Studiengebühren:Nichts ist gerechter

Muss Hochschulbildung kostenlos sein? Oder profitieren davon die, die es gar nicht nötig haben? Die Debatte über Studiengebühren schien beendet zu sein, nun ist sie wieder da. Ein Streitgespräch.

Interview von Larissa Holzki und Matthias Kohlmaier

In sieben westdeutschen Bundesländern mussten Studierende zwischen 2006 und 2014 zeitweise für ihre Ausbildung bezahlen - ehe ein Land nach dem anderen die unpopulären Studiengebühren wieder abschaffte. Seit diesem Wintersemester werden internationale Studierende in Baden-Württemberg wieder zur Kasse gebeten, Nordrhein-Westfalen denkt über ein ähnliches Modell nach. Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, findet, der Staat sollte die Hochschulen finanzieren. Bildungsökonom Ludger Wößmann ist anderer Meinung.

SZ: Warum sollten in Deutschland Nicht-EU-Ausländer auf Staatskosten studieren dürfen?

Achim Meyer auf der Heyde: Deutschland braucht Studierende aus aller Welt, weil uns Fachkräfte fehlen. Viele von ihnen wollen hier bleiben oder in ihrer Heimat für deutsche Firmen arbeiten. Aber Modelle wie in Baden-Württemberg - und bald wohl auch in Nordrhein-Westfalen - diskriminieren Nicht-EU-Ausländer. Es ist gut, dass sich deutsche Studierende für diese einsetzen.

Ludger Wößmann: Viele Studierende haben vielleicht auch das Gefühl, dass das ein Versuchsballon ist, sich dem Thema Studiengebühren generell zu nähern.

Ist die Angst begründet, dass es bald wieder Studiengebühren auch für deutsche Studierende gibt?

Wößmann: Solange es Deutschland wirtschaftlich gut geht und die Steuern sprudeln, ist das kein Thema. Spannend wird es, wenn ab 2020 die Schuldenbremse greift, die Bundesländer sich also nicht mehr verschulden können, wie sie wollen. Sollte es dann auch mit der Wirtschaft abwärtsgehen, wird man darüber nachdenken, ob man Studierende an den Kosten des Studiums beteiligt. Bildung ist ein großer Ausgabenposten in den Ländern.

Meyer auf der Heyde: Europas Wissenschaftsminister stehen deutlich dafür ein, dass Hochschulbildung ein öffentliches Gut ist und in öffentlicher Verantwortung liegt. Das kann man nicht von wirtschaftlichen Schwankungen abhängig machen.

Wößmann: Sie wird aber nicht von allen genutzt. Drei Viertel der Akademikerkinder gehen zur Uni, aber nur ein Viertel der Arbeiterkinder. Ich bin deshalb der Meinung, dass Studiengebühren gerecht sind.

Zentrale Kundgebung gegen Studiengebühren

1500 Euro pro Semester müssen Nicht-EU-Ausländer in Baden-Württemberg bezahlen. Der Landtag beschloss das Gesetz Anfang Mai. Alle Proteste gegen die Pläne der grünen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer - wie hier im Januar 2017 in Stuttgart - blieben vergeblich.

(Foto: Deniz Calagan/dpa)

Das sehen viele Deutsche anders.

Wößmann: Ich denke, das täuscht. Diejenigen, die von dem aktuellen Modell profitieren, schreien laut auf, wenn man über Änderungen nachdenkt. Den anderen ist die Ungerechtigkeit vielleicht gar nicht so bewusst: Uni-Absolventen verdienen übers Erwerbsleben durchschnittlich 64 Prozent mehr als Menschen mit abgeschlossener Lehre. So ein Universitätsstudium kostet im Schnitt 8500 Euro pro Jahr. Und das schenkt der Staat denen, die später sowieso viel mehr verdienen.

Meyer auf der Heyde: Akademiker, die tatsächlich mehr verdienen, zahlen mehr Steuern. So kommt das Geld wieder rein.

Wößmann: Das ist ein billiges Argument. Wer nicht studiert hat und trotzdem viel verdient, bezahlt genauso viele Steuern. Wir haben ein progressives Steuersystem, weil wir umverteilen wollen. Leute, die reicher sind, sollen mehr zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben beitragen als die, die ärmer sind. Sinn des Systems ist nicht, dass die Reichen zurückzahlen, was sie vorher geschenkt bekommen haben.

Meyer auf der Heyde: Jeder trägt zur öffentlichen Daseins- und Zukunftsvorsorge so viel bei, wie er kann. Zudem tragen die Studierenden oder ihre Eltern einen Teil ihrer Ausbildungskosten schon selbst, da sie für ihre Lebenshaltungskosten aufkommen müssen. Das wird gerne ausgeblendet bei der Berechnung.

Wenn Studierende Miete, Lebensmittel und noch 8500 Euro im Jahr für das Studium zahlen müssen, werden sich viele das nicht mehr leisten können.

Wößmann: Ich sage nicht, dass die Studierenden die kompletten Kosten übernehmen sollten. Wir hatten Studiengebühren von 500 Euro im Semester. Und es haben nicht weniger junge Leute studiert, auch nicht aus Elternhäusern mit weniger Geld.

Meyer auf der Heyde: Aber viele Studierende sind in Bundesländer ausgewichen, die keine Gebühren verlangten. Wenn Sie diese bundesweit einführen, geht das nicht. Außerdem hatten die Studiengebühren für die Einzelnen verschiedene Konsequenzen: Bei einigen haben die Eltern gezahlt, andere mussten mehr zu Lasten des Studiums arbeiten.

München: Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik Ludger Wößmann und  Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks Achim Meyer auf der Heyde im Gespräch.

Ludger Wößmann (li.) und Achim Meyer auf der Heyde beim Gespräch im Münchner Ifo-Institut.

(Foto: Stefanie Preuin)

Kinder von besser und schlechter verdienenden Eltern hätten sehr unterschiedliche Studienbedingungen.

Wößmann: Wenn wir es so machen wie bisher. Deshalb schlage ich das Modell der nachgelagerten Studiengebühren vor. Das löst viele Probleme.

Wie stellen Sie sich das konkret vor?

Wößmann: Während Sie studieren, zahlen Sie nichts. Wenn Sie nach dem Studium in Ihrem Beruf Erfolg haben und mehr als einen bestimmten Betrag im Jahr verdienen, zahlen Sie etwas zurück. Auf einmal oder in Raten, wie beim Bafög.

Würden Sie unter diesen Kreditbedingungen einen größeren Anteil der Kosten verlangen? Es gäbe ja auch Ausfälle ...

Wößmann: Das ist letztlich eine politische Frage. Die kompletten Kosten zu verlangen, wäre verheerend. Dann würden sich wahrscheinlich viele Leute gegen ein Studium entscheiden. Deshalb schlage ich vor, mit 1000 Euro im Jahr oder etwas mehr einzusteigen und dabei erst mal zu bleiben.

Meyer auf der Heyde: Der administrative Aufwand wäre riesig. Bei 1000 Euro pro Jahr rechnet sich das nicht! Die Gebühren würden daher sehr schnell erhöht werden. Je höher aber die Gebühren, desto weniger Absolventen werden sie zurückzahlen können. Und dann muss der Staat am Ende doch einspringen und verschiebt die Ausgaben nur in die Zukunft.

Studierende kritisieren, dass zu wenig Geld für Professoren und Tutoren da ist. Könnte man sie von Gebühren überzeugen, wenn dadurch die Lehre besser wird - oder ist die Lage doch nicht so mies?

Meyer auf der Heyde: Die Hochschulen sind besser finanziert als vor zehn Jahren, aber Geld vom Bund dürfen sie immer nur kurzfristig und zweckgebunden einsetzen. Da muss die Politik umdenken. Das Thema Studiengebühren birgt so viele Konflikte, daran wird sich kein Politiker die Finger verbrennen wollen.

Wößmann: Ich bin mir sicher, dass man eine breite Akzeptanz von Studiengebühren erreichen könnte - vorausgesetzt, man wählt ein nachgelagertes Modell und erklärt den Leuten besser als bisher, warum das sinnvoll ist. Andernfalls gebe ich Ihnen recht: Einfach zu sagen, wir wollen wieder Studiengebühren einführen, wäre derzeit politischer Selbstmord. Das wird keiner tun.

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