Duales Studium:Mühsamer Tanz auf zwei Hochzeiten

Studyworld Berlin 2016

Ein Praktikum, ein Aufenthalt im Ausland oder erst einmal einfach nur ausruhen: Wer gerade sein Abitur gemacht hat, der hat viele Optionen, wie es weitergeht.

(Foto: Florian Schuh/dpa)
  • Immer mehr Menschen in Deutschland absolvieren ein duales oder berufsbegleitendes Studium.
  • Studierende schätzen besonders die Verbindung von Theorie und Praxis.
  • Die Doppelbelastung aus Job und Studium ist aber auch sehr stressig, wie eine aktuelle Studie zeigt.

Von Celina Ederin

Manchmal, sagt Franziska Losch, gehe sie schon "auf dem Zahnfleisch". Wenn am Ende des Semesters die Klausuren anstehen, sehen ihre Tage so aus: Acht Stunden arbeitet sie, dann geht sie nach Hause und setzt sich noch einmal vier Stunden an den Schreibtisch. Einfach mal vor dem Fernseher sitzen, abschalten? Möglich ist das natürlich, aber "ich kann das nicht genießen", sagt Losch, "weil ich weiß, ich müsste eigentlich was fürs Studium machen".

Die 29-Jährige studiert IT-Management an der FOM-Hochschule in Stuttgart, berufsbegleitend. Das heißt: am Abend und am Wochenende. Tagsüber arbeitet sie bei Daimler, hundert Prozent. Losch verdient Geld, sie sammelt Berufserfahrung, das alles schätzt sie. Aber sie spricht auch vom Stress, vom nötigen Zeitmanagement, davon, dass sie auf Freizeit und Hobbys vorübergehend verzichten müsse: "Das sind Entbehrungen, die man sich bewusst machen muss, wenn man ein solches Studium anfängt." Losch sagt, dass sie "auf zwei Hochzeiten" tanze - und zwar schon zum zweiten Mal. Ihren Bachelor hat sie in einem dualen Studium absolviert, drei Monate im Betrieb, drei Monate an der Hochschule, immer im Wechsel.

Immer mehr junge Menschen in Deutschland wollen in ihrem Studium Theorie und Praxis verbinden. Die Nachfrage nach einem berufsbegleitenden Studium steige, das duale Studium erlebe einen "regelrechten Boom", schreiben Sigrun Nickel und Nicole Schulz vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) und Vitus Püttmann von der Universität Hannover in einer neuen Studie. Wählte 2005 nicht einmal einer von hundert Studienanfängern ein duales Studium, waren es 2014 schon knapp fünf Prozent, heißt es in der von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Analyse. Der Grund für die steigende Beliebtheit: Die Studenten, die für die Untersuchung befragt wurden, schätzten die Verbindung von Theorie und Praxis und erhofften sich Vorteile beim Einstieg in den Beruf.

Doch die Forscher betonen auch die Schattenseiten der "hybriden Bildungsangebote". So seien dual Studierende als Praktikanten oder Werkstudenten etwa häufig schlechter gestellt als andere Beschäftigte oder Auszubildende; sie verdienten schlechter und hätten weniger Urlaub. Vor allem aber erweise sich die Doppelbelastung häufig als stressig, ein "Gefühl der Erschöpfung" sei weitverbreitet. Das gelte für beide Gruppen, aber besonders für berufsbegleitend Studierende. Ihnen bleibe häufig kaum Freizeit, besonders wenn sie noch zusätzlich ein Kind betreuen müssten. Der Stress erhöhe sich dadurch, dass sie bei der Prüfungsvorbereitung häufig auf sich allein gestellt seien - im Unterschied zu den in Präsenzveranstaltungen eingebundenen dual Studierenden.

Franziska Losch kennt beide Systeme und sieht ebenfalls große Unterschiede. Auch das duale Studium sei zeitintensiv, der Lernstoff sehr gedrängt. Doch profitierten die Studenten von einem gewissen "Welpenschutz": In der Praxisphase habe sie sich zu hundert Prozent um den Betrieb kümmern können, für die Theoriephase sei sie ebenfalls vollständig freigestellt worden. Viel anstrengender sei da das Nebeneinander von Beruf und Studium, das sie nun erlebe. "Sich abends noch einmal aufzuraffen, ist wirklich hart." Wenn sie ihr Masterstudium auch anders finanzieren könne, dann würde sie nicht noch einmal berufsbegleitend studieren. Das kann sie aber nicht.

Bei allem Stress will Losch einen Vorteil dann aber doch noch einmal betonen: "Ich bin 29 und kann bereits auf zehn Jahre Berufserfahrung zurückblicken." Ein Argument, das offenbar viele dranbleiben lässt: Ob dual oder berufsbegleitend - die Abbrecherquote ist nicht höher als bei anderen Studierenden.

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