Studie zu Burn-out bei Pädagogen:Höllenjob Lehrer

Lesezeit: 3 Min.

Erst Traum- dann Höllenjob: Jeder dritte Lehrer bekommt im Laufe seines Berufslebens gesundheitliche Probleme. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

30 Prozent der Lehrer und Erzieher leiden unter Burn-out und Erschöpfung, die Zahl der Krankheitstage hat sich verdoppelt. Der Aktionsrat Bildung will den Pädagogen mit einem Präventionsprogramm helfen - auch damit am Ende nicht die Schüler leiden.

Von Martina Scherf

Lehrer sein, das ist für manche der Traumberuf. Doch im Laufe ihrer Karriere empfinden es immer mehr Pädagogen als Höllenjob. 30 Prozent der Beschäftigten im Bildungswesen leiden unter psychischen Problemen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Aktionsrates Bildung im Auftrag der bayerischen Wirtschaft. "Die Analysen sind besorgniserregend", sagte Dieter Lenzen, Vorsitzender des Aktionsrates, am Dienstag in München und rief Politik, Schulen und Hochschulen zu Maßnahmen auf, um Burn-out und Erschöpfung bei Lehrern und Erziehern zu vermeiden. Andernfalls leide das Bildungsniveau der ganzen Gesellschaft darunter.

Dem Aktionsrat Bildung gehören neben Lenzen, der Präsident der Universität Hamburg ist, weitere renommierte Bildungsforscher wie der Pisa-Experte Manfred Prenzel oder der Volkswirt Ludger Wößmann an. Burnout ist zwar keine eigenständige Diagnose, so erklärte Bettina Hannover, Expertin für Schul- und Unterrichtsforschung an der Freien Universität Berlin, sondern ein Zusammenspiel von mehreren, auch privaten Risikofaktoren. Auch hätten die zunehmenden Krankmeldungen damit zu tun, dass heute psychische Erkrankungen nicht mehr so tabuisiert würden wie noch vor fünfzehn Jahren. Dennoch sei Zunahme an psychischen Belastungen alarmierend. Die Zahl der Krankheitstage habe sich seit dem Jahr 2000 fast verdoppelt.

Viele Betroffene fühlten sich emotional überfordert und reagierten darauf durch Rückzug: "Sie sagen selbst, sie können sich nicht mehr in ihre Schüler hineinversetzen". Genau das sei aber eine der wichtigsten Eigenschaften eines Lehrers. "Ein Lehrer braucht neben der fachlichen Kompetenz mindestens ebenso viel emotionale und soziale Kompetenz", so die Bildungsforscherin, "Lehrer sollen ja Vorbilder sein".

Bessere Ausbildung als Burn-out-Prävention

Der Aktionsrat formulierte daher Empfehlungen zur Prävention und Linderung von psychischen Belastungen. Zentraler Ansatz ist die Ausbildung. Noch immer herrschten zu idealistische Vorstellungen vom Lehrerberuf. "Die Hochschulen sind noch zu weit von der Praxis weg", so ein Statement. Immerhin hätten einige Universitäten Schritte unternommen, um Studenten schon vor dem Studium einer Selbstreflexion zu unterziehen. Auswahl- und Beratungsgespräche müsse es überall geben, damit sich die Bewerber prüfen könnten: "Ist es wirklich das, was ich will und kann?"

Wer das Studium aufnimmt, müsse dann frühzeitig und ausreichend begleitete Praktika und Supervision erhalten, um zu erkennen, was auf ihn zukommt. Und für Schulen müsste es von Seiten des Staates Serviceeinrichtungen geben, etwa eine Hotline, an die sie sich mit Problemen wenden könnten. In speziellen Programmen sollten Lehrer zudem Klassenmanagement und Konfliktbewältigung trainieren können. Bund und Länder könnten dabei "Good Practice"-Ansätze, also nachahmenswerte Modelle, allen Einrichtungen verfügbar machen.

Blog zu Referendaren
:"Sie sind kein richtiger Lehrer"

Wenn im Klassenzimmer Böller gezündet werden, kann das nur eines bedeuten: Vorne am Pult steht ein Referendar. Lehrerin Catrin Kurtz über Junglehrer - und solche, die besser einen anderen Beruf ergriffen hätten.

Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, forderte ebenfalls, Lehrer besser vor psychischen Belastungen zu schützen. Es sei ein "Skandal", dass der Staat als größter Arbeitgeber von rund 700 000 Lehrern nicht in der Lage sei, ein flächendeckendes Angebot an Arbeitsmedizinern und Psychologen zu finanzieren, kritisierte Meidinger. Hauptursache für eine Überlastung sei aber nicht die fehlende Trennung von Berufs- und Privatleben, sondern die im internationalen Vergleich zu hohe Gesamtarbeitszeit der Lehrer.

So kam auch in der Diskussion über das Gutachten zum Ausdruck, dass die Lösung nicht darin liege, noch mehr Seminare und Kompetenztrainings auf die Wochenenden zu verlegen. "Wir haben schon viele Studien gesehen, aber den Lehrern fehlt es an Unterstützung", sagte ein Arzt, zu dem viele Lehrer mit Burnout in die Sprechstunde kommen. "Sie erleben im Alltag ein Vielzahl von Attacken und können sich kaum wehren".

Klaus Wenzel, Vorsitzender des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) ergänzte: "Viele nehmen die Probleme aus den Klassenzimmern mit nach Hause." Dabei liebten die meisten ihren Beruf, betonte Wenzel. "Sie sind bereit, viel zu leisten, wenn sie einbezogen werden, fühlen sich aber hilflos, wenn sie Verordnungen einfach übergestülpt bekommen, wie es mit der Einführung des G 8 geschah".

Viele Lehrer fühlten sich allein gelassen, bestätigte Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. Man müsse an den Schulen mehr miteinander ins Gespräch kommen, appellierte Dieter Kleiber, Gesundheitsexperte der Freien Universität Berlin. "Auch Schüler haben ein gutes Gefühl für die Klassensituation und die Kompetenz eines Lehrers", betonte Tobias Funk, Sekretär der Kultusministerkonferenz.

Applaus erntete Christof Prechtl, der Bildungsexperte des vbw, mit seinem Vorschlag: "Anstatt Maßnahmen von oben zu verordnen, sollte man vielmehr Teambildung fördern. Es ist nicht entscheidend, ob ein Schüler mehr oder weniger in einer Klasse sitzt. Da nimmt man lieber einige Lehrer beiseite und diskutiert mit ihnen Maßnahmen, wie man die Potenziale an der Schule ausschöpfen kann."

© SZ vom 09.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: