Stadtviertel in Hamburg:Das bekommst du hier

Studentenatlas Hamburg

In Hamburg können Studenten noch günstig wohnen. Vorausgesetzt, sie stören sich nicht an Fischgeruch und einer verruchten Nachbarschaft. Wo man ausgelassen feiert und ursprüngliches Hafenstadt-Flair bekommt - die Hamburger Stadtviertel in der Kurzkritik.

Von Moritz Herrmann und Charlotte Haunhorst

St. Pauli

Das bekommst du hier: Prostituierte, Touristen mit sehr roten Ohren, Frauen, die kichernd versuchen die Herbertstraße zu durchlaufen, Lärm, Drogen, Sexspielzeug jeglicher Art, Dönerbuden, Schummerkneipen, Live-Sexshows, eine Polizei, die wirklich alles schonmal gesehen hat, sehr süße Boutiquen im Karoviertel, den Hamburger Berg mit seinen Kneipen, Fischgeruch, Deutschlands wohl besten Ausblick aus einer U-Bahn-Station (Landungsbrücken), einen Ort, um dich wie ein Beatle zu fühlen, Olivia Jones und das Schmidts-Tivoli, Hamburgs wohl bekanntesten Club, das uebel & gefährlich (hat sogar einen Wikipedia-Eintrag), Hamburgs beste Nachtpommes (in der Kleinen Pause), kitschig picknicken am Musikbrunnen im Planten un Blomen

Das bekommst du hier nicht: Deutschlands berühmteste Tankstelle (wurde wegen Einsturzgefahr abgerissen), Verständnis, wenn du lieber lernen möchtest als rauszugehen oder sagst, dass du HSV-Fan bist, einen Blick über die Stadt, weil der Fernsehturm seit 2001 geschlossen ist

Durchschnittsmiete: 8,70 Euro/qm (über immobilienscout24.de)

Altona

(inklusive Ottensen)

Das bekommst du hier: eigentlich alles, im Sommer die Altonale Pop (dann bespielen kleine Bands und Newcomer das Stadtteilrathaus, das Museum und die Christianskirche), sich in alle Richtungen treiben lassen und immer Neues entdecken, den Altonaer Balkon (ein baumüberdachter Platz zur Elbe, auf dem ab dem frühen Abend mediterranes Gefühl entsteht, wenn die Gitarristen, die Hafenlichtschauer, die Punks und Penner, die Halbstarken und die verliebten Pärchen bei fantastischem Ausblick ihre Botellons feiern), den ersten innerstädtischen Ikea Deutschlands hinter dem Altonaer Bahnhof, Einkaufsalternativen in den Seitengassen der Ottenser Hauptstraße und im FKIDS, Käsefondue im Schweizweit, Drinks im Fundbureau oder in der Reh Bar, Arthouse und anspruchsvollem Mainstream in den Zeise-Kinos und Fatih Akin in der benachbarten Filmhauskneipe, den Markt auf dem Spritzenplatz (preisgünstiger, als man denkt), Grillen im Wohlerspark, der mal ein Friedhof war, den Geruch der Holstenbrauerei

Das bekommst du hier nicht: das Alsterhamburg, wie es in Katalogen beworben wird. Die saubere, schicke Welt des Neuen Walls ist in Altona ganz weit weg - und das ist gut so. Altona ist laut, wild, international.

Durchschnittsmiete Altona: 11,50 Euro/qm (Altona-Altstadt) und 12,10 Euro/qm (Ottensen) (über immobilenscout24.de)

Schanzenviertel/Sternschanze

Das bekommst du hier: Remmindemmi am ersten Mai und beim Schanzenfest (dann auch manchmal Leben in der Gefahrenzone), sehr guten Kuchen bei Herr Max, Hamburgs schönsten Straßennamen (Schulterblatt), interessante Boutiquen, vegane Tex-mex-Küche bei Jim Burrito's, sehr gute Eisdielen, draußen sitzen im Sommer, Poetry-Slams, Wagenburgen neben gentrifizierten Häusern, eine Kneipe, die nachts um zwei noch offen hat, Hinterhöfe, Menschen mit Glitzer im Gesicht beim Rave im Sternschanzenpark, Flohmärkte, einen Lackschaden in deinem Benz

Das bekommst du hier nicht: AfD-Wähler, Schickimicki, Verständnis, wenn du sagst, dass die deutsche Polizei meistens sehr gute Arbeit leistet, die Möglichkeit, vom Fußboden zu essen

Durchschnittsmiete Schanzenviertel: 10,70 Euro/qm (über Immobilienscout24.de)

Eimsbüttel

Das bekommst du hier: schicke Altbausubstanz mit hohen Decken und Stuck, viele Cafés und Bars und Weinläden, Latte-Macchiato-Muttis, Anzugträger und Studenten, im Sommer das Kaifu-Bad, im Winter die Kaifu-Lodge, Drinks und Bier entspannt in der 439 Bar oder feiner in der Cosy Bar. Wer seinen Umzug plant, aber kein Geld für die üblichen Transporterfirmen hat, kann beim Verein Else-Rauch-Platz das Flohmobil leihen, einen alten Mercedes 208D. Gebührenfrei, aus nachbarschaftlicher Solidarität, nur volltanken muss der Umziehende am Ende wieder, mehr nicht.

Das bekommst du hier nicht: Abenteuer, Action, Alternativität, multikulturelle Durchmischung. Für die ganz große Party muss man auf den Kiez, an den Hafen oder in die Schanze, in Eimsbüttel kann man vorglühen, wohnen, leben - aber sich nicht zerleben.

Durchschnittsmiete Eimsbüttel: 10,80/qm (über: immobilienscout24.de)

Eppendorf

Du bekommst du hier: teure Boutiquen, noch teurere Boutiquen für Kinderklamotten, sowieso diverse Kinderwägen, Latte Macchiato, bilinguale Schulen, Spazierengehen am Mühlenteich, Fischkopp-Schokolade mit Salzgeschmack bei Schokovida, das Uniklinikum, das Eppendorfer Landstraßenfest, Menschen, die sich Bio-Lebensmittel in mitgebrachte Boxen abfüllen lassen, Familienidylle

Das bekommst du hier nicht: günstige Wohnungen, eine alternative Szene, Verständnis, dass du dir gerne McDonald's reinziehst

Durchschnittsmiete: 13,00 Euro/qm (über immobilienscout24.de)

Perlohrring-Mädchen und Arbeiterviertelambiente

Winterhude

Das bekommst du hier: alternatives Theater im Kampnagel, Kanäle zum Bötchenfahren, den Stadtpark, Sterne gucken im Planetarium, einen See zum Baden, einen Eisbären (allerdings aus Stein), einen Nachtclub für Hemdenträger und Perlohrring-Mädchen (Club du Nord)

St. Pauli, Hamburg

Vorsicht vor allzu überschwänglichem Polizisten-Lob in Hamburg - Ordnungshüter haben dort nicht überall Freunde.

(Foto: dpa)

Das bekommst du hier nicht: das Gefühl, in der Großstadt zu leben

Durchschnittsmiete: 11,40 Euro/qm (über immobilienscout24.de)

Barmbek

Das bekommst du hier: solides Arbeiterviertelambiente, rote Backsteine, Klinker und Kneipen, die noch Namen haben wie Drossel, Schwalbe, Kult, und das seit zwanzig Jahren oder länger, die beste U-Bahn-Kneipe (Metrobar, U Dehnhaide), den besten Amateurverein der Stadt (USC Paloma, in der Brucknerstraße), den kleinsten und hässlichsten Park der Stadt (hinter McDonald's in der Fuhlsbütteler Straße - so klein und hässlich, dass er nicht mal einen Namen hat), die Kanäle, die das Viertel in alle Richtungen durchziehen (am besten mit dem Kanu erkunden), den Flohmarkt auf dem Gelände vom Museum der Arbeit (hier kann man sich, hat man eine Wohnung in Barmbek gefunden, gut einrichten)

Natürlich wird und ist auch Barmbek mittlerweile gentrifziert, aber der Wandel springt einen noch nicht aus jeder Seitenstraße an. Der Stadtteil drängt sich um den Barmbeker Bahnhof, hier beginnt der Tag und hier endet die Nacht. Das letzte Bier unbedingt an der Grenze zu Winterhude im Glaskasten trinken, den ersten Kaffee im Käthners 23.

Das bekommst du hier nicht: Kulturoverkill (Kinos gibt es nur in den angrenzenden Stadtteilen), Galerien (einzig das Museum für Arbeit zeigt manchmal interessante Fotoausstellungen). Kulinarisch pendelt das Viertel zwischen Döner und deutscher Hausmannskost. Für exotischere Sachen muss man raus aus Barmbek.

Durchschnittsmiete: 11,40 Euro/qm (Barmbek-Süd), 10,20 Euro/qm (Barmbek-Nord) (über: immobilienscout24.de)

Harvestehude und Rotherbaum

Das bekommst du hier: Uninähe, Tennis, Medienfuzzis, den Bahnhof Dammtor, Alsterjoggen, Altbauten, Konsulate, das studentische Grindelviertel mit Hamburgs bestem Kino (Abaton), koscheres Essen, Grünflächen zum Picknicken, überdurchschnittlich viele Radfahrer, Jan Delay und Tim Mälzer beim Einkaufen, einen guten Blick über die Stadt von der Mensa Philosophenturm aus

Das bekommst du hier nicht: eine gute Kneipe in Harvestehude (dann rüber nach Rotherbaum in die Pony Bar), einen Parkplatz

Durchschnittsmiete: 11,90 Euro/qm (Rotherbaum), 14,50 Euro/qm (Harvestehude) (über immobilienscout24.de)

St. Georg

Das bekommst du hier: Hamburgs früheres Problemviertel (sollte sogar mal abgerissen werden), Prostitution, das Hotel Atlantic mit seinem berühmtesten Bewohner (Udo Lindenberg), eine Straße voller Altbauten mit zahlreichen individuellen Läden und Ateliers ("Lange Reihe"), Hamburgs Homosexuellen-Szene, Backpacker, vielfältiges Essen, Hauptbahnhof-Flair, das schöne Museum für Kunst und Gewerbe

Das bekommst du hier nicht: einen Heimweg, ohne angequatscht zu werden

Durchschnittsmiete: 12,70 Euro/qm (über immobilienscout24.de)

Wilhelmsburg und Veddel

Das bekommst du hier: Wasser und Wahnsinn, Brache und Barhopping, Gerüchenebel auf der Straße, weil oft drei verschiedene Nationen nebeneinander kochen und braten und frittieren, afrikanische Friseure, türkischen Kebab, portugiesischen Kaffee (z.B. im Café Seu), Joggen am Veringkanal neben der Honigfabrik und danach ein eiskaltes Astra in der Tonne oder in der Wunderbar, Kunst - überall (manchmal taucht sie einfach so auf, in Pop-Up-Stores, oder sie bleibt als Installation an irgendeiner Straßenecke, um die sich fast keiner kümmert), Spontankino an Häuserwänden auf den Brachen an den Elbläufen, das Dockville-Wochenende im August

Die größte Flussinsel Europas hat in den vergangenen Jahren einen erstaunlichen Boom hingelegt, trotzdem sind die Mieten noch bezahlbar. Lange waren Wilhelmsburg und die Veddel verschrien als Migrantenviertel, Schlägerkieze, Problembezirke. Das gilt zwar alles nach wie vor, aber nun stehen auf dem S-Bahn-Steig an einem Montagmorgen auch so viele Studenten, dass man mit ihnen ein ganzes Auditorium füllen könnte. Wilhelmsburg wurde zwangsweise hipsterisiert, weil es billiges Wohnen erlaubt.

Das bekommst du hier nicht: kernsanierte Wohnungen, deutsche Küche, Yuppies, mal eben ein Taxi in die Innenstadt. Die Insel ist über S-Bahn (Veddel und Wilhelmsburg) an Hamburg angebunden, zu Fuß über die dreispurigen Elbbrücken aber eigentlich unerreichbar. Und: keine Sicherheit nach Sonnenuntergang. Ist zwar auch ein Klischee, aber mit wahrem Kern.

Durchschnittsmiete Wilhelmsburg: 8 Euro/qm (Wilhelmsburg) und 7,70 Euro/qm (Veddel) (über immobilienscout24.de)

Alle Mieten abgerufen am: 17. Oktober 2014

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