Studie zur Jugendarbeitslosigkeit:Keine Chance, sich zu qualifizieren

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Die Lage für junge Leute auf dem Arbeitsmarkt ist dramatisch: In Spanien und Griechenland hat nur jeder Zweite bis zu 24 Jahren einen Job. Deshalb versuchen diese Länder jetzt, von Deutschland und dessen Ausbildungssystem zu lernen.

Thomas Öchsner

In Spanien nennen sie sich "ni-nis", "Weder-Nochs", die weder arbeiten noch studieren. In Portugal ist die Rede von der "Geração à Rasca", frei übersetzt der "Generation in der Tinte". Im Fachjargon heißen sie schlicht "Neets" (not in education, employment or training), also ohne Job, Berufsperspektive und ohne Chance, sich zu qualifizieren.

Die Zahlen, die die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) an diesem Montag vorgelegt hat, sind alarmierend. Sie zählt 14 Prozent der 15- bis 24-Jährigen zu den "Neets". Innerhalb der europäischen Währungsunion sind das etwa 3,3 Millionen junge Menschen. In Griechenland und Spanien trifft es jeden Zweiten in dieser Altersgruppe, in Portugal mehr als jeden Dritten. Die ILO warnt deshalb bereits vor einer "verlorenen Generation". Mindestens bis 2016, so die Uno-Organisation, werde die Jugendarbeitslosigkeit in Europa auf "dramatisch hohen Niveaus" bleiben.

Ganz anders sieht es in Deutschland aus. Seit 2005 geht die Anzahl der jungen Menschen ohne Job zurück, nur in der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 verzeichnete die Bundesagentur für Arbeit eine Zunahme. Die Arbeitslosenquote sank bei den bis zu 24-Jährigen von 12,5 auf derzeit 5,7 Prozent - in der Euro-Zone ist sie mehr als doppelt so hoch und hat einen Negativrekord erreicht.

Nun ist Deutschland kein Wunderland. Mehr als 65.000 Jugendliche verlassen Jahr für Jahr die Schule ohne Abschluss. Gut 1,5 Millionen junge Erwachsene im Alter zwischen 20 und 29 Jahren verfügen über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Vor allem das Potenzial der Migranten sei "längst nicht ausgeschöpft", sagt die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock. Es gibt mehr Arbeit, aber oft nur mies bezahlt und zu schlechten Bedingungen. Trotzdem hat sich die Bundesrepublik zu einem Musterland in Sachen Arbeitsmarktpolitik entwickelt. Seit Monaten wird deshalb in Europa diskutiert, wie sich Anreize für mehr Arbeit schaffen lassen - und was Deutschland dafür tun kann.

Die ILO selbst spricht sich mehr für Hollande und weniger für Merkel aus: Die Sparpolitik trage nicht dazu bei, dass sich die Perspektiven für Jugendliche verbesserten, heißt es in der Studie. Nötig sei vielmehr eine aktive Arbeitsmarktpolitik, wie sie Frankreichs Präsident bevorzugt. Dazu zählt die ILO mehr Lohn- und Ausbildungszuschüsse oder Steuervorteile als Anreiz für Unternehmen, junge Leute einzustellen. Der Chef des Forschungsinstituts, Raymond Torres, warnt: "Die einseitige Betonung von Sparmaßnahmen zumal in den Euro-Ländern vertieft die Beschäftigungskrise und könnte Europa erneut in die Rezession bringen."

Selbst wenn sich Hollande durchsetzt und insgesamt mehr Geld ausgegeben wird - das allein wird nicht reichen. Das wissen auch die Regierungen in Italien, Spanien oder Portugal. Ob bei flexibleren Regeln für den Arbeitsmarkt oder beim dualen Ausbildungssystem - sie lassen sich bei ihren Reformen von den deutschen Erfolgen inspirieren. Auch die Kurzarbeit, die in Deutschland viele Arbeitsplätze gerettet hat, könnte ein Vorbild für europäische Wackelkandidaten sein.

Kurzfristig haben zumindest einige der Millionen Arbeitslosen in den Krisenländern Südeuropas wenigstens eine Chance, aus der hoffnungslosen Situation herauszukommen - mit einer Flucht in die Länder, in denen es noch Jobs gibt, also vor allem nach Deutschland. Dort suchen die Unternehmen nicht nur Ingenieure, sondern auch Krankenschwestern, Altenpfleger und Auszubildende. Schon jetzt strömen deshalb immer mehr Griechen oder Spanier ins Land. In Südeuropa ist die Nachfrage nach Deutsch-Kursen spürbar gestiegen. Deutsche Krankenhäuser zahlen inzwischen sogar Sprachkurse im portugiesischen Porto, um neues Personal zu gewinnen. Viele, die auf eigene Faust ins Jobwunder-Land eingereist sind, wurden jedoch bitter enttäuscht. Wer ohne Deutsch-Kenntnisse kommt, geht bei der Stellensuche meist leer aus.

© SZ vom 22.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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