Studium für Islam-Lehrer:Überwachte Wächter

In Münster feiern Politik und Wissenschaft den Start der Islamlehrer-Ausbildung an deutschen Hochschulen. Doch es gibt bereits Konflikte: Bundesbildungsministerin Schavan lässt die Muslim-Vertreter an der Uni auf Verfassungstreue prüfen - mit gravierenden Folgen.

Hermann Horstkotte

Die Feier in Münster sollte der Auftakt sein für ein neues Miteinander von Christen und Muslimen in Deutschland. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) eröffnete vergangene Woche das Zentrum für Islamische Theologie an den Universitäten in Münster und Osnabrück, der Bund gibt Millionenbeträge, um muslimische Religionslehrer und Imame mit der Wissenschaft zusammenzubringen. Minister, Religionsgelehrte und Professoren waren gekommen.

Zentrum für Islamische Theologie

An der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster ist das Zentrum für Islamische Theologie eröffnet worden - und gleich zu Beginn gab es Ärger.

(Foto: dpa)

Einer aber fehlte, ausgerechnet vom Konfessionellen Beirat für islamische Theologie. Dieses Gremium spielt ungefähr die Rolle, die bei den traditionellen Theologischen Fakultäten die Kirchen als Hüter des wahren Glaubens übernehmen. Denn die staatlichen Hochschulen selbst müssen religiös neutral sein. Deshalb sind sie in allen wesentlichen Fragen von Lehre, Prüfungen und Personal der Theologien vom offiziellen Segen der Glaubensgemeinschaft abhängig, beim Münsteraner Islam-Studium mithin vom Konfessionellen Beirat. Ihm gehören acht bekennende Muslime an, die zur Hälfte vom Koordinationsrat der Muslime (KRM), ihrem bundesweiten Dachverband, benannt werden.

Das fehlende Beiratsmitglied ist an der Bundesbildungsministerin gescheitert. Als Geldgeber zweifelt ihr Ministerium an der Grundgesetztreue des KRM-Kandidaten. Der Verband ist empört, das neue Miteinander bereits getrübt. KRM-Sprecher Erol Pürlü sagt: "Die vorgeschlagene Persönlichkeit gehört bereits zu einem Beirat des Schulministeriums von Nordrhein-Westfalen. Umso weniger können wir verstehen, dass Frau Schavan sie an der Uni als untragbar betrachtet."

Die Ministerin tut das deshalb, weil die Person mutmaßlich der islamischen Gemeinschaft Milli Görüs angehört. Der bescheinigen Verfassungsschützer erhebliche Demokratiedefizite. Schon seit Jahren, auch bei anderen Gelegenheiten wie der Islamkonferenz beim Bundesinnenminister, will die Bundesregierung Milli Görüs nicht als Verhandlungspartner akzeptieren. Offenbar versuchte der Dachverband KRM trotzdem, die Organisation über den Münsteraner Uni-Beirat an den mit Bundesmitteln üppig gedeckten Tisch zu setzen.

Ließe die Uni den Kandidaten zu, setzte sie ihre Bundeszuschüsse aufs Spiel. In einem amtlichen Bescheid ist festgelegt: In den Beirat dürfen nur "Vertreter solcher Organisationen, die die fundamentalen Verfassungsprinzipien nicht gefährden". Daraus ergibt sich, wie das nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerium bestätigt, zwingend "die Prüfung der Verfassungstreue der Kandidatinnen und Kandidaten".

Geld nach Prüfung

Vor diesem Hintergrund hat die Münsteraner "Ordnung des konfessionellen Beirats" offenbar einen Konstruktionsfehler, weil sie die Hälfte der Sitze einfach dem KRM überlässt. Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel der Universität Erlangen: Sie beruft keine Verbandsfunktionäre in den Beirat, vielmehr sucht sie sich selbst passende Persönlichkeiten aus. Der Gründungsdirektor des Erlanger Islam-Zentrums, Mathias Rohe, hält es für verfrüht, die Repräsentanz den bislang lautstärksten Verbänden zu überlassen.

Die Überprüfung der Verbandsvertreter auf Verfassungstreue zeigt, dass die muslimischen Organisationen längst nicht so weit sind wie die großen Kirchen. Sie sind bloße Vereine, die ihre Repräsentanten ohne Mitwirkung des Staates in Stellung bringen. Demgegenüber sind die Kirchen im Grundgesetz verankerte Körperschaften des öffentlichen Rechts. Auch sie sind der Ordnung verpflichtet: Die katholischen Ortsbischöfe werden auf die Verfassung vereidigt, die leitenden Kirchenbeamten auf evangelischer Seite kommen nur mit Billigung der jeweiligen Landesregierung ins Amt.

Demgegenüber lehnt sich die Überprüfung der islamischen Beiratskandidaten, wie der Münsteraner Rechtsprofessor Janbernd Oebbecke erläutert, an eine ähnliche Klausel bei Bundesprogrammen gegen den Rechtsextremismus an. Danach müssen sich geförderte Initiativen durch eine "Einverständniserklärung" zum nötigen Abstand gegenüber Radikalen verpflichten. Ausdrücklich müssen sie jeden Anschein verhindern, Extremisten "durch Gewährung materieller oder immaterieller Leistungen Vorschub zu leisten". Offenbar betrachtet das Bundesbildungsministerium (BMBF) islamische Verbände mit ähnlichen Vorbehalten.

Wie Münster legte auch die Universität Erlangen ihre Kandidatenliste dem BMBF zur Zustimmung vor. Osnabrück und Tübingen haben jedoch darauf verzichtet. Sie betonen, die Beiratsmitglieder schon länger gut genug zu kennen. Tatsächlich macht das Bundesbildungsministerium keine näheren Angaben, auf welchem Wege die Überprüfung genau zu erfüllen ist. Dabei erklärt sich das Münsteraner Vorgehen mit einem monatelangen Streit im Senat, dem obersten Lenkungsgremium der Uni. Eine Minderheit der Professoren und alle vier studentischen Vertreter nehmen Anstoß an der beherrschenden Stellung der Verbandsfunktionäre. Sie monieren eine Steuerung muslimischer Verbände aus dem Ausland, namentlich der Türkei. Der Senatsvorsitzende Oebbecke räumt immerhin ein, dass die geltende Beiratsordnung "keine wirklich gute Lösung" sei. Für ihn war sie aber "ohne Alternative", wiewohl das Beispiel Erlangen dagegen spricht.

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Mit dem Nein zu seinem Kandidaten als Grenzgänger am Rande der Verfassung empfindet sich der Dachverband KRM am unzumutbaren Gängelband des Staates. Zur Gleichberechtigung mit den Kirchen ist es offenbar noch ein schwieriger Weg, mit mehr Fallstricken, als das in politischen Festtagsreden deutlich wird.

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