Hochschule:"Haben wir nichts Besseres zu tun?"

Die Episode ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die sich wie Bühl im Diskurs ausgebremst fühlen. Indizien dafür haben sie: Als die Umbenennungsinitiative eine eigene Seite im Onlineportal der Hochschule für sich beantragte, kam eine Absage. Auf der von der Hochschulleitung gepflegten Seite zum "Beuth-Diskurs" ist die Initiative mittlerweile zwar genannt, das dazu gehörende Papier aber nur mit Passwort zu öffnen. Wer mehr wissen will, muss sich bis zur persönlichen Seite des Philosophieprofessors Matthias Schmidt durchklicken. "So steuert die Hochschulleitung Aufmerksamkeit", sagt Bühl, "sie sorgt dafür, dass wir möglichst nicht wahrgenommen werden." Der gesamte Prozess, sagt Bühl, sei "so konzipiert und gelenkt, dass eine Pseudolegitimation für die Nichtumbenennung der Hochschule beschafft wird".

Im Anschluss an die Konferenz will Hochschulpräsidentin Gross in einer Umfrage unter Studierenden und Mitarbeitern ein Stimmungsbild einholen. Es wird zeigen, ob die in der Diskussion engagierten Studierenden und Professoren mit ihren Befürchtungen richtig liegen - und Beuths Antisemitismus dem Gros der gut 14 000 Hochschulangehörigen egal ist. Studierende sähen die Hochschule "als puren Dienstleister", erklärt Czycholl, sie erwarteten eine gute Lehre - und sonst nichts. Dabei habe die Hochschule "neben dem fachlichen Bildungsauftrag auch einen politischen" und müsse "zur Auseinandersetzung mit Gesellschafts- oder Umweltthemen beitragen", zitiert Czycholl das Berliner Hochschulgesetz. Auch viele Lehrende begegneten dem Namensstreit gleichmütig, sogar von Unverständnis wird berichtet. "Haben wir nichts Besseres zu tun?" wollen manche hinter vorgehaltener Hand aus Professorenmund gehört haben.

Der Ton im Streit wird schärfer. Im Oktober legte Ex-Präsident Reinhard Thümer eine hoch umstrittene Stellungnahme zu Beuth vor. Er kommt darin zu dem Schluss, dass der aktuelle Kenntnisstand keineswegs hinreichend für eine "Klassifizierung Beuths als Antisemit" sei. Ein Tusch im Diskurs, der nun auch die Fachwissenschaft jenseits der Hochschule auf den Plan ruft. Dass dem so sein würde, war Thümer wohl bewusst. Doch, erklärt er sein Motiv, hätten ihm die "wenigen Hinweise" einfach nicht ausgereicht, um über Beuth den Stab zu brechen. "Als Wissenschaftler" habe er sich "herausgefordert gefühlt". Deshalb fuchste er sich in historische Forschungsarbeit ein, prüfte Quellen, suchte neue und legte seine Erkenntnisse dann eben auch vor.

Während Rektorin Gross in Thümers Stellungnahme einen "wichtigen wissenschaftlich neuen Beitrag zur Debatte" sieht, hält Bühl das Papier für eine "Verharmlosung des christlichen wie völkischen Antisemitismus des preußischen Staatsbeamten Beuth". Kritik kommt auch von außen: Der Autor sei ein "Hobby-Historiker", dem die "Vertrautheit mit der einschlägigen Literatur zur Geschichte des Antisemitismus" fehle, sein Text sei "kein wissenschaftliches Gutachten", sondern voller Ungenauigkeiten und Verfälschungen, urteilt Uffa Jensen vom Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin in einer an die Hochschulleitung gerichteten Stellungnahme, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Mündlich sagt er, dass die Hochschule "an der Person Beuth hängt", sei verständlich. Die Auseinandersetzung mit Beuths Antisemitismus dürfe aber weder "zum Kampfplatz für die Rettung individueller Lebensleistungen" werden noch einen "Kampagnen-Charakter" erfahren. Letzteres wäre der "ideale Nährboden für Verschwörungstheorien", mahnt Jensen.

Tatsächlich erfährt man in Gesprächen schon von manchen, die sich aus Angst vor Sanktionen nicht öffentlich äußern wollen und sogar eine Überwachung ihrer Mailaccounts nicht für ausgeschlossen halten. Andere schweigen aus Sorge, "das Falsche" zu sagen oder "missverstanden" zu werden, und dadurch womöglich als "Antisemit" etikettiert zu werden.

Von solchen Ängsten weiß auch Monika Gross. Entsprechend deutlich ruft sie nun zur Ordnung: Niemand dürfe "in die Ecke gestellt werden. Ich erwarte einen respektvollen Umgang und wünsche keine persönlichen Herabwürdigungen", mahnt sie. Ob die drohende Spaltung der Hochschule mit solchen Appellen verhindert werden kann, ist noch nicht ausgemacht. Sicher ist: Die Entscheidungsfindung wird dauern. Und sie kann schmerzlich werden.

Wie sehr die Trennung von einem Namen eine Hochschule umtreiben kann, ließ sich zuletzt in Greifswald beobachten. Bis vor Kurzem trug die Universität der Stadt den Namen des 1860 verstorbenen Schriftstellers und Politikers Ernst Moritz Arndt, der als glühender Patriot verehrt wurde, ehe ihn antisemitische und fremdenfeindliche Passagen in seinen Schriften ins Zwielicht rückten. Bis die Universität sich nach schier endlosen Debatten von Arndt trennte, vergingen Jahrzehnte.

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