Süddeutsche Zeitung

Studium:Hier bekommen Studienabbrecher eine zweite Chance

In Fächern wie Mathe schaffen bis zu 50 Prozent der Studienanfänger keinen Abschluss. Ein privater Bildungsanbieter hat nun ein Programm speziell für sie entwickelt.

Von Matthias Kohlmaier

Dem schlechten Geld soll man kein gutes hinterherwerfen, sagt ein neunmalkluges Sprichwort zum Thema Investitionen. Ähnlich ließe sich das auf ein Studium übertragen, wo viele Studierende den Absprung versäumen. Sich jahrelang durch Studiengänge quälen, entweder weil es an Motivation oder Talent mangelt. Aber was soll man tun, sind doch schon viel Zeit und Mühe investiert, die sonst für die Katz wären. So ähnlich lief es auch bei Gilbert Laaser.

Nach dem Abitur schrieb er sich 2009 für Betriebswirtschaftlehre an der Uni Bamberg ein. Das war ihm schnell zu theoretisch, er wechselte nach Niedersachsen an die Ostfalia und ins Wirtschaftsingenieurswesen, Schwerpunkt Fahrzeugtechnik. Das lief gut, jedenfalls bis kurz vor dem Bachelorabschluss. "Da bin ich in Thermodynamik durchgerasselt", sagt der 28-Jährige. Zwar konnte er an der Hochschule noch in den Fachbereich Maschinenbau wechseln, aber für den Bachelor langte es auch dort nicht.

Dass Bildungsbiografien wie die von Laaser nicht im Nirwana enden, dafür will nun das Programm Fast Track sorgen, das sich an Studienabbrecher aus den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technologie) richtet. Am Campus im oberpfälzischen Regenstauf können sie in zweieinhalb Jahren erst eine Berufsausbildung zum Industrietechnologen und danach die Fortbildung zum Staatlich geprüften Techniker absolvieren.

Die Eckert-Schulen, ein privater Bildungsanbieter mit Standorten in ganz Deutschland, will damit eine Lücke im Bildungssystem füllen. Denn natürlich sind die meisten Studienabbrecher nicht doof, ihre an den Universitäten erworbenen Kenntnisse eine Menge wert. Auf der Idee gründet das zusammen mit dem bayerischen Kultusministerium entwickelte Fast-Track-Programm: Nur, wer in seinem Bachelorstudium mindestens 30 ECTS-Punkte erworben hat, darf dort teilnehmen.

Dafür können die Teilnehmer die Ausbildung zum Industrietechnologen in zwölf statt der gewöhnlich notwendigen 24 Monate erledigen. Direkt im Anschluss arbeiten sie sich in Partnerbetrieben für anderthalb Jahre in die Praxis ein und durchlaufen nebenbei per Fernlehre die Weiterbildung zum Techniker. "Ein weiteres Bachelor-Studium wäre theoretisch auch in zweieinhalb Jahren machbar", sagt Anja Thomas von den Eckert-Schulen. "Die Teilnehmer bei Fast Track haben allerdings den Vorteil, nach einem Jahr schon eine abgeschlossene Berufsausbildung zu haben und in den Unternehmen zu arbeiten."

Das hat für Teilnehmer wie Betriebe einen Vorteil: Am Ende der Techniker-Fortbildung haben sich die Ex-Studenten schon in den Produktionshallen zurechtgefunden - die Unternehmen können sich die Einarbeitungszeit und -mühe sparen, die sie in einen frisch eingestellten Uni-Bachelor investieren müssten. Formal ist der Staatlich geprüfte Techniker mit einem Bachelor of Engineering ohnehin gleichwertig.

Ein Blick in die Statistik zeigt, dass es eine Menge potenzieller Kunden für das Programm geben dürfte. Durchschnittlich hält etwa jeder dritte Studierende in Deutschland nicht bis zum Bachelor durch. In den MINT-Fächern sind die Abbrecherquoten noch höher. Laut einer Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung schaffen bei den Mathematikern fast die Hälfte der Studienanfänger keinen Abschluss, bei Chemikern oder Elektrotechnikern sind es 40 Prozent.

22 dieser im ersten - und teilweise auch zweiten - Anlauf gestrauchelten Studierenden bilden nun die erste Fast-Track-Klasse in Regenstauf. Die meisten von ihnen sind zwischen 25 und 30 Jahre alt, also im fortgeschrittenen Bildungsalter. Nicht nur das dürfte die Teilnehmer motivieren, bis zum Abschluss durchzuhalten - denn die Ausbildung bei den privaten Eckert-Schulen ist freilich nicht umsonst. Knapp 12 000 Euro Teilnahmegebühr werden insgesamt fällig. Laut Beraterin Anja Thomas beziehen die angehenden Techniker aber während der Zeit im Betrieb bereits ein Einkommen vergleichbar mit dem eines Facharbeiters. Außerdem könne die Weiterbildung mit Aufstiegs-Bafög unterstützt werden.

Vier Wochen nach Beginn des Programms ist Gilbert Laaser noch immer sicher, in Regenstauf am richtigen Platz sein. Das Programm sei fordernd, das schon, aber "nach einem Ingenieursstudium auch keine unlösbare Aufgabe". In der Klasse komme man sehr gut miteinander zurecht, schließlich seien alle aus dem gleichen Grund dort: "Wir wollen trotz Scheitern im Studium etwas Gutes aus uns machen."

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