Man braucht nur über einen Uni-Parkplatz zu spazieren, das kann sehr erhellend sein: Da steigen manche Studenten aus gepflegten Mittelklassewagen, während Kommilitonen daneben ihr rostiges Rad anketten. Der eine wohnt im Apartment, das Papa gekauft hat, der andere begibt sich in sein Wohnheimzimmer. Arm lebt und lernt neben Reich, das ist auch gut so.
Die Frage ist nur: Muss die Gemeinschaft den einen wie den anderen ein Zehntausende Euro teures Studium schenken? Nachdem nun auch Niedersachsen zu diesem Wintersemester als letztes Bundesland die Studiengebühren abgeschafft hat, geschieht genau das - der Staat befreit alle gleichermaßen von Studiengebühren, die Wohlhabenden und die Ärmeren.
Politisch ist das Thema derzeit erledigt. Selbst die langjährigen Verfechter von Studiengebühren in Niedersachsen und Bayern sind entweder abgewählt oder haben sich zurückgezogen. Die Modelle, die man vor fast zehn Jahren eingeführt hatte, waren anfangs schlecht flankiert, es gab zu wenige und zu dürftige Stipendien und Studienkredite. Dennoch bewirkten die Gebühren offenbar nicht, dass junge Leute aus ärmeren Familien seltener studierten. Mehrere Untersuchungen legen das Gegenteil nahe: Sie hatten keinen Abschreckungseffekt. Das ist schon an der Rekordzahl der Studienanfänger ablesbar. In diesen Wochen beginnen erneut gut 500 000 Erstsemester, vor zehn Jahren waren es noch 150 000 weniger. Seitdem ist der Anteil aus Arbeiter-, Migranten und Nicht-Akademiker-Familien unter ihnen sogar gewachsen, trotz der Gebühren.
Jeder Meister muss für seine Ausbildung selber aufkommen
Der Andrang hat viele Hochschulen in Nöte gestürzt, denn die meisten Unis müssen pro Student mit deutlich weniger Geld auskommen als früher. Von den notorisch klammen Ländern ist Abhilfe nicht zu erwarten, deren Spielraum wird durch die kommende Schuldenbremse sogar noch kleiner. Auch der Bund wird den Ländern hier nicht beispringen. Er steuert ohnehin schon Milliardensummen bei, um neue Hörsäle, Labore und Bibliotheken zu bauen. Doch es reicht nicht. Das ist der Grund, warum ein Beitrag der Akademiker zur Finanzierung der Hochschulen wieder Thema werden wird - und zwar schon bald.
Die ganze Gesellschaft profitiert von den akademisch Gebildeten, das haben die Gegner von Gebühren immer vorgebracht. Schon wahr. Am meisten jedoch profitieren die Absolventen selbst: Übers Arbeitsleben gerechnet bezieht ein Akademiker im Schnitt eine Million Euro mehr als sein Altersgenosse mit Berufsausbildung. Ist es da wirklich zu viel verlangt, ein paar Tausend Euro für die Hochschulen beizutragen? Soll das ungerecht sein?
Wem es wirklich um soziale Gerechtigkeit geht, der muss einen Blick auf die Bildung von Kindern werfen: Hier wird vieles versäumt, was später nur noch schwer nachgeholt werden kann. Schon in Kindergärten und Grundschulen teilen sich allzu oft die Wege der Arbeiter-, Migranten- und Akademikerkinder. Hier wäre mehr staatlicher Einsatz nötig, hier würde er sich besonders lohnen, damit es Töchter und Söhne ärmerer Familien überhaupt bis zum Abitur schaffen.
Doch ausgerechnet hier hält der Staat die Hand auf: Ein Kita-Platz kostet oft 500 Euro im Monat, ein Platz in der Ganztagsschule 150 Euro. Die 500 Euro Semestergebühren verblassen dagegen - sie machen gerade einmal 83 Euro pro Monat aus.
Gedanken übers neue Auto
Gewiss, auch diese Summe kann einen studentischen Haushalt oder arme Eltern überfordern. Deshalb darf man sie nicht sofort in Rechnung stellen, sondern erst später, wenn der Akademiker die Früchte der staatlich finanzierten Hochschulbildung einfährt. Fast jedes Akademiker-Kind kennt die elterlichen Anekdoten vom Studentendasein mit einem Laib Brot pro Woche im Zimmer unterm Dach. Inzwischen aber leben die Eltern längst kommod im eigenen Haus und machen sich Gedanken, wie das neue Auto aussehen soll.
Sie können einen Beitrag leisten, also sollten sie es tun - und zwar über allgemeine Steuern hinaus, denn zu denen werden Akademiker genauso herangezogen wie Nicht-Akademiker (obwohl letztere zum Beispiel ihre teure Meisterausbildung selbst bezahlt haben). Wie ein Gebührenmodell funktioniert, kann man im Ausland sehen. In Australien hat eine Labour-Regierung solche nachträglichen Studienbeiträge eingeführt. Wer später überdurchschnittlich verdient, zahlt einen kleinen Anteil seines Einkommens, bis die Summe abgestottert ist. Akademiker mit niedrigerem Einkommen hingegen zahlen nichts. So kamen Milliarden für den Ausbau der Unis zusammen.
Viele haben dort prägende Jahre verbracht. Irgendwann kommt die Zeit, etwas dafür zurückzugeben.