Studienfinanzierung:Die Schuldenfalle

Viele Hochschüler fürchten Kredite. Sie sollten genau kalkulieren - sonst droht ein dickes Minus.

Christine Auerbach

Claudia Blümhuber blickt gerne in die Zukunft. Drei Jahre nach ihrem Studium hat sie eine feste Stelle als Redakteurin, ihr Gehalt ist immerhin ausreichend und die Arbeit genau das, was sie immer machen wollte. Nur manchmal kommt ein Stich: Dann, wenn im Hintergrund die 10.000 Euro Schulden auftauchen, die sich während ihres Studiums angehäuft haben. "Aber die nehme ich in Kauf", sagt sie. "Denn sonst hätte ich gar nicht studieren können."

Sparende Studenten, dpa

Teures Studium: Doch auch wenn die Konditionen für Kredite günstig sind, bleiben die Schulden.

(Foto: Foto: dpa)

Die 32-Jährige hat ihr Literaturwissenschaftsstudium mit Hilfe von Bafög finanziert. Sechs Semester Höchstsatz: 585 Euro pro Monat. Im kommendem Wintersemester wird er auf monatliche 643 Euro angehoben. Auch die Zugangsvoraussetzungen verbessern sich: Der Freibetrag, den man selbst oder die Eltern verdienen dürfen, während man Bafög bezieht, wird erhöht.

Schonfrist bis zum ersten Verdienst

Seit vor drei Semestern an den meisten Hochschulen die Studiengebühren eingeführt wurden, werden Bafög, Studienkredite oder Bildungsfonds immer attraktiver. Der Vorteil bei den meisten dieser speziellen Kredite: oft muss nur ein Teil des Geldes zurückgezahlt werden, zu vorher festgelegten, niedrigen Zinsen und mit einer Schonfrist bis zum ersten Verdienst. Doch auch wenn die Konditionen günstig sind: Die Schulden bleiben.

Claudia Kurzbuch, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung, erwartet die ersten Studenten mit Problemen bei den Ratenzahlungen ungefähr zwei Jahre nach ihrem Abschluss. Noch suchten nur wenige Hilfe, Studienkredite und Bildungsfonds seien zu neu, die Studenten noch in der Bezugsphase und nicht in der Rückzahlphase. "Aber die Arbeitswelt ändert sich. Es gibt ja kaum noch Stellen, in denen man gleich zu Beginn ein gutes Gehalt bekommt", so die Schuldnerberaterin.

Klassiker Bafög

Der Klassiker zur Studienfinanzierung ist immer noch Bafög: Die Förderung ist zinslos und muss nur zur Hälfte, höchstens bis 10.000 Euro, zurückgezahlt werden. Die Tilgung erfolgt in monatlichen Raten über 25 Jahre, und die Schulden werden, findet man nach dem Studium keine Anstellung, erst einmal gestundet. Erst vier Jahre nach Studienabschluss muss überhaupt mit der Rückzahlung begonnen werden. Trotz der Vorteile kommt bei Claudia Blümhuber manchmal dieser Stich: "Ich ziehe gerade um und werde eine höhere Miete haben. Da frage ich mich manchmal schon, wie das mit den Rückzahlungen wird."

Neben dem Bafög wurden 2007 110.000 Studienkredite und Darlehen bei den verschiedenen staatlichen und privaten Anbietern aufgenommen. An der Spitze steht dabei der KfW-Studienkredit. Er wurde im vergangenen Jahr 18.000-mal bewilligt. Lokale Angebote wie die von Sparkassen, Volks- oder Raiffeisenbanken wurden weit weniger nachgefragt. Die meisten Privatbanken verkaufen deshalb den Kredit der KfW. Nach dem Ende des Studiums gibt es bei der KfW eine Schonzeit von bis zu 23 Monaten, in der nichts zurückgezahlt werden muss. Anschließend werden die Raten innerhalb von 25 Jahren fällig, wobei der Zinssatz variabel ist und sich an den jeweiligen Kapitalmarktzinsen anpasst. Er kann also fallen aber auch steigen, jedoch nicht über eine festgelegte Obergrenze von derzeit 8,9 Prozent.

Auf der nächsten Seite: Wie Bildungsfonds funktionieren.

Die Schuldenfalle

Verträge auf Zeit

Die zweite Möglichkeit eines Kredits sind Bildungsfonds. Vor allem Fächer mit Aussicht auf schnelle und sichere Karriere sind bei den Anbietern beliebt. Zurückgezahlt wird bei den Fonds nämlich abhängig vom jeweiligen Einkommen. Dieses wird bei Förderbeginn geschätzt, danach wird in einem individuellen Vertrag festgelegt, wie viel Prozent des Bruttoeinkommens über einen festen Zeitraum zurückgezahlt werden muss. Je nach Vertrag und Anbieter schwankt dies zwischen zwei bis zehn Prozent des Einkommens. In den Augen von Schuldnerberaterin Claudia Kurzbuch ist es heute jedoch kaum mehr möglich pauschal zu sagen, wie viel eine Berufsgruppe verdienen wird: "Sogar in vermeintlich sicheren Jobs wie Lehramt gibt es inzwischen Zeitverträge."

Patrick Wiedemann, 27, ist gerade in der Endphase seines Maschinenbaustudiums. Zur Zeit "hat er nicht die Angst, keinen Job zu bekommen". Seinen Kredit bei Career Concept, einem der Bildungsfonds, hofft er, ohne Probleme zurückzahlen zu können - 200 Euro hat er vier Jahre lang monatlich erhalten. Steigt Wiedemann sofort mit hohem Gehalt ein, kann es sein, dass er mehr zurückzahlen muss, als er bekommen hat - der vorher festgesetzte Prozentsatz bleibt gleich, egal wie viel man im Endeffekt verdient. Ist sein Gehalt niedriger als geschätzt, besteht die Möglichkeit, dass er weniger oder gleich viel zurückzahlen muss, wie er an Förderung erhalten hat.

Für Bildungsfonds muss man sich bewerben: Lebenslauf, Assessment-Center, persönliche Gespräche. "Der Hintergrund ist eigentlich egal", sagt David Schmutzler, Vorstandsvorsitzender von Career Concept. Der Großteil der Geförderten bei Career Concept kommt jedoch aus technischen und naturwissenschaftlichen Studiengängen sowie den Wirtschaftswissenschaften.

740 Euro für den Durchschnittsstudenten

Claudia Blümhuber ist froh, dass sie ihre Studienzeit schon hinter sich hat und somit auch um die Studiengebühren gekommen ist. Die lassen die Ausgaben in die Höhe schnellen: 740 Euro braucht der Durchschnittsstudent pro Monat laut dem Hochschulinformationssystem (HIS). Dazu kommen bis zu 500 Euro Studiengebühren pro Semester. Zu deren Finanzierung kann jedoch erneut ein Kredit aufgenommen werden. Diese Studienbeitragsdarlehen sind unter bestimmten Voraussetzungen sehr günstig: Ist man gleichzeitig Bafög Empfänger, gibt es, abhängig vom Bundesland, Verschuldungsobergrenzen. In Bayern müssen beispielsweise für beides zusammen nur höchstens 15.000 Euro zurückgezahlt werden.

Trotzdem bezweifelt Claudia Blümhuber, dass sie noch einen weiteren Kredit aufgenommen hätte: "Ruhig schlafen könnte ich da jetzt nicht mehr", sagt die Redakteurin. "Egal, wie gut die Konditionen sind."

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