Studienplatz-Vergabe an deutschen Unis:Jedes Semester Chaos - und kein Ende in Sicht

Die Unis klagen über überfüllte Hörsäle - und können doch Tausende Studienplätze nur zu spät oder gar nicht besetzen. Der Grund: Das geplante zentrale Studienvergabe-System kann wegen technischer Probleme weiterhin nicht vollständig in Betrieb gehen.

Tanjev Schultz

Auch im kommenden Jahr kann das geplante bundesweite System für Studienbewerber nicht vollständig in Betrieb gehen. Erneut könnten deshalb 2012 Tausende Studienplätze zu spät oder überhaupt nicht besetzt werden. Möglich ist nur ein Pilotbetrieb mit ausgewählten Hochschulen. Der flächendeckende Start der neuen Software muss wegen technischer Probleme noch einmal verschoben werden und ist nun frühestens für das Wintersemester 2013/14 geplant. Das zeigt eine Beschlussvorlage der zuständigen "Stiftung für Hochschulzulassung", die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Ursprünglich sollte bereits im Jahr 2010 ein zentrales Bewerbungsverfahren via Internet laufen. Es wurde jedoch immer wieder verzögert.

Studienplatz-Vergabe an deutschen Unis: Auch wenn die Unis voll sind mit Studenten, wie hier die Große Aula der LMU in München - viele Studienplätze bleiben lange unbesetzt, weil Abiturienten sich meist an mehreren Hochschulen bewerben und die Abgleich-Software der Vergabestelle noch Probleme macht.

Auch wenn die Unis voll sind mit Studenten, wie hier die Große Aula der LMU in München - viele Studienplätze bleiben lange unbesetzt, weil Abiturienten sich meist an mehreren Hochschulen bewerben und die Abgleich-Software der Vergabestelle noch Probleme macht.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Bundesregierung ist mit 15 Millionen Euro am Aufbau des neuen Systems beteiligt. Es soll einen unmittelbaren Abgleich der zum Studium zugelassenen Bewerber ermöglichen. Damit kann verhindert werden, dass Studienplätze unnötig für Bewerber freigehalten werden, die sich bereits an einer anderen Hochschule eingeschrieben haben.

Das neue Verfahren ist nötig geworden, weil die Unis mittlerweile in den meisten Studiengängen nach eigenen Kriterien Bewerber aufnehmen dürfen und sie wegen der hohen Zahl an Interessenten über etwa jeden zweiten Studiengang einen Numerus clausus verhängt haben. Um ihre Chancen auf einen Studienplatz zu erhöhen, bewerben sich Abiturienten meist bei etlichen Hochschulen gleichzeitig. Es fehlen jedoch eine bundesweite Koordination und ein schneller Abgleich. Jährlich bis zu 20.000 Studienplätze in ganz Deutschland konnten zuletzt deshalb nicht rechtzeitig besetzt werden. Viele abgelehnte Bewerber, die es sich finanziell leisten können, haben daher gute Aussichten, sich einen Platz auf dem Rechtsweg zu erstreiten.

Zentrale Bewerbungen für mehr Übersicht

Bei dem geplanten neuen System könnten sich die Bewerber am Internet zentral für mehrere Studiengänge und Universitäten bewerben. Derzeit schicken sie ihre Unterlagen einzeln an jede Hochschule. Sowohl die Bewerber als auch die Uni-Verwaltungen hätten jederzeit eine Übersicht über den aktuellen Stand eines Bewerbungsverfahrens. Zuständig für das neue System ist die Stiftung für Hochschulzulassung. Die frühere Zentralstelle zur Vergabe von Studienplätzen (ZVS) existiert nicht mehr, sie ist in die Stiftung umgewandelt worden.

Deren Stiftungsrat, in dem Vertreter der Hochschulen und der Kultusminister sitzen, beriet am Donnerstag über die technischen Probleme. "Das System funktioniert nicht", sagte die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD). Sie muss nun damit rechnen, dass es sogar im Jahr 2013, wenn in Nordrhein-Westfalen wegen des verkürzten Gymnasiums (G 8) ein doppelter Abiturjahrgang an die Unis drängt, noch immer Fehler und Tücken bei der Technik geben kann.

Derzeit gibt es Probleme vor allem an Universitäten, deren Verwaltung noch mit einer alten Software-Version des Anbieters Hochschul-Informations-System GmbH arbeitet. Sie lässt sich bisher offenbar nicht richtig anpassen an die neue, bundesweite Zulassungssoftware, die von der Firma T-Systems entwickelt worden ist. Die Rede ist von "Schnittstellen-Problemen". Als besonders schwierig hat sich der Abgleich von Bewerbungen in Studiengängen mit mehr als einem Studienfach erwiesen, beispielsweise bei Lehramtsstudiengängen.

Nur ein Teil der deutschen Hochschulen soll sich nun im Wintersemester 2012/13 zunächst an einem "Pilotbetrieb" beteiligen. Entscheidend für den Erfolg des neuen Systems ist es jedoch, dass möglichst alle Universitäten und Fachhochschulen mitmachen.

Die Vorsitzende des Bildungsausschusses im Bundestag, Ulla Burchardt (SPD), rechnet damit, dass etwa 150 von etwa 300 Hochschulen entweder noch gar nicht oder zumindest nicht risikolos an dem neuen Verfahren teilnehmen könnten. Sie spricht von einer "traurigen Fortsetzung des Zulassungschaos". Leidtragende seien die Studienbewerber.

Scharfe Kritik kommt auch von den Grünen. Deren hochschulpolitischer Sprecher, Kai Gehring, nannte das "fortdauernde Versagen" bei der Studienzulassung das Ergebnis "organisierter Verantwortungslosigkeit". Er warf Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) vor, das Durcheinander als "Zaungast" zu beobachten - statt als Krisenmanagerin einzugreifen.

In den vergangenen Monaten hatte es zudem immer wieder Streit um die Kosten des neuen Bewerbungsverfahrens gegeben. Die 15 Millionen Euro des Bundes reichen nicht für den laufenden Betrieb. Die Hochschulen sehen vor allem die Bundesländer in der Pflicht.

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