Streit um angemessene Besoldung:Verdienen Professoren in Deutschland genug?

Professoren können seit einigen Jahren ihr Grundgehalt mit Zulagen aufbessern. Fast schon wie Tarifpartner ringen Hochschul-Chefs und das wissenschaftliche Personal um Zulagen - denn: das Prinzip genießt Akzeptanz, umstritten aber ist die konkrete Vergabe. Nun muss das Bundesverfassungsgericht darüber urteilen, ob die neue Besoldung von Professoren eine "amtsangemessene" Bezahlung darstellt.

Johann Osel

Die Vorstellung, "dass in einer nebeligen Runde um Mitternacht heimlich isolierte Entscheidungen ausgeklüngelt werden, ist völlig falsch", sagt Marina Frost. Vielmehr seien Transparenz und Offenheit gefragt - und die ermögliche man auch. Frost ist an der Berliner Humboldt-Universität Vizepräsidentin für Haushalt; und dafür zuständig, dass Zulagen, welche die reformierte Leistungsbesoldung für Professoren vorsieht, an den Mann oder an die Frau kommen.

Professoreneinkommen

Das sind die Spitzenreiter bei der Professorbesoldung in Deutschland.

(Foto: SZ Grafik)

Begehrte Forscher können mit Prämien angelockt oder zum Bleiben überredet werden. Zudem winkt ein Plus für besondere Leistungen wie herausragendes Engagement in Forschung und Lehre, Preise oder überdurchschnittliches Publizieren. Um "besondere Leistungen" zu honorieren, startet man in Berlin daher Aufrufe: Dekane können dann Vorschläge machen, Professoren sich selbst nominieren, strategisch wählt zudem die Uni-Leitung Personen aus, die ihr auffallen.

Anreize zur Leistung sollte das neue W-Besoldungssystem setzen und durchaus auch manche Schlafmütze auf dem Professorenstuhl motivieren - das Grundgehalt wurde im Gegenzug reduziert. Die Hochschulen ermutigten um die Jahrtausendwende die Politik zu diesem Schritt, um mehr Kompetenzen bei der Gestaltung von Vergütungen zu erhalten.

Keine Faulpelze mehr an den Unis?

In Erinnerung bleibt der damalige Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Klaus Landfried, der nachdrücklich vor "Faulpelzen" an den Unis warnte. "Ein ehrgeiziger, leidenschaftlicher Wissenschaftler kann durch das System eine ganze Menge von Vorteilen haben. Und es gibt immer Perspektiven, das ausgehandelte Anfangsgehalt weiter zu verbessern", sagt Marina Frost. An ihrer Uni erkenne sie "jedenfalls nicht, dass sich Professoren gegenseitig belauern oder gar das Leistungssystem an sich verteufeln".

Seit Inkrafttreten der Reform 2005 kommt das Schema aus niedrigerem Grundgehalt in Verknüpfung mit Zulagen mehr und mehr zum Einsatz. So besoldet werden alle Professoren, die nach Januar 2005 einen Ruf angenommen haben. Noch haben die C-Berufenen die Oberhand, 2010 saßen gut 6000 Personen mehr auf alten C- als auf neuen W-Stellen. Doch setzt sich der Trend fort, knacken die W-Leute bald die 50-Prozent-Marke. Durch den Generationenwechsel in der Professorenschaft wächst also die Gruppe, die um Zulagen buhlt. Und das wird so bleiben: Falls Karlsruhe beim Grundgehalt interveniert, wird das Leistungsprinzip an sich wohl fortbestehen.

Allerdings: Sprengt eine Uni ihr Budget, indem sie eine Spitzenkraft mit üppig aufgepepptem Salär anwirbt, steht bei möglichen Zulagen für alle anderen Kräfte logischerweise weniger Geld zur Verfügung. Von "Professoren zweiter Klasse" ist teils die Rede, das Modell wird gar als "Umverteilung zwischen Spitzenkräften und Fußvolk" getadelt.

Vergabe nach Gutsherrenart

Mit Wettbewerb durch Anreize haben die Berufsverbände aber eigentlich kein Problem. Beim Deutschen Beamtenbund (DBB) heißt es, Leistungselemente könnten "die Motivation der Kollegen weiter fördern". Das Geld müsste aber, so DBB-Chef Peter Heesen, "natürlich on top gewährt werden". Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes (DHV), sagt: "Wir wollen nicht zurück zur C-Besoldung, ein flexibler Bestandteil ist schon sinnvoll." Die jetzige Form mit derart niedrigem Grundgehalt sei aber "nicht vereinbar mit dem Grundgesetz".

Zulagen würden zudem vielerorts "nach Gutsherrenart vergeben, der Verhandlungspoker ähnele oft einem nicht vorhersehbaren und nicht berechenbaren Geschacher. Das hat nichts mit Berufsbeamtentum zu tun". Die Länder hatten infolge des Bundesgesetzes Verordnungen erlassen, in denen die Hochschulen aufgefordert wurden, die Vergabe mit eigenen Regeln festzulegen. Letztere unterscheiden sich von Standort zu Standort enorm - bei den genauen Kriterien, beim Auswahlprozedere und bei den Summen, die vom Trinkgeldniveau bis zu Tausenden Euro schwanken.

Was ist eine besondere Leistung?

Das Bundesgesetz sieht Zulagen vor: bei Berufungs- und Bleibeverhandlungen, bei Funktionen etwa in der Hochschulleitung sowie für "besondere Leistungen in Forschung, Lehre, Kunst, Weiterbildung und Nachwuchsförderung." Der Sinn der ersten beiden Punkte erschließt sich schnell: Soll ein Professor angelockt oder gehalten werden, kann man ihn nun ködern. Und die Funktionszulage gleicht etwa das Amt als Dekan mit einem Obolus aus.

Heikel dagegen ist der dritte Aspekt: "Was ist eine besondere Leistung?", fragt Kempen: "800 statt 200 Klausuren zu korrigieren, einen Leibniz-Preis zu erhalten oder unzählige Doktoranden anzunehmen, mit all den seit Guttenberg wieder diskutierten Risiken?" Weitere Unstimmigkeiten nennen Kritiker immer wieder: etwa dass Professoren Halbgares am Fließband veröffentlichen, um ihre Publikationsquote und so die Chance auf Zulagen zu erhöhen. "Das Modell braucht besser entwickelte, verlässliche Zulagensysteme", meint der Bonner Jurist Wolfgang Löwer, der den nun klagenden Professor vertritt. "Alles steht und fällt letztlich mit dem finanziellen Spielraum der Universitäten."

Am häufigsten werden Zulagen derzeit beim Anwerben verwendet. Deutsche Unis können zudem zumindest versuchen, im internationalen Kampf um die Köpfe etwa mit finanzstarken angloamerikanischen Konkurrenten mitzuhalten. An der Humboldt-Uni schwört man auf Zulagen als strategisches Instrument. "Jede Berufung ist ein Stück gelebte Entwicklungspolitik der Universität", sagt Marina Frost.

Der Prozess des Aushandelns

Und dass Unis hier eigenständig handeln dürfen, wie es im Einzelfall ihrer Kultur entspreche, stütze die stets geforderte Hochschulautonomie. Konkret sei das "natürlich ein Prozess des Aushandelns, man wirft die Bälle hin und her. Eine Universität hat letztlich nicht die Möglichkeit, Summen wie in der freien Wirtschaft zu zahlen". Aber für Wissenschaftler sei die Umgebung sehr wichtig, "wir in Berlin können zum Beispiel mit der Anbindung an starke Forschungspartner punkten - und damit Gehaltsaspekte kompensieren".

Doch haben die Betroffenen den Grundgedanken überhaupt verinnerlicht, sehen sie sich in einem Wettbewerbssystem? Oder zieht gar eine Neidkultur auf? Mehrere Studien haben in jüngster Zeit die "intrinsische Motivation" deutscher Professoren betont - also den Anreiz durch die Arbeit selbst. Heißt: Viele lieben ihren Job und achten weniger darauf, wie er sich im Portemonnaie widerspiegelt. DHV-Chef Kempen sagt: "Die Befürchtungen, dass allerorten die Ellbogen ausgefahren werden, wenn es um das Schöpfen aus begrenzten Töpfen geht, gab und gibt es schon."

Jedoch habe der "innere Friede an den Hochschulen" noch nicht unter den neuen Umständen gelitten. Was wohl an der Mentalität des Standes liege: "Wir wollen wissenschaftliche Überzeugungstäter und keine Professoren, die nur um des Geldes willen engagiert sind."

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