Studie an britischen Schulen:Handyverbot hilft leistungsschwachen Schülern

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Ablenkung vom Unterricht: das Smarphone. (Foto: Sebastian Kahnert/dpa)
  • Britische Forscher haben herausgefunden, dass ein Handyverbot an Schulen den Leistungen von Schülern zugutekommt.
  • Im Durchschnitt verbesserten sich deren Testergebnisse um mehr als sechs Prozent. Am stärksten profitierten leistungsschwache Schüler aus finanzschwachen Verhältnissen.
  • Auch an vielen deutschen Schulen ist die Handynutzung nur bedingt erlaubt. Bildungsforscher sehen das jedoch nicht ausschließlich positiv.

Von Matthias Kohlmaier

Handys sind essenzieller Bestandteil der Lebenswelt Jugendlicher. Eine Erhebung im Jahr 2013 ergab: In der Altersgruppe der 14- bis 65-Jährigen besitzen 97 Prozent ein Handy. Für die Schulen ist das ein Problem: Mobiltelefone bedeuten in der Generation Smartphone eine Menge Ablenkung vom als öde empfundenen Unterrichtsalltag.

Deshalb ist die Nutzung an fast allen Regelschulen Deutschlands untersagt - zumindest teilweise. Im Bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG), Artikel 56, Absatz 5, heißt es: "Im Schulgebäude und auf dem Schulgelände sind Mobilfunktelefone und sonstige digitale Speichermedien, die nicht zu Unterrichtszwecken verwendet werden, auszuschalten. Die unterrichtende oder die außerhalb des Unterrichts Aufsicht führende Lehrkraft kann Ausnahmen gestatten. Bei Zuwiderhandlung kann ein Mobilfunktelefon [...] vorübergehend einbehalten werden."

Bessere Leistungen ohne Handys

Das klingt im ersten Moment etwas überreguliert. Natürlich kann ständiger Internetzugang von der dritten binomischen Formel an der Tafel ablenken. Trotzdem stellt sich die Frage: Kann das nicht ohne pauschales Verbot gelöst und auf die Vernunft der Schüler vertraut werden? Und ergibt die Richtlinie für das eigentliche Ziel der Schule - den Unterrichtsstoff zu vermitteln - überhaupt Sinn?

Zumindest die letzte Frage bejaht nun eine Studie des Centre for Economic Performance der London School of Economics. Die Forscher Louis-Philippe Beland und Richard Murphy haben die Leistungen von Schülern verglichen, bevor und nachdem an ihren Schulen ein Handyverbot erlassen wurde. Ergebnis: Ohne Smartphone besserten sich die Testergebnisse von 16-Jährigen durchschnittlich um 6,41 Prozent. Offensichtlich schlägt sich die geringere Ablenkung nicht nur in einem zügigeren Lernfortschritt nieder. Selbiger ist auch in konkreten Prüfungsleistungen nachweisbar.

Ein weiteres und aus bildungspolitischer Sicht spannenderes Untersuchungsergebnis formulieren die Autoren so: "Wir haben nicht nur herausgefunden, dass sich die Leistungen der Schüler (nach dem Handyverbot; Anm. d. Red.) verbessert haben, sondern auch, dass zuvor leistungsschwache Schüler aus finanzschwachen Verhältnissen am meisten profitierten." Das Handyverbot habe sich für diese Schüler in einem Maß positiv ausgewirkt, als hätten sie eine zusätzliche Unterrichtsstunde pro Woche bekommen. Ihre Leistungen steigerten sich um mehr als 14 Prozent. Auf die Gruppe der besonders leistungsstarken Schüler hatte der Handy-Bann dagegen keinen Einfluss.

Die Forscher begründen ihre Ergebnisse vor allem mit der Ablenkung, die Smartphones im Unterricht darstellten. Die Vermutung, dass ohnehin schon schwache Schüler anfälliger für derlei Fremdbeschäftigung im Unterricht sind, liegt nahe. Daher überrascht es auch nicht, dass sie aus dem Handyverbot den größten Profit ziehen konnten.

Die Argumentation, dass ein Handyverbot auch eine soziale Dimension habe, ist auch an deutschen Schulen zu hören. Allerdings ist die Stoßrichtung - bisher - eine andere. Wer sich kein Top-Smartphone leisten kann, ist gerade in den Schuljahren während der Pubertät schnell außen vor. Auch erhoffen sich Verantwortliche von der Absenz von Facebook, Twitter und Co. zumindest während der Schulzeit einen Schutz vor Mobbing. "Wir haben immer Konflikte, die über soziale Netzwerke in die Schule kommen", sagte Uwe Scholle, Leiter einer Realschule, dem Deutschlandfunk. Ob durch ein Handyverbot während der Unterrichtszeit digitale Randale tatsächlich zu verhindern ist, sei dahingestellt.

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Denn jeglicher Verbote zum Trotz werden Handys und mit ihnen die Bewegung in der digitalen Welt weiterhin Teil des Alltags junger Menschen sein. Was in dieser Welt möglich, erlaubt und verboten ist, damit sollten Jugendliche konfrontiert werden - in der Schule, von in der Sache geschulten Lehrern. Viele Bildungsforscher fordern daher, die Nutzung des Internets im Allgemeinen und sozialer Netzwerke im Besonderen noch stärker in den Unterricht zu integrieren. Oder wenigstens überhaupt zu integrieren, denn die Digitalisierung kommt im deutschen Schulsystem nur langsam voran.

"Ein Handyverbot könnte ein kostengünstiger Weg für Schulen sein, um Ungleichheit in der Bildung zu reduzieren", schließen die Autoren der britischen Studie aus ihren Ergebnissen. Beim Thema Ablenkung liegen sie damit gewiss richtig. Grundsätzlich aber muss die digitale Welt eher in die Klassenzimmer hereingeholt statt ausgesperrt werden.

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