Sprachunterricht an indischen Schulen:Hindi, Englisch, Deutsch

Sprachunterricht an indischen Schulen: Kleine Revolution: An 1000 indischen Schulen soll bis 2017 Deutsch unterrichtet werden. (Bild: indische Schüler beim Gebet)

Kleine Revolution: An 1000 indischen Schulen soll bis 2017 Deutsch unterrichtet werden. (Bild: indische Schüler beim Gebet)

(Foto: AFP)

Germanisten am Ganges: Bis zum Jahr 2017 sollen bis zu einer Million indische Kinder Deutsch in der Schule lernen. Manche träumen bereits vom Studium in Europa.

Von Katja Hanke

Es geht um Einfaches, um die Zimmer in einem typischen Haus. Kavitha Janarthan will die Namen der Räume einüben und stellt ihrer siebten Klasse jede Menge Fragen. Die Deutschlehrerin trägt einen leuchtend gelben Sari, ihre langen Haare sind zu einem buschigen Zopf zusammengebunden. Zwischen die Augenbrauen hat sie sich einen roten Bindi-Punkt gemalt. Ein Indien-Bild, wie es in Reisekatalogen gemalt wird. Aber Realität.

Janarthan hält ein Foto aus einem Möbelkatalog hoch und sagt: "die Küche". 25 Kinder in rot-blau karierten Schuluniformen blicken auf das Bild einer funkelnden Einbauküche und sprechen nach: "die Küche". Dann "das Wohnzimmer", "das Bad", "das Arbeitszimmer". Die Bilder sehen luxuriöser aus als der Klassenraum, die Ventilatoren an der Decke stehen still. Stromausfall, wie fast jeden Tag in dieser indischen Schule. Seit zwei Jahren lernen hier Kinder Deutsch, zweimal 35 Minuten pro Woche.

Was wie alltäglicher Unterricht aussieht, ist jedoch eine kleine Revolution. Es ist Teil eines ambitionierten Projekts: An 1000 indischen Schulen soll bis 2017 Deutsch unterrichtet werden.

Deutsch machte das Rennen

Die Schule in Avadi, 30 Kilometer außerhalb der südindischen Metropole Chennai, gehört zum staatlichen Schulverband namens Kendriya Vidyalaya, kurz KV. Diese Schulen sind für die Kinder von Regierungsangestellten gedacht, die regelmäßig innerhalb Indiens versetzt werden. Die Schule in Avadi gehört zu einem Luftwaffenstützpunkt, nur Kinder der Armeeangehörigen dürfen sie besuchen. 1000 KV-Schulen gibt es in ganz Indien - einige davon stehen auch anderen Kindern offen.

Neben den Amtssprachen Hindi und Englisch war Sanskrit bisher die einzige Sprache im Lehrplan. Bis vor zwei Jahren. Da beschloss das Ministerium, Fremdsprachen einzuführen. Doch nicht Französisch oder Chinesisch hat das Rennen gemacht - sondern Deutsch. Etwa 300 KV-Schulen unterrichten schon Deutsch, als Wahlpflichtfach in der sechsten bis achten Klasse. Bis Ende 2017 sollen es alle eintausend sein. Und eine Million Kinder sollen über Grundkenntnisse in Deutsch verfügen.

Gelandet haben diesen Coup das Goethe-Institut und das Auswärtige Amt. Schon durch eine andere Initiative hatte man Vorarbeit geleistet, Lehrer ausgebildet, Klassenzimmer ausgestattet. Daraus entstand die Idee, an allen KV-Schulen Deutsch einzuführen und das finanziell zu fördern. Die Offensive ist Teil einer breiten Strategie der Deutschen, die Beziehungen zu Indien zu vertiefen und gut qualifizierte Inder anzu werben.

"Für deutsche Unternehmen ist Indien einer der zentralen Zukunftsmärkte", sagt Michael Steiner, deutscher Botschafter in Neu-Delhi. "Schon jetzt besteht ein großer Bedarf an Deutsch sprechenden indischen Fachkräften." Diese gingen bisher aber lieber in die USA oder nach England. Das solle sich ändern: Wer als Kind ein wenig Deutsch lernt, wird nicht mit der Sprache fremdeln, wenn es später um einen Studienplatz oder Job in Deutschland geht, hofft man.

Mit einer großen Bildungsoffensive zielt das Goethe-Institut weltweit auf die Stärkung des Deutschen, etwa in Russland. In EU-Krisenländern gibt es ohnehin einen Deutsch-Boom, junge Leute erhoffen sich Perspektiven.

Der Traum von Deutschland

So weit ist es in Janarthans Klasse noch nicht, die Schüler sind um die zwölf Jahre alt. Nun sollen sie über die einzelnen Zimmer sprechen. "Wie ist das Wohnzimmer", fragt die Lehrerin. Die Kinder schauen auf das Foto: ein heller, großer Raum mit einer roten Designer-Couch und Fenstern bis zum Boden. "Klein", ruft ein Junge. Alle lachen. "Nein, groß", korrigiert ein anderer. Die Kinder sollen nun die Fotos mit passenden Wörtern auf Papier kleben. Sie schwätzen und scherzen, hantieren mit den Klebestiften, ziehen sich die Bilder gegenseitig aus den Händen. Viele Kinder, die hier Deutsch lernen, träumen sehr wohl schon davon, später in Deutschland zu studieren.

Wie Akshay. Was genau, weiß er noch nicht. "Bei Deutschland denke ich an das Fußballteam und an Schnee, den ich sehr mag", sagt er. Andere Inder denken oft an Technik und tolle Autos. Deshalb möchten sie Maschinenbau oder Ingenieurwesen studieren. "Auch in Indien hat Deutsch berufliche Vorteile", sagt Lehrerin Janarthan. Vor allem in Chennai, wo Daimler Lastwagen und Limousinen produziert. Sie weiß aber noch einen anderen Grund, warum die Kinder gern Deutsch lernen: "Sie freuen sich einfach, dass sie nicht mehr Sanskrit lernen müssen, das ja nicht mehr gesprochen wird."

Viele Lehrer wollen nicht in Kleinstädten arbeiten

Früher war Janarthan Lehrerin für Wirtschaft. Aus Interesse besuchten sie einen Sprachkurs am Goethe-Institut und sattelte um. Zum richtigen Zeitpunkt - der Bedarf ist größer denn je. "Deutsch an 1000 Schulen", das bedeutet auch: 1000 Lehrkräfte müssen her. Sie zu finden, ist nicht einfach. Den größten Teil bildet das Goethe-Institut selbst aus - in fünfmonatigen kostenlosen Sprachkursen. Auch in Chennai, der Hauptstadt des Bundesstaates Tamil Nadu, läuft momentan einer. Demnächst werden zwölf Absolventen in den Beruf einsteigen, die Schulen warten schon auf sie.

In Tamil Nadu werde schon an 17 von 43 KV-Schulen Deutsch unterrichtet, berichtet Prabhakar Narayanan. Er leitet die Sprachabteilung am Goethe-Institut in Chennai. "Mein Ziel ist es, bis Ende 2013 an allen Schulen im Bundesstaat Deutsch zu haben", sagt er. Es gibt allerdings ein Problem: Viele Lehrer wollen nicht in den Kleinstädten arbeiten. Die meisten Schulen befinden sich aber genau dort. Auch deswegen sind die Anforderungen relativ niedrig, die nötige Grundstufenprüfung für Lehrer erbringt den "Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse".

Lehrer wie Arjun Parthasarathy sind da eine Seltenheit. Er spricht fast perfekt Deutsch. Der 25-Jährige, ein legerer Typ in grauen Jeans, ist eigentlich Ingenieur, wollte aber lieber mit Kindern arbeiten. Seit zwei Jahren unterrichtet er an einer Schule im Zentrum der Stadt - auch sie gehört zum Verband KV, akzeptiert anders als die Schule beim Armeestützpunkt aber auch Kinder, deren Eltern nicht Staatsdiener sind. "Bei uns kommen viele Kinder aus sehr bescheidenen Verhältnissen", sagt er. "Ihre Eltern können noch nicht einmal richtig lesen und schreiben. Für diese Kinder ist Deutsch etwas wirklich Außergewöhnliches. Und davon sind sie begeistert."

Zeigefinger schießen in die Höhe

In seiner sechsten Klasse geht es gerade um grundlegende Konversation: Wie alt bist du? Hast du Geschwister? Parthasarathy spricht sehr laut und schafft es, 43 Kinder zu fesseln (eine übliche Klassengröße für weniger elitäre Schulen). Stellt er eine Frage, hebt er am Ende die Stimme und schaut die Kinder mit strahlenden Augen an. Zeigefinger schießen in die Höhe, manche Kinder hält es kaum auf den Bänken, alle wollen antworten. Ein Traum für jeden Lehrer, der Unterricht macht Spaß.

"Es ist gut, ihnen die Sprache so früh beizubringen", sagt Parthasarathy. "In diesem Alter sind sie noch sehr begeisterungsfähig." Manche Schüler seiner ehemaligen achten Klasse, sagt er, waren so begeistert, dass sie auch jetzt noch weiter lernen, in der Freizeit. Vielleicht finden einige von ihnen tatsächlich den Weg nach Deutschland.

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