Studium plus Berufsausbildung:Profitables Dreieck

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Betriebe, Hochschulen und Studenten entdecken das duale Studium als praxisnahen akademischen Abschluss. Eine Win-win-Situation? Experten kritisieren, dieses Modell gehe zu Lasten der klassischen Berufsausbildung.

Von Christine Demmer

Fabian Fante hat die drei Jahre nach seinem Abitur für hocheffizientes Lernen auf mehreren Ebenen genutzt. Der 21-Jährige ließ sich zum Pharmareferenten ausbilden und absolvierte parallel dazu ein duales Studium im Gesundheitsmanagement beim oberpfälzischen Pharmahersteller Bionorica, im Wechsel drei Monate an der Hochschule und drei Monate im Unternehmen. In Kürze bekommt er sein Abschlusszeugnis und startet danach direkt in seinen Traumberuf: Außendienstler mit gutem Gehalt, Firmenwagen und, wie der Blick auf die Alterspyramide vermuten lässt, einer gesicherten beruflichen Zukunft.

Abiturienten nehmen zwar die Berufspraxis mit, entscheidend ist der akademische Abschluss

Nicht nacheinander, sondern nebeneinander studieren und den Alltag im Unternehmen kennenlernen: Dafür ist das duale Studium in den Siebzigerjahren erfunden worden. Jüngst hat es einen gewaltigen Sprung gemacht: Ende 2014 gab es 1506 duale Studiengänge in Deutschland. Weit mehr als zwei Drittel davon (71 Prozent) sind laut dem Bundesinstitut für Berufsbildung für angehende Betriebswirte und Ingenieure reserviert. Mit einigem Abstand folgen Informatik (zwölf Prozent) sowie die Fächergruppe Sozialwesen, Erziehung, Gesundheit und Pflege (elf Prozent).

Die meisten dual Studierenden streben wie Fabian Fante den Bachelorabschluss an. Einige duale Studiengänge schließen mit dem Master ab. Die Hochschule Osnabrück beispielsweise bietet an ihrem Campus in Lingen das Fach "Führung und Organisation" als dualen dreijährigen Masterstudiengang an. Während dieser Zeit müssen die Studierenden zwölf Unterrichtsmodule absolvieren, Pflicht- und Wahlfächer, wie an jeder anderen Uni auch. Jedes Modul beginnt mit einer Woche Blockunterricht. Danach steht eine schriftliche Hausarbeit auf dem Studienplan - anzufertigen nach Feierabend und am Wochenende. Abgeschlossen wird die Theoriephase mit einem dreitägigen Kolloquium wieder in der Hochschule, wo die Ergebnisse präsentiert und diskutiert werden. Nach diesem Studienmodell verbringen die Studierenden je Semester höchstens drei Wochen in der Hochschule. Über das gesamte Studium addiert sich der Unterricht auf knapp viereinhalb Monate. Zum Vergleich: Ein "normales" Masterstudium, das ausschließlich an der Hochschule stattfindet, dauert zwischen 18 und 24 Monaten. Das macht deutlich, welch hohen Stellenwert die Berufspraxis einnimmt.

Wichtige Partnerwahl: Entscheidend für ein erfolgreiches Duales Studium ist das Zusammenspiel von Student, Betrieb und Hochschule. (Foto: plainpicture/Fancy Images)

Umgekehrt legt der Erfolg des dualen Studiums nahe, dass Abiturienten die Berufspraxis zwar gerne mitnehmen, den akademischen Abschluss aber als entscheidend ansehen. Die Nachfrage der Gymnasiasten nach Ausbildungsplätzen geht seit Jahren zurück. Kritiker sehen im dualen Studium eine der Ursachen. Ann-Katrin Schröder-Kralemann, Programmleiterin Hochschule und Wirtschaft beim Stifterverband für die deutsche Wissenschaft weist das zurück: "Das duale Studium bedient nur die wachsende Nachfrage. Wenn die Betriebe nicht genügend Azubis finden, dann haben wir alle Schuld daran. Weil wir alle und seit Langem den jungen Leuten zur akademischen Ausbildung raten." Die Arbeitgeber stimmen zu und wollen trotzdem Nachwuchskräfte, die wissen, wie es in den Betrieben zugeht.

Das duale Studium verzahnt den theoretischen Unterricht mit dem Betriebsalltag. Das hat Vorteile für alle: Den Studenten bleibt der Praxisschock erspart, die Unternehmen bekommen früh Zugang zu den Talenten und die staatlichen Hochschulen finanzieren einen Teil ihrer Lehrkosten mit dem Geld der Partnerbetriebe. Denn die zahlen vielfach nicht an die Studierenden, sondern einige Hundert Euro im Monat direkt an die Hochschule. Die Studierenden bekommen manchmal, aber nicht immer eine Ausbildungsvergütung. Fabian Fante gehört mit einem Gehalt von zuletzt circa 1000 Euro in Monat zu den Glücklichen, die ohne elterliche Unterstützung auskommen. Das rege Interesse der privaten Bildungsanbieter am dualen Studium lässt darauf schließen, dass sich das Geschäftsmodell trägt.

Das duale Studium kommt in mehreren Formaten daher (siehe Kasten). Ein Teil der Studierenden erhält am Ende neben dem Hochschuldiplom eine Urkunde über eine erfolgreich absolvierte Berufsausbildung. Weit mehr jedoch verzichten auf die Möglichkeit, innerhalb von drei oder dreieinhalb Jahren auf zwei Zeugnisse gleichzeitig hinzulernen. Mit dem akademischen Abschluss und einem parallelen Langzeitpraktikum in einem Partnerbetrieb der Hochschule halten sie ihre Karriere für optimal fundiert.

(Foto: sz grafik)

Studienberater akquirieren interessierte Kandidaten und die dazu passenden Firmen

Jule Sievert denkt so. Die 20-Jährige studiert Tourismuswirtschaft an der Internationalen Hochschule Bad Honnef Bonn (IUBH) am Campus Hamburg. Die private Hochschule gehört zu Apollo Global, einem weltweiten Bildungskonzern. Sie findet ebenso wie die knapp 100 000 dual Studierenden in Deutschland, diese Art der Ausbildung sei zeitgemäß. Im wöchentlichen Wechsel lernt sie im Hörsaal und in einem Hotel in Hamburg-Barmbek. "Eine Ausbildung mit Berufsabschluss wäre noch schöner gewesen", sagt Sievert, "aber das ging nicht." Der Partnerbetrieb der IUBH bietet das duale Studium nur in der praxisintegrierenden Form an.

Den Nachteil wett macht das Angebot der Hochschule, für die Studierenden einen passenden Betrieb zu finden. Den müssen sie sich sonst über Initiativbewerbungen oder Internetportale wie Wegweiser-duales-Studium.de, Ausbildung.de und azubiyo.de selbst suchen. Horst-Friedrich Kraus, Leiter des IUBH-Studienstandorts Berlin, erklärt das Vorgehen: "95 Prozent der Studierenden kommen über das Internet zu uns. Ein Studienberater spricht mit ihnen, dann machen sie einen Eingangstest, Dauer 90 Minuten, Niveau Sekundarstufe zwei, Allgemeinbildung, Englisch, Erkennen wirtschaftlicher Zusammenhänge." Mit den Testergebnissen, dem Lebenslauf und den Zeugnissen der Bewerber machen sich die Studienberater auf die Suche nach einem Partnerbetrieb. "Wir haben über 1000 Firmenkontakte", sagt Krause. Neue Unternehmen werden über Callcenter akquiriert und von den Studienberatern aufgeklärt, was sie davon haben. Kurzform Krause: "Wir sind das ausgelagerte Recruiting-Center der Unternehmen."

Die Wirtschaft ist am dualen Studium sehr interessiert. Sie ist als Vertragspartner der Hochschule einerseits und der Studierenden andererseits an mehr als 9200 betrieblichen Ausbildungsstätten mit von der Partie. Und es hilft den Fachhochschulen, sich am Bildungsmarkt durch Praxisnähe zu profilieren. Bei drei von vier dualen Studiengängen ist eine Fachhochschule Teil des Dreiecksgeschäftes.

Mit mehr als 200 Studiengängen zweitstärkster Anbieter ist die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW). Auch Berufsakademien, Privathochschulen und Universitäten drängen in dieses Marktsegment. Manche Uni und Fachhochschule hat sogar schon duale Masterstudiengänge im Programm. Mit dem dualen Masterstudium zündet nun die zweite Stufe, und vermutlich wird schon über die duale Promotion nachgedacht.

© SZ vom 24.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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