedes Jahr 150 Plätze verlost, und nur manchmal ist die Türkenstraße dabei. Wer als Student also wirklich dringend eine Unterkunft benötigt, der sollte sich nicht gerade auf sein Losglück verlassen.
Jena
Abseits des Paradieses
Die beiden Bilder wollen nicht so recht zusammenpassen. In Jena liegt am Ufer der Saale das "Paradies", ein herrlicher Park mit historischen Brunnen, Wiesen, teils ist er Naturschutzgebiet. Allerlei Wortspiele treiben Universität und Stadt damit, so warben sie schon mit dem Slogan "Paradiesisch wohnen". Das andere Bild bietet sich einige Kilometer entfernt: Neulobeda. Eine Plattenbausiedlung, entstanden in der DDR für die Arbeiter des Carl-Zeiss-Kombinats. Neulobeda ist heute auch Studentenstädtchen, Buden sind billig, leicht zu finden - abseits des Paradieses. Wie vielen anderen Uni-Städten in den neuen Ländern ist es Jena gelungen, Abiturienten aus dem Westen anzulocken - und die sinkenden Zahlen bei den Landeskindern mindestens auszugleichen. Mit 260 Euro im Schnitt müssen Jenaer Studenten eher wenig für Miete ausgeben, die Blöcke vor den Toren drücken den Mittelwert. Näher an der Uni gibt es aber schlichtweg zu wenig Wohnungen - kaum Leerstand, kaum Flächen zum Expandieren, auch steigende Mieten. "Leben in die Bude" heißt daher ein neues Projekt in Jena - Studenten sollen bei Witwen oder Eltern mit flügge gewordenen Kindern unterkommen. Und zum Beispiel im Haushalt mithelfen oder einfach durch ihre Präsenz erfreuen.
Berlin
Arbeitszimmer S-Bahn
"Frühmorgens", sagt Marcel Eggersdorf, "stehst du vor deinem Bücherregal und fragst dich: Was habe ich denn noch nicht gelesen?" Eigentlich muss sich der 26-Jährige da fertig machen für die Vorlesung. Aber Fahrzeit ist Lesezeit, er sitzt bis zu drei Stunden im Bus oder in der Bahn an einem Uni-Tag. Der Berliner Nahverkehr - sein Arbeitszimmer. Eggersdorf studiert Geschichte und Sozialkunde auf Lehramt. Sein Campus, die Freie Universität, liegt in Dahlem, im Südosten der Stadt. Sechs Semester hat er bei den Eltern gewohnt, in Berlin - 165 000 Studenten - kann selbst ein WG-Zimmer schnell mal 400 Euro kosten. Jetzt, nach Monaten der Suche, zig Besichtigungen und hundert Stunden im Internet, zieht er in eine WG nach Wittenau, weit außerhalb des S-Bahn-Rings. Er kennt Studenten in Weißensee und Köpenick, für Touristen unbekanntes Terrain. "Zentraler oder näher an den Unis hat man keine Chance mehr", sagt Eggersdorf. Erstens unbezahlbar; zweitens wollten die Vermieter dort nur Leute mit festem Gehalt. Und die Wartelisten für einen Platz im Wohnheim würden länger und länger. Also wohnen immer mehr Berliner Studenten weit draußen, wo es billig ist, aber oft nur noch ein Bus fährt. "Jwd", das sagt der Hauptstädter dazu gerne, "janz weit draußen."
Stuttgart
Duschen in der Küche
Die Wohnungssuche im Stuttgarter Westen ist eine eher mühsame Angelegenheit, hat aber zweifellos Unterhaltungswert. Besonders Besichtigungen in den vielen wirklich alten Altbauten. Da bekommt man originelle Dinge zu hören: Engagierte Makler erklären da, warum es enorm praktisch ist, die Dusche in der Küche zu haben. Oder ein Waschbecken im Wohnzimmer. Und warum das die Miete auf gar keinen Fall mindert. Der Westen gilt in Stuttgart - gar nicht mal zu Unrecht übrigens - als Szeneviertel, angeblich ist es das am dichtesten besiedelte Gebiet einer deutschen Stadt. Für Studenten ist das natürlich keine erfreuliche Nachricht. Platz ist im Stuttgarter Talkessel ein knappes, teures Gut. Im bundesweiten Mietpreis-Spiegel des Immobilienverbands IVD lag im Herbst 2013 nur München vor Stuttgart. Das Wohnen im Kessel und vor allem in grüner Hanglage ist nicht leicht erschwinglich; auch in den Außenbezirken und im Speckgürtel steigen die Preise stetig. Viele Gutverdiener von Konzernen wie Daimler oder Bosch können das offenbar verkraften - Studenten weniger. Der Wohnungsmarkt ist jedenfalls auch zentrale Frage der Lokalpolitik. "Die soziale Durchmischung der Stadt", sagt OB Fritz Kuhn (Grüne), "ist eine Frage der Urbanität."
Saarbrücken
Spaß mit Senioren
Wehrpflicht oder Zivildienst? Für Abiturienten, die heute ein Studium beginnen, stammt diese Frage aus einer fernen Vergangenheit. Über die Jahre erhalten hat sich hingegen die Suche nach einer Wohnung zum Semesterbeginn. Mit dem Projekt "Wohnen für Hilfe" finden nun Zivildienst und Wohnungsnot zusammen. In der Anlage des Seniorenheims "Haus am Steinhügel" in Saarbrücken gibt es 18 Zimmer für Studenten. Die sind gut 20 Quadratmeter groß und kosten gerade einmal 135 Euro. Dafür arbeiten die Studenten aber acht Stunden im Monat im Altersheim mit. "Was sie mit den Senioren unternehmen, können die Studenten selbst entscheiden", sagt Horn, der Initiator von "Wohnen für Hilfe". Einkaufen gehen, Brettspiele spielen, plaudern oder Kaffee trinken. "Jeder tut das, was ihm Spaß macht, denn nur so bleiben alle dabei", sagt Horn. Pflegeaufgaben übernehmen natürlich Fachkräfte, nicht die Studenten. Wer in ein Zimmer im Altenheim einziehen möchte, der muss erst einmal zu Dieter Horn ins Auswahlgespräch. "Mit alten Menschen zusammenzuleben, ist nichts für jedermann. Wer nur wegen der günstigen Miete kommt, ist nicht geeignet", sagte er. Auch einige andere Seniorenheime in Deutschland haben sich schon für Studenten geöffnet.