Studium:Höherer Dienst, höhere Ansprüche

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Wie steht es um die Freiheit von Forschung und Lehre an deutschen Hochschulen? Nicht gut, finden die Mitglieder des "Netzwerks Wissenschaftsfreiheit". (Foto: Fabian Stratenschulte/dpa)
  • Union und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, dass künftig ein Bachelor-Abschluss für eine Beamtenlaufbahn im höheren Dienst ausreichen soll.
  • Das Bundesinnenministerium, zuständig für derlei Laufbahnverordnungen, stellt sich jedoch quer.
  • So werden voraussichtlich Top-Beamte auch weiterhin einen Master- oder vergleichbaren Hochschulabschluss benötigen.

Von Johann Osel

Die Chancen von Bachelor-Absolventen, künftig auch in den höheren Staatsdienst zu gelangen, sind nahezu verpufft. Das für Laufbahnen zuständige Bundesinnenministerium wehrt sich vehement gegen Änderungen, obwohl diese im schwarz-roten Koalitionsvertrag angekündigt wurden. Damit bremst das Haus von Minister Thomas de Maizière (CDU) die Fraktionen von Union und SPD sowie auch das Bundesbildungsministerium aus. Das geht aus einem Schreiben des Innenministeriums an die stellvertretenden Fraktionschefs, Hubertus Heil (SPD) und Michael Kretschmer (CDU), hervor. Der Brief liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Eine "breite Absenkung des Qualifikationsniveaus", heißt es darin, stehe nicht zur Diskussion. Dies sähen die Innenverwaltungen der Länder gleichermaßen "kritisch".

Um die Jahrtausendwende, als Bologna mit Bachelor und Master an die Hochschulen kam, war festgelegt worden: der sechssemestrige Bachelor als Eintrittskarte im gehobenen Dienst, der Master, der von der Dauer des Studiums meist früheren Diplomen entspricht, im höheren Dienst. Das bringt Bildungspolitiker in die Zwickmühle: Sie verweisen stets darauf, dass der Bachelor heutzutage "Regelabschluss" ist und in den Beruf führen soll - während ein anschließender Master als Basis für eine Forschungskarriere gedacht ist.

Zwar ist der Bachelor den Ruf als "Schmalspur-Studium" nie richtig losgeworden, und die Mehrheit der Studenten will den Master machen. In der freien Wirtschaft scheint der schnelle Abschluss aber allmählich besser anzukommen. Eine Studie des Stifterverbandes für die Wissenschaft und des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, gefördert vom Bundesbildungsministerium, zeigt: Sowohl Jobs als auch Gehalt beim Einstieg in Unternehmen sind für Bachelor- und Master-Absolventen oft ähnlich.

Man wolle "die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes weiterhin sicherstellen, indem wir die Zugangsvoraussetzungen künftig stärker an berufspraktischen Erfahrungen orientieren", hatte der Koalitionsvertrag 2013 versprochen. Konkret: Zugang zum höheren Dienst des Bundes "für Bachelor-Absolventen mit Promotion oder mehrjähriger Berufserfahrung". Dies sei "zentral" dafür, heißt es in den Fraktionen, dass der Bachelor öffentlich als "vollqualifizierender Abschluss" gilt. Regierungsintern hat sich das Bildungsministerium für eine entsprechende Novelle eingesetzt. Wenngleich es dort heißt: Man könne nur auf "konstruktiven Austausch" setzen.

Ergebnis dieses Austauschs: Das Innenministerium räumt das Thema gemäß seinen Vorstellungen recht rigoros ab. Vom "hohen Leistungsstandard in der Verwaltung" und von der "bestmöglichen Personalauslese" könne nur bei "zwingenden Gründen wie Bewerbermangel" abgewichen werden. Von einem Zuschnitt auf Mangelberufe, etwa im technischen Bereich, war aber im Koalitionsvertrag gar keine Rede.

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Wirtschaft wie Politik drängten auf die Bologna-Reform. Doch Bachelor-Absolventen werden immer noch belächelt, der höhere Dienst wird ihnen gar ganz verweigert. Wie lässt sich das Dilemma lösen?

Im Weiteren führt das Ministerium die Frage, wie Berufserfahrung als Zugangsvoraussetzung dienen könnte, nicht mehr im Detail aus. Es heißt lediglich: "Allenfalls" könne es bei Bachelor mit Promotion, deren Thema noch dazu einen "unmittelbaren Bezug zu den Aufgaben der angestrebten Laufbahn aufweist", Ausnahmen geben. Ein Bachelor, der direkt eine Doktorarbeit anfertigt, gibt es das überhaupt? "Nach hiesiger Kenntnis handelt es sich um keine umfangreiche Gruppe", schreibt das Innenministerium auf SZ-Anfrage. Unterm Strich heißt das: Eine breite Öffnung des Zugangs für Bachelor mit Zusatzqualifikation ist "nicht gewollt". Auch habe man "Sorge", dass die Personalrekrutierung für den gehobenen Dienst schwieriger werde.

Es gibt einige Fürsprecher für eine Novelle, doch die Beamtenschaft wehrt sich

Zuletzt traten Fürsprecher für eine Änderung auf, so die arbeitgebernahe Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Sie warnte, es drohten dem öffentlichen Dienst "im Wettbewerb um Talente große Probleme". Die Hochschulrektorenkonferenz nennt den höheren Dienst für Bachelor "unerlässlich".

Offensichtlich hat das Ministerium diesen Stimmen weniger Gehör geschenkt als zum Beispiel der Beamtenschaft. "Staat und Gesellschaft ist eine Absenkung der Qualität der Angehörigen des öffentlichen Dienstes, auch im Gefolge des Bologna-Prozesses, nicht zuzumuten", schreibt die Arbeitsgemeinschaft höherer Dienst in einem Papier. Darin vereinigt sind der Philologenverband, dem viele Gymnasiallehrer angehören, die Professorengewerkschaft DHV, die Verwaltungsbeamten im höheren Dienst, Tierärzte, Post-Führungskräfte, Chemiker, Techniker oder Bibliothekare. "Jede Verwässerung" der Zugangsvoraussetzungen verbiete sich. Pikante Randnote: Die juristischen Fakultäten lehnen es ab, überhaupt Bachelor und Master einzuführen. Insgesamt sind 85 Prozent der Studiengänge bundesweit auf Bologna umgestellt - für Juristen, klassische Beamte, gibt es meist Staatsexamen.

"Der formale Abschluss lässt heute nicht mehr direkt auf die tatsächlichen Fähigkeiten und Kompetenzen rückschließen", argumentieren Heil und Kretschmer. Qualifizierungswege und Biografien seien vielfältiger, auch angesichts fast 20 000 einzelner Studiengänge. Häufig hätten Bachelorabsolventen Berufserfahrung gesammelt und entschieden sich dann ganz bewusst gegen den Master - diese Personen könnten für bestimmte Stellen im höheren Dienst sogar geeigneter sein als viele Master-Absolventen. Trotz Öffnung würde weiter Eignung und Leistung zählen, nicht die Kriterien sänken - sondern der Bewerber-Pool wachse. Das bringe letztlich mehr Qualität in Amtsstuben. Jedoch wissen die stellvertretenden Fraktionschefs: Änderungen bei den Laufbahnverordnungen sind Sache des Innenministeriums oder auch der Bundesländer - und nicht des Bundestags.

© SZ vom 29.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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