Steigende Studentenzahlen:Die Hochschulen platzen aus allen Nähten

Auch wenn die Erstsemesterzahlen minimal gesunken sind: Die Situation an den Hochschulen bleibt noch Jahre angespannt. Von Geburtenrückgang ist vorerst keine Spur, mehr als mit 2,5 Millionen Studenten drücken die Hörsaal-Bänke. Das bringt eine Menge Probleme mit sich.

Es ist nur ein kleiner Abstieg - von der absoluten Spitze zum Hochplateau. Im Vorjahr wurde mit knapp 519.000 Erstsemestern an den Hochschulen der Einschreibrekord erzielt, diesmal sind es "nur" knapp 493.000. Das ist immer noch der zweithöchste Wert, der jemals registriert wurde.

Folgt man den aktuellen Prognosen der Kultusminister, dann wird es auch in den kommenden Jahren in vielen Seminaren und Hörsälen eng bleiben. Manch ein Finanzpolitiker wird zwar ein wenig erleichtert gewesen sein angesichts des am Freitag vom Statistischen Bundesamt gemeldeten leichten Rückgangs der Studienanfängerzahlen.

Doch ob der Zenit des jetzt seit Jahren beobachteten Anfänger-Booms tatsächlich schon überschritten ist, bleibt fraglich. Im vergangenen Jahr sorgte die Wehrpflicht-Aussetzung in der Statistik für einen zuvor nicht kalkulierbaren Ausreißer nach oben. Im nächsten Jahr entlässt aber das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen wegen der Schulzeitverkürzung seinen doppelten Abiturientenjahrgang.

Mit "Aussitzen" und "Abwarten", so mahnen Rektorenkonferenz und Wissenschaftsrat, ließen sich die Hochschulprobleme nicht bewältigen. Die Rektoren gehen übereinstimmend davon aus, dass sich die Anfängerzahlen noch ein paar Jahre lang auf einem recht hohen Niveau bewegen werden, zumal sich die Hochschulen auch für qualifizierte Berufstätige ohne Abitur öffnen sollen.

Hinzu kommt, dass Deutschland für junge Ausländer als Studienland noch attraktiver geworden ist. Im vergangenen Jahr hatten von den 519.000 Anfängern 72.500 - das sind 14 Prozent - ihr Abitur nicht in Deutschland erworben.

2006 hat die große Koalition von Union und SPD im Bund mit den Ländern einen Hochschulpakt vereinbart. Darin wurde den Ländern finanzielle Unterstützung für das Studium der geburtenstarken Abi-Jahrgänge zugesagt - und zwar 50 Prozent der Kosten pro zusätzlichen Studienplatz. Aktuell sind dies 13.000 Euro pro Student und Jahr. Dieser Pakt erschien vielen zunächst als Anachronismus - gerade angesichts des zugleich mit der Föderalismusreform von 2006 gestärken Selbstbewusstseins der Länder. Die wollen künftig alle bildungspolitischen Dinge allein - und ohne den Bund - regeln.

Das Geld wird knapp

Doch heute sprechen Gegner wie Befürworter gemeinsam von einer "Erfolgsstory" - die den Bund allerdings erheblich teurer als geplant zu stehen kommt. Denn der Ansturm auf die Hochschulen war in Wirklichkeit noch größer als damals prognostiziert: Statt der für die erste Paktphase bis 2011 vereinbarten 275.000 zusätzlichen Plätze mussten 601.000 finanziert werden.

Und auch das Geld, das für die zweite Paktphase bis 2015 beim Bund eingeplant ist, wird schon spätestens 2014 verbraucht sein. Seit Monaten ringen Bund und Länder nun um eine Aufstockung der Mittel. Allein bis 2015 soll der Bund neben der zugesagten 4,84 Milliarden Euro noch mal knapp 1,9 Milliarden Euro drauflegen. Bis 2018 wären dies sogar 3,6 Milliarden Euro mehr.

Doch nach der mittelfristigen Planung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) soll der Bildungsetat schon ab 2014 nicht mehr steigen, sondern sinken. Für den Grünen-Hochschulpolitiker Kai Gehring ist angesichts der aktuellen Anfängerzahlen auch der gerade verabschiedete Etat für 2013 schon "Makulatur".

Der Bund-Länder-Streit ums ganz große Geld verstellt ein wenig den Blick auf die konkrete Studien-Situation vor Ort. Trotz Verbesserungen auch mit den erheblichen Paktmitteln ist die Betreuungsrelation von Dozenten zu Studenten in Deutschland immer noch ungünstiger als in etlichen Nachbarländern.

Zwar wurden sehr viele Milliarden in den vergangenen Jahren in die Forschung gepumpt, doch viel weniger Geld in Lehre und Studium. Der Wissenschaftsrat brütet derzeit über neue Lösungen. Manche erwarten gar ein neues Plädoyer des Expertengremiums für bundesweite Studiengebühren. Und bei der längst überfälligen Bafög-Erhöhung für die Studierenden schieben sich Bund und Länder seit Monaten gegenseitig den Schwarzen Peter zu.

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