Lehre im Studium:Und, wie war ich?

Studie: Lehrmethode an Universität wichtiger als Dozent

Lehrende müssen vor einer Veranstaltung die Lernziele festlegen, meint Andrea Frank.

(Foto: picture alliance / dpa)

Ständig sollen Studierende angeben, wie ihnen ein Seminar gefallen hat. Diese Evaluationen bringen allerdings wenig. Die Lehrenden sollten umdenken.

Gastbeitrag von Andrea Frank

Seit mehr als 20 Jahren werden an deutschen Hochschulen Lehrveranstaltungen evaluiert. In den allermeisten Fällen geht es dabei darum, dass Studierende dem Dozenten Feedback geben: Waren die Präsentationen gut gestaltet? War ein roter Faden erkennbar? Wirkte der Lehrende gut vorbereitet? Letztlich wird die Zufriedenheit von Studierenden mit einer Lehrveranstaltung erhoben.

Über die Autorin

Andrea Frank leitet das Zentrum für Lehren und Lernen (ZLL) an der Universität Bielefeld.

Solche Lehrevaluationen sind unangefochtener Bestandteil der Qualitätsmanagementsysteme an Hochschulen. Aber tragen sie auch zur Weiterentwicklung der Lehre bei? Gibt es einen Zusammenhang zwischen "studentischer Zufriedenheit" und ihrem Lernerfolg - denn nur Letzteres kann ein sinnvolles Ziel einer Bewertung von Vorlesungen, Seminaren oder Übungen sein? In einer bereits 2016 veröffentlichten Metaanalyse wurde dieser Zusammenhang allerdings explizit in Frage gestellt. Drei Psychologen hatten sich Studien aus 30 Jahren genauer angesehen und festgestellt, dass Studierende einer als gut bewerteten Lehrveranstaltung nicht mehr lernen als Studierende einer schlecht bewerteten Veranstaltung.

Besonders problematisch ist, dass sich durch diese Art der Evaluation auf Seiten der Studierenden vor allem die Vorstellung verfestigt, die Lehrenden seien die Hauptverantwortlichen für den Lernerfolg. Dabei ist doch klar: Die Lehrenden können noch so verständlich sprechen, ordentlich an die Tafel schreiben, komplexe Zusammenhänge anschaulich erklären - am Ende sind es die Studierenden, die Dinge lernen und üben, Informationen verarbeiten, abstrakte Konstrukte verstehen oder komplexe Zusammenhänge nachvollziehen müssen.

Wenn Evaluationen der Lehre wirklich der Weiterentwicklung der Lehre dienen sollen, müssen zuallererst Ziele definiert werden, deren Erreichung dann bewertet werden kann. Im Zentrum sollten weniger die Lehrenden als vielmehr die Lernprozesse der Studierenden stehen. Ob ein Seminar gelingt, ob die Studierenden am Ende etwas mitnehmen, hängt von allen Teilnehmern ab. Studierende sind für ihren Lernerfolg mitverantwortlich - das müssen die Unis klarmachen.

An der Universität Bielefeld experimentieren wir seit einigen Jahren mit einer lernzielorientierten Evaluation (BiLOE). Zunächst definieren die Lehrenden die drei wichtigsten Lernziele, die Studierende in der Lehrveranstaltung erreichen sollen, und formulieren sie aus der Perspektive der Lernenden. Hier einige Beispiele: "Ich kenne und verstehe die Grundbegriffe der Systemtheorie Luhmanns", "Ich bin in der Lage, die erworbenen Kenntnisse der physikalischen Chemie in Bezug auf die Energieversorgung anzuwenden", "Ich verstehe die Bedeutung der historischen Entwicklung für das heutige Privatrecht und kenne sie in Grundzügen".

Nicht selten wollen Studierende nur "die Klausur bestehen"

Im zweiten Schritt überlegen die Lehrenden, wie Studierende diese Ziele erreichen können. Genügt es, (nur) zuzuhören? Oder sollten sie mitschreiben - und falls ja: was? -, sich an Übungen aktiv beteiligen, Aufgaben in Gruppen bearbeiten, sich mit anderen austauschen, Experimente durchführen, vertiefende Texte lesen oder eigene Gedanken verschriftlichen?

In der Evaluation gegen Ende der Veranstaltung werden dann die Studierenden gefragt, was ihre persönlichen Lernziele waren, wie wichtig ihnen das Erreichen der vom Lehrenden definierten Lernziele war, ob sie meinen, die Lernziele erreicht zu haben und wie hilfreich sie die verschiedenen Tätigkeiten für das Erreichen der Ziele empfunden haben.

Für Dozentinnen und Dozenten ist dieses Verfahren anfangs recht ungewohnt, vielen fällt es schwer, Lernziele zu definieren. Im Vordergrund der Lehre stehen gewöhnlich die Inhalte, der Stoff, den sie "durchbekommen" wollen oder müssen. Da hilft es, Abstand zu gewinnen. Etwa indem man überlegt, an was sich die Teilnehmer*innen der Veranstaltung in fünf Jahren noch erinnern sollen. Auch manchen Studierenden fällt es schwer, persönliche Lernziele zu formulieren. Nicht selten schreiben sie dann einfach: "die Klausur bestehen".

Aber der Aufwand lohnt sich. Rückmeldungen von Lehrenden zeigen, dass diese Art der Evaluation tatsächlich nützliche Hinweise für die Lehrveranstaltungsplanung liefert. Es kann zu Tage treten, dass die Bedeutung von Lernzielen von Lehrenden und Studierenden sehr unterschiedlich eingeschätzt wird, dass es für das Erreichen von Lernzielen von großer Bedeutung ist, ob die Studierenden die Ziele selbst als relevant ansehen. Häufig zeigt sich auch, dass die Studierenden nicht verstanden haben, warum sie was tun sollen oder wie sie es tun sollen. Wenn solche fundamentalen Hürden früh abgebaut werden, macht das die Lehrveranstaltung für alle produktiver.

Das gilt insbesondere für verbreitete Fehleinschätzungen: Lehrenden ist häufig nicht bewusst, was Studierende (noch) nicht wissen (können). Die lernzielorientierte Evaluation kann ihnen Hinweise darauf geben, wo Implizites explizit gemacht werden sollte und sie kann Studierende dazu animieren, ihre Lernprozesse zu reflektieren. Beides zusammen birgt größere Chancen für die Verbesserung der Lehre als die Bewertung der Performance der Lehrenden.

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