Süddeutsche Zeitung

Studium:Willkommen auf dem Cannabis-Campus

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Von Christoph Gurk, München

Spätestens seit den wilden Sechzigerjahren gehört Marihuana zum Klischee vom langhaarigen Studenten wie das Tweedjackett zu dem vom zerstreuten Professor. Zumindest dem Vorurteil vom bekifften Hochschüler dürfte dabei aber ein Quäntchen Wahrheit innewohnen, schließlich gibt es ja durchaus Studenten, die sich nicht nur für akademische Höhenflüge interessieren, sondern auch für solche, die von - meist illegalen - Substanzen verursacht werden. Je nach Uni wird das geduldet oder wohlwollend ignoriert, meistens aber nicht unbedingt gefördert, man hat ja einen Ruf zu verlieren.

In Kanada scheint sich das nun zu ändern, mehr noch: ins Gegenteil zu verkehren. Hochschulen haben Angst, den Anschluss zu verlieren, wenn sie Cannabis nicht auf den Campus holen. Denn seit Oktober letzten Jahres ist Kiffen im ganzen Land legal. Jeder, der älter als 19 Jahre ist, kann Marihuana kaufen, in lizenzierten Läden, angebaut von offiziell genehmigten Produzenten, von denen viele sogar an der Börse notiert sind. Die Legalisierung hat Kanada einen Boom beschert, überall entstehen neue Unternehmen, die sich auf Anbau, Vertrieb, Weiterentwicklung und Erforschung von Cannabis spezialisiert haben. Und dieses grüne Wunder schlägt sich nun eben auch in den Seminarplänen der Hochschulen nieder.

Das Niagara College bietet zum Beispiel einen Kurs in "Kommerzieller Cannabisproduktion" an. Unterrichtet werden unter anderem Beleuchtungskonzepte, rechtliche Aspekte, der Umgang mit Schädlingen, Kostenanalysen und das richtige Düngen. "Es gibt einen neuen und überwältigenden Bedarf an qualifizierten und gut ausgebildeten Fachkräften in der boomenden Cannabis-Industrie", steht auf der Homepage der Universität. Schon im Herbst 2018 starteten die ersten Kurse, noch bevor Cannabis offiziell legalisiert war. 300 Bewerber gab es damals, für 24 Plätze, auch der Frühjahrskurs ist schon voll und für den Herbst 2019 gibt es nur noch Chancen über die Warteliste.

Auch andere Hochschulen haben den Bedarf erkannt. An der Ryerson University läuft gerade ein Kurs mit dem Titel "Das Cannabisgeschäft", in dem es unter anderem um Vertrieb, Marketing und Regularien geht. Das Durham College richtet sich dagegen an Studenten mit einem Abschluss in Betriebswirtschaftslehre und bietet ihnen einen Aufbaukurs zur Cannabisindustrie an. Wer mehr über medizinisches Marihuana wissen will, muss sich an der McGill Universität einschreiben, für alles, was den Umgang mit rechtlichen Fragen bezüglich Cannabis betrifft, ist man an der Universität von Ottawa richtig. Dort wirbt man damit, dass Studenten im Rahmen des Unterrichts auch die Anlagen von Canopy Growth besuchen dürfen, Kanadas größtem Cannabisproduzenten. Geleitet wird die Firma übrigens von einem Absolventen aus Ottawa.

Kaum eine Hochschule kann aber mithalten mit dem, was das Niagara College bietet: In mehreren Frachtcontainern gibt es dort eine hochgesicherte Plantage. In diesem von Studenten nur "Cannabunker" genannten Bau wachsen Cannabispflanzen unter bunten LED-Leuchten und industriellen Bedingungen. Studenten können so in der Praxis üben, was sie in der Theorie gelernt haben. Ein Wermutstropfen bleibt allerdings: Am Ende jedes Kurses werden die Pflanzen zerstört statt konsumiert.

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Quelle:
SZ vom 01.03.2019
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