Viel hat man politisch unternommen, um den Studienabbrecher besser kennenzulernen oder wenigstens zu unterstüzen: Beratungsangebote wurden gestärkt, es gibt eine eigene Webseite für Zweifler, und an der Lehrqualität wird sowieso ständig irgendwie gearbeitet. Trotzdem, der Studienabbrecher ist ein Phantom geblieben. Er kommt und geht, wann er will, und helfen lässt er sich meistens auch nicht.
Um besser zu verstehen, warum viele junge Menschen ihr Studium hinschmeißen, hat das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) eine umfangreiche Studie unternommen. 32 Unis und 28 Fachhochschulen wurden einbezogen, mehr als 6000 Exmatrikulierte aus dem Absolventenjahrgang 2014 befragt. Wie viele Studierende brechen ab? Warum wollen sie nicht mehr studieren? Und wie ist es ihnen danach ergangen? Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.
Fast 30 Prozent brechen das Bachelorstudium ab
Über alle Hochschularten und Fächer hinweg schaffen 29 Prozent der Studienanfänger im Bachelorstudium keinen Abschluss. Wichtig: Damit sind tatsächlich die Abbrecher gemeint, Fachwechsler sind nicht teil der Statistik. Die Zahlen beziehen sich auf Menschen, die in den Jahren 2010 und 2011 ihr Studium begonnen haben.
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Die Abbrecherquote hat sich damit insgesamt kaum verändert, wohl aber innerhalb der Hochschularten. Während an den Universitäten die Abbruchquote seit 2006 leicht auf aktuell 32 Prozent gesunken ist, hat sie sich an den Fachhochschulen konstant erhöht. Gaben dort von den Studienbeginnern des Jahres 2006 nur 19 Prozent auf, sind es nun 27. Den Anstieg an den FHs erklären die Macher der Studie damit, dass sich mehr Studierende in den "abbruchintensiven" Ingenieurswissenschaften, dafür weniger in den "abbrucharmen" Wirtschaftswissenschaften eingeschrieben hätten.
Negative Entwicklung beim Masterstudium
Während die Tendenz im Bachelor einigermaßen positiv ist, sieht es im Master düster aus. An den Universitäten hat sich die Quote zum Beispiel in Mathematik und Naturwissenschaften von fünf Prozent bei der letzten Erhebung vor sechs Jahren auf zehn Prozent verdoppelt.
Noch schlimmer sieht es an den Fachhochschulen aus, wo fast jeder Fünfte das Masterstudium nicht zu Ende bringt - dieser Wert hat sich nahezu verdreifacht. Die Forscher vermuten, dass die deutliche Erhöhung mit der gestiegenen Zahl an Masterstudenten zusammenhängt. Außerdem "mit dem vorläufigen Verbleib der Bachelorabsolventinnen und -absolventen im Studierendenstatus, bis sich für sie berufliche Möglichkeiten eröffnen". Ein geplanter Studienabbruch sozusagen.
Bachelorstudierende brechen später ab
3,8 Semester sind Studienabbrecher im Bachelor durchschnittlich immatrikuliert, bevor sie aufgeben; im Jahr 2008 gaben sie ihr Studium noch anderthalb Semester früher auf. Fast die Hälfte der Abbrecher beendet die Zeit an der Uni jedoch nach wie vor innerhalb der ersten beiden Semester.
Insgesamt hat sich die Studienzeit bis zum Abbruch jedoch seit 2008 deutlich verringert. Im Durchschnitt aller Bachelor- und Staatsexamensstudiengänge verließen Betroffene nach 4,7 Semestern die Hochschule und damit um 1,6 Semester früher als bei der letzten Erhebung.
Die meisten Studierenden scheitern an den Anforderungen
Auch nach den Gründen für den Abbruch haben die Wissenschaftler gefragt. Dort erklärten 30 Prozent der Befragten, dass sie nicht die für ihr Fach notwendigen Leistungen erbringen konnten. Die weiteren Hauptgründe sind mangelnde Studienmotivation und der Wunsch nach einer praktischen Tätigkeit.
Interessant ist, dass elf Prozent der Befragten angaben, an der Finanzierung ihres Studiums gescheitert zu sein. 2008 waren es noch 19 Prozent, womit Geldprobleme offenbar an Bedeutung verloren haben. Kürzlich hatte das Deutsche Studentenwerk eine Studie präsentiert, wonach das Bafög nicht ausreiche, um die Lebenshaltungskosten eines durchschnittlichen Studierenden zu decken.
Migranten brechen das Studium häufiger ab
Bei den Zahlen zu Studierenden mit Migrationshintergrund muss man unterscheiden zwischen sogenannten Bildungsin- und -ausländern. Erstere haben ihre Hochschulzugangsberechtigung in Deutschland, letztere im Ausland erworben. Umso überraschender ist es, dass die Abbruchquote der Bildungsinländer im Bachelor mit 43 Prozent knapp über der der Bildungsausländer liegt (41 Prozent). Wenngleich die Quoten seit der letzten Erhebung relativ konstant geblieben sind, so ist es auffällig, dass Studierende mit Migrationshintergrund nach wie vor mit überdurchschnittlicher Wahrscheinlichkeit keinen Abschluss erlangen können.
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"Die Studie hat verdeutlicht, dass die Bewältigung eines Studiums für Menschen aus Zuwanderungsfamilien eine besondere Herausforderung darstellt. Erstakademiker aus Zuwanderungsfamilien sind sogar doppelt benachteiligt - durch ihren Migrationshintergrund, aber vor allem durch ihre soziale Herkunft", erläutert Wolfgang Rohe, Geschäftsführer der Stiftung Mercator, die die Teilerhebung förderte. Es sei besonders wichtig, bei den Schulen anzusetzen, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. Gerade Berufs- und Fachoberschulen würden ihre Schüler nicht ordentlich auf ein Studium vorbereiten.
Viele Abbrecher beginnen eine Ausbildung
Positiv hervorzuheben ist, dass ein halbes Jahr nach der Exmatrikulation fast die Hälfte der ehemaligen Studierenden eine (schulische oder duale) Berufsausbildung begonnen hat. Weitere 31 Prozent sind erwerbstätig. "Die Ergebnisse zeigen [...] auch, dass ein Studienabbruch kein Scheitern der beruflichen Karriere bedeutet" sagt Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU). Alle jungen Menschen müssten einen qualifizierten Berufsabschluss erlangen - "Studium und Berufsausbildung sind dafür gleichwertige Wege".
Dennoch zeigt die Studie auch: Elf Prozent der Studienabbrecher sind zumindest vorübergehend arbeitslos. Diese Zahl zu verkleinern, dürfte ein wichtiges Ziel für die Zukunft sein - nun, wo das Phantom Studienabbrecher etwas besser bekannt ist.