Studium:Erst studieren, später bezahlen

Lesezeit: 3 Min.

Ein Eingang der privaten Universität Witten-Herdecke (Foto: Frank Vincentz via Wiki Commons; CC BY 3.0)

Ökonomen schlagen nachgelagerte Studiengebühren vor. An der Privat-Uni Witten-Herdecke ist das Modell überraschend populär - obwohl es für manche Studierende teuer wird.

Von Matthias Kohlmaier

Die Debatte war im Jahr 2014 mausetot. Binnen weniger Jahre hatten sieben westdeutsche Bundesländer Studiengebühren eingeführt, nur um sie nach Regierungswechseln von Schwarz nach Rot oder einem erfolgreichen Volksbegehren (Bayern) zügig wieder abzuschaffen. Den Politkern war klar geworden: Mit der Befürwortung von Studiengebühren ist keine Wahl zu gewinnen.

Ein paar Jahre später jedoch ist das Thema wieder aktuell. In vielen Ländern muss an staatlichen Unis für Zweit-, Senioren- oder Langzeitstudium längst (wieder) bezahlt werden, private Hochschulen sind ohnehin kostenpflichtig. Und seit diesem Wintersemester erhebt Baden-Württemberg Gebühren für Studierende aus Nicht-EU-Ländern. Gegen die veranschlagten 1500 Euro pro Semester protestierte die Studierendenschaft zwar heftig, verhindern konnte sie das Gesetz aber nicht.

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Studiengebühren sind in Deutschland noch immer unpopulär, die Forderung nach staatlich finanzierter Bildung weit verbreitet. Dabei halten viele Wissenschaftler die Abgaben unter gewissen Voraussetzungen für sinnvoll. Sie plädieren, wie Bildungsökonom Ludger Wößmann im SZ-Interview, für nachgelagerte Studiengebühren. Während des Studiums fallen dabei keine Kosten an, danach zahlen die Alumni einen gewissen Prozentsatz ihres Einkommes über einen vorher festgelegten Zeitraum zurück.

Wie das in der Praxis funktioniert, zeigt die private Universität Witten-Herdecke, "Umgekehrter Generationenvertrag" nennt sich das Modell dort. Wer sich die anfallenden Gebühren während des Studiums nicht leisten kann oder mühsam über einen Nebenjob finanzieren will, bezahlt erst einmal nichts. Nach dem Abschluss zahlt er zehn Jahre lang 14 Prozent seines maßgeblichen Einkommens (Bruttoeinkommen minus pauschalierte Sozialversicherungsbeiträge und Werbungskosten) zurück.

Weitere Vorteile für Studierende: Wer weniger als 21 000 Euro pro Jahr verdient, bezahlt nichts, außerdem werden Beiträge nur für die Regelstudienzeit erhoben. Wer länger bis zum Abschluss braucht, für den wird es nicht teurer. "Es ist ein Solidarmodell, in dem diejenigen mehr zahlen, die mehr verdienen", sagt Felix Stremmer, Finanzvorstand der Wittener Studierenden Gesellschaft. "Und wer wegen Ehrenamt oder Familienplanung unterhalb des festgesetzten Mindesteinkommens bleibt, zahlt eben gar nichts."

Für spätere Großverdiener hat das Modell allerdings einen Nachteil, denn für sie gelten die gleichen Zahlungsmodalitäten. So kann es passieren, dass der ehemalige Medizinstudent später als gut verdienender Gehirnchirurg deutlich mehr für sein Studium zahlen muss, als die Gebühr für einen Sofortzahler zu Studienbeginn betragen hätte. Die Rückzahlungssumme ist immerhin gedeckelt, beim doppelten Betrag ist Schluss. Für das in Witten-Herdecke ursprünglich 50 000 Euro teure Medizinstudium muss der Gehirnchirurg maximal 100 000 Euro zurückzahlen, bevor er sein Geld anderweitig ausgeben kann.

Man wolle "Menschen aufgrund ihrer Persönlichkeit und Entwicklungsfähigkeit aufnehmen und nicht ihrer Abiturnote oder des gut gefüllten Portemonnaies wegen", sagt Finanzvorstand Stremmer. Einen Numerus clausus gibt es in Witten dementsprechend auch nicht. Da man als Privat-Uni aber freilich auf zahlende Kundschaft angewiesen ist, ist der fehlende NC wohl mehr logische Konsequenz als reine Wohltat.

Die Option, erst zu studieren und später zu bezahlen, nehmen aktuell etwa die Hälfte der Studierenden in Witten wahr. Die Quote ist seit Jahren konstant. Wie es sich anfühlt, die Uni - zumindest theoretisch - mit Schulden zu verlassen, weiß Niklas Becker. Er hatte sich vor seinem Bachelor im Fach "Philosophie, Politik und Ökonomik" dafür entschieden, die halbe Gebühr während und den Rest nach seiner Zeit am Campus aufzubringen. "Ich habe mir gedacht: Wenn ich eine tolle Ausbildung und dadurch einen lukrativen Job bekomme, finde ich es nur gerecht, später etwas zurückzubezahlen", sagt Becker.

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Als Banker verdient er mittlerweile gut und wird der Uni am Ende seiner Frist deutlich mehr überwiesen haben als die etwa 24 000 Euro, die sein Bachelor eigentlich gekostet hätte. Für Becker kein Problem, er freut sich, "dass durch meine Rückzahlung heute Menschen studieren, die sich das sonst womöglich nicht leisten könnten". Und die Uni freut sich mit einiger Sicherheit ebenso, nimmt sie in dem Fall doch mehr ein als ursprünglich erwartet.

Die Frage ist: Können nachgelagerte Studiengebühren also auch ein Zukunftsmodell für staatliche Universitäten sein? Experten fürchten den hohen bürokratischen Aufwand, den das Modell mit sich brächte. Auch müsste erst einmal anhand transparenter Kriterien festgelegt werden, welches Studium wo wie viel kosten soll - der Medizinstudienplatz etwa ist weitaus kostspieliger als der in Germanistik, die Lebenshaltungskosten in München deutlich höher als in Greifswald.

Vorerst bleibt das Bezahlermodell daher wohl den Privat-Unis und einigen Bildungsfonds vorbehalten. Das liegt ein wenig daran, dass die FDP die Verhandlungen um ein Jamaika-Bündnis im Bund abgebrochen hat. Die Liberalen waren mit der Forderung nach nachgelagerten Studiengebühren in den letzten Bundestagswahlkampf gezogen. Dem werden sie nun zumindest nicht von der Regierungsbank im Bund aus Nachdruck verleihen können.

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