Streit um Förderprogramm:Verschmähte Stipendien

Das Fördersystem des Bundes für begabte Studenten läuft schleppend an - dennoch werden die Mittel für das "Deutschland-Stipendium" noch einmal aufgestockt. Bildungsministerin Schavan verspricht Änderungen: Das jetzige Programm spaltet die Hochschullandschaft.

Johann Osel

Es war mal ein Anlass zum Feiern - zu 100 Prozent wurde in diesem Wintersemester die Zielmarke erfüllt, die Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) für das "Deutschland-Stipendium" festgelegt hat. Allerdings konnte sich die Ministerin über den "tollen Erfolg" nur im Kleinen freuen: gerade mal das Saarland mit seinen fünf Hochschulen hat seine Maximalzahl an Stipendien umgesetzt.

Universities Begin Winter Semester

300 Euro erhalten besonders leistungsstarke Studenten im Rahmen des "Deutschland-Stipendiums". Allerdings nur, wenn ausreichend Sponsoren aus der Wirtschaft gefunden werden - das ist bislang nicht der Fall.

(Foto: Getty Images)

Durch das Förderprogramm kommen seit einigen Semestern leistungsstarke Studenten in den Genuss von monatlich 300 Euro, die Hälfte zahlt der Bund, die andere muss von den Hochschulen in der Wirtschaft eingeworben werden. Nur dann fließt das Geld. Etwa Elektronik-Konzerne, ein Stahlproduzent, die Sparkasse und private Mäzene spenden im Saarland, alle Bundesmittel sind ausgeschöpft. Eher dürftig sieht die Bilanz dagegen nach wie vor bundesweit aus für das schwarz-gelbe Prestigeprojekt, das die Opposition schon seit dem Start als "Flop" belächelt.

Ein Viertel der deutschen Hochschulen macht gar nicht mit, andernorts werden die möglichen Bundeszuschüsse oft verfehlt - wird kein passender Spender angeworben, fließt kein einziger Euro ins studentische Portemonnaie. Wie die Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage des SPD-Haushaltspolitikers Klaus Hagemann zeigt, konnte im vergangenen Jahr nur gut die Hälfte der im Etat vorgesehenen 14 Millionen Euro investiert werden - und ein Teil davon ging gar nicht direkt an die Studenten, sondern in die Verwaltung und Werbung. Von den ursprünglich für 2011 anvisierten 9500 Stipendien (was der festgelegten Quote von einem halben Prozent aller Studenten entspricht) wurden bundesweit nur in 5300 Fällen Spender eingeworben.

Dennoch will die Koalition nicht von dem Projekt abrücken - im Gegenteil. Für 2012 wurden die Mittel im Bundesetat kräftig aufgestockt, obwohl unklar ist, ob auch diese tatsächlich abgerufen werden. "Die Stipendien-Zahlen, die wir jetzt schon erreicht haben, bedeuten eine Revolution im Vergleich zu den vergangenen Jahrzehnten. Es braucht nur ein bisschen Zeit, bis das Projekt flächendeckend an Dynamik gewinnt", sagte Annette Schavan der Süddeutschen Zeitung. Sie beobachte, dass vielerorts die Erfahrung mit Fundraising kontinuierlich wachse. Auch sei der Bund dem Anliegen der Hochschulen nach Pauschalen für die Verwaltung nachgekommen.

Uni-Chefs haben den Start des Projekts verschlafen

Tatsächlich spaltet sich die Hochschullandschaft auf: In wirtschaftsstarken Regionen wie Bayern und Baden-Württemberg gelingt das Anwerben deutlich besser als etwa in Schleswig-Holstein, wo zuletzt nur 70 der vom Bund geplanten 220 Stipendien zustande kamen; auch in den Stadtstaaten sind die Erfolge trotz renommierter Universitäten gering.

Viele Uni-Chefs hatten die ersten Semester des Projekts schlichtweg verschlafen. Der Bundesverband der Liberalen Hochschulgruppen, Befürworter der Initiative, macht zudem bei manchen Rektoren Skepsis oder gar "Verweigerungshaltung" aus. Als Hauptproblem gilt aber, dass die Hochschulen den nicht-staatlichen Anteil selbst einwerben müssen; und ihnen teils das Wissen dazu fehlt. Allerdings verbuchen manche Standorte - selbst in der Provinz, etwa die auf Nachhaltigkeit spezialisierte Hochschule im brandenburgischen Eberswalde - mehr Spender, als sie laut Quote an Bundesmitteln bekommen. Firmen wollen wohl künftige Fachkräfte frühzeitig auf sich aufmerksam machen.

Laut Gesetz existiert ein einheitlicher Wert von zuletzt knapp 0,5 Prozent der Studenten, für die pro Hochschule Bundesmittel bereitstehen, wenn die private Gegenfinanzierung vorliegt. Wirbt die Uni mehr an, gibt es dafür kein Geld aus Berlin. Ein Konstruktionsfehler des Stipendiensystems? "Wir haben damals festgelegt, dass es bundesweit feste Quoten für die Co-Finanzierung des Bundes gibt - und nicht die Nachfrage an den einzelnen Hochschulen maßgeblich ist", so Schavan. Dies habe dem Wunsch der Länder entsprochen, Strukturungleichheiten sollten nicht weiter befördert werden.

Ursprünglich wollten sich die Länder zur Hälfte an der Finanzierung beteiligen; dann jedoch stimmten sie dem System im Bundesrat nur zu, wenn der Bund den gesamten öffentlichen Anteil alleine trägt. "Wir haben nun aber nicht wenige Hochschulen im Land, die mehr Förderer einwerben, als ihnen an Bundesmitteln zusteht." Diese "Bremse" für die Entwicklung der Stipendienvergabe müsse man "überdenken", meint Schavan.

Seit Schwarz-Gelb im Koalitionsvertrag eine "Stipendienkultur" wie im angloamerikanischen Raum in Angriff genommen hat, gibt es Kritik. Das Stipendium wird unabhängig vom Einkommen der Eltern gewährt - nach Leistung oder sozialem Engagement, die Unis wählen aus. Beim Start 2010 stritten Bund und Länder zeitgleich über eine ohnehin minimale Bafög-Erhöhung. Als Förderung "einer kleinen Elite auf Kosten der breiten Masse", sehen Opposition und linke Studentenvertreter seither das Projekt. Und von den im ersten Konzept geplanten 160 000 Stipendien bis 2013 blieb nur ein Bruchteil übrig. Daraufhin wechselte man Ende 2010 den Namen, aus dem "Nationalen Stipendiensystem" wurde das Deutschland-Stipendium.

"Was als Elefant verkauft wurde, kommt jetzt als Mücke daher", poltert die SPD, die das einkommensunabhängige Fördersystem ablehnt. "Eine Konkurrenz des Deutschland-Stipendiums zum Bafög zu sehen, ist ganz und gar abwegig", entgegnet Schavan. Auch das Bafög werde laufend modernisiert, die Ausgaben dafür stiegen stetig. "Mittelfristig wünsche ich mir, dass beide als Baustein der Studienfinanzierung dienen; und nicht, dass mit einem falsch gebrauchten Bafög-Argument das Stipendiensystem lahmzulegen versucht wird. Das ist ein Grundsatzkonflikt, darüber werde ich mit der SPD auch immer streiten."

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