Sicherheit im Straßenverkehr:Darauf sollten Eltern beim Schulweg achten

Schneefall in München

Kinder auf dem Schulweg: eine Herausforderung für alle Verkehrsteilnehmer - vor allem im Winter.

(Foto: dpa)

Schulanfänger sind auch Verkehrsanfänger. Wie Eltern ihre Kinder für den Straßenverkehr trainieren - und warum helle Kleidung in den dunklen Wintermonaten nicht reicht.

Von Dorothea Grass

Ampel, Zebrastreifen, Bushaltestelle - der Schulweg ist für Grundschüler eine Herausforderung. Besonders im Winter, wenn es spät hell und früh dunkel wird, birgt die Strecke von der eigenen Haustür bis zum Schultor Gefahren. Süddeutsche.de hat mit Christian Schlitter, Polizeioberkommissar und Leiter der Jugendverkehrsschule bei der Verkehrspolizeiinspektion München, gesprochen: Fragen und Antworten zum Schulweg.

Ab wann können Kinder den Straßenverkehr richtig einschätzen?

Erwachsene können den Straßenverkehr allein aufgrund ihrer Körpergröße besser überblicken; sie unterschätzen häufig die Einschränkungen von Kindern. "Eltern sollten einfach einmal in die Hocke gehen, wenn sie die Straße überqueren", rät Polizist Schlitter. Der veränderte Blickwinkel lässt Fahrzeuge und andere Objekte größer erscheinen - dahinter befindliche Autos sind plötzlich nicht mehr sichtbar.

Kinder sind im Straßenverkehr aber nicht nur wegen ihrer Größe, sondern auch in Bezug auf ihre geistige und physiologische Entwicklung im Nachteil. "Kinder erkennen noch keine Gefahren", sagt Schlitter. Dass Autos wegen Glätte beispielsweise längere Bremswege haben, könnten Kinder im Grundschulalter noch nicht erfassen.

Der wichtigste Punkt ist also, Kindern ein Gefahrenbewusstsein mitzugeben - und zwar mit plakativen, nicht erklärenden Ratschlägen. "Von Gefahren halte ich mich fern", diesen Merksatz sollten Kinder verinnerlicht haben, wenn sie alleine im Straßenverkehr unterwegs sind. Es mag paradox klingen: Auch ein Auto sei per se eine Gefahr, sagt Oberkommissar Schlitter, von der Kinder sich in erster Linie fernzuhalten haben.

Der Bildungswissenschaftlerin Maria Limbourg von der Universität Duisburg-Essen zufolge sind das Wahrnehmungs- und Konzentrationsvermögen sowie die psychomotorischen Fähigkeiten von Kindern erst im Alter zwischen acht und zehn Jahren ausgebildet. Mit etwa zehn Jahren können sie Geschwindigkeit und Entfernung "einigermaßen realistisch" einschätzen, so die Expertin. Die geistige Entwicklung zum Verständnis des Straßenverkehrs dauere bis zum zwölften Geburtstag an.

Was gibt es an der Ampel zu beachten?

Beim Warten an der Ampel sollten Kinder mindestens einen halben Meter Abstand zur Fahrbahn halten. Schaltet sie auf Grün, ist das aber noch nicht das Zeichen zum Losgehen - vor dem Überqueren der Straße gilt auch an der Ampel der Grundsatz, erst in beide Richtungen zu schauen. Denn: "An vielen Ampeln haben rechtsabbiegende Fahrzeuge zur gleichen Zeit Grün", warnt Schlitter.

Was gilt am Zebrastreifen?

"Links - rechts - links" - diese Faustregel dient auch diesem Zweck: Kinder sollen lernen, am Zebrastreifen stehen zu bleiben und nicht draufloszustürzen, im Vertrauen darauf, dass die Autos schon anhalten werden. In Verkehrssicherheitstrainings gibt Polizist Schlitter den Schülern einen eindeutigen Rat: "Du gehst rüber, wenn das Auto steht!" Von Zeichenkontakt mit Autofahrern warnt er: "Die Gesten der Autofahrer sind für Kinder schwer einzuordnen." In der Straßenmitte sollten die Kinder noch einmal in beide Richtungen schauen, um sich zu vergewissern, dass auch die Autofahrer auf der anderen Fahrbahnhälfte gehalten haben beziehungsweise die Straße frei ist.

Ab wann können Kinder mit dem Fahrrad zur Schule fahren?

Für den Gesetzgeber sind Kinder Fußgänger: Bis zum Alter von acht Jahren müssen sie mit ihrem Rad auf dem Gehweg fahren, zwischen acht und zehn Jahren dürfen sie sowohl den Gehweg als auch die Straße oder den Radweg benutzen. Ab dem Alter von zehn Jahren spricht das Gesetz vom "mündigen Radfahrer", so Schlitter - das Kind muss dann entweder Straße oder Radweg benutzen.

Eine allgemeine Regelung, ab welchem Alter Kinder alleine mit dem Fahrrad zur Schule fahren dürfen, gibt es nicht. Grundsätzlich empfiehlt Schlitter, die Kinder erst nach absolvierter Radfahrausbildung, wie sie an bayerischen Grundschulen Standard ist, mit dem Fahrrad zur Schule fahren zu lassen. "Unter sieben Jahren sollten Kinder noch nicht alleine mit dem Fahrrad unterwegs sein."

Verschlafen? Jetzt bloß nicht hetzen

Welche Grundregeln sollten Eltern in Sachen Schulweg beherzigen?

  • Richtiges Verhalten trainieren

Der zukünftige Schulweg sollte mehrere Male abgelaufen werden, zu verschiedenen Tageszeiten, zu Verkehrsstoßzeiten, und erneut, wenn Baustellen den Weg verändern. "Nehmen Sie Ihr Kind an die Hand und lassen Sie es erklären, was in den jeweiligen Situationen zu tun ist. So können Sie schneller auf Wissenslücken eingehen", rät Verkehrspolizist Schlitter. Ob die Regeln verstanden und verinnerlicht wurden, können Eltern überprüfen, indem sie ihre Kinder auf dem Schulweg beobachten. In einem Gespräch sollte danach Feedback gegeben werden, was bereits gut klappt und an welchen Stellen die Kinder noch besser aufpassen müssen.

  • Risiken vermeiden & Vorbild sein

Kinder in Städten müssen sich zwischen vielen Autos und Fahrrädern bewegen. Umso wichtiger ist es, ihnen einzuschärfen, welche Risiken sie vermeiden sollten. Zwischen parkenden Autos hindurchzuschlüpfen, kann genauso gefährlich sein, wie einen viel befahrenen Radweg zu kreuzen. "Grundsätzlich sollten Kinder nur an Ampeln oder Zebrastreifen eine Straße überqueren und dafür gegebenenfalls auch einen Umweg in Kauf nehmen", sagt Schlitter.

Wiederholtes Trainieren zum richtigen Verhalten im Straßenverkehr, zum Beispiel während eines Spaziergangs, mögen zwar für beide Seiten ermüdend sein, sind aber alternativlos. "Reden Sie das Thema nicht leicht." Außerdem lernen Kinder durch Nachahmen - Eltern sollten im Straßenverkehr also Vorbild sein. Auch wenn die Ampel seit Minuten rot und weit und breit kein Auto in Sicht ist.

  • Für Sichtbarkeit sorgen

"Das A und O ist das Gesehenwerden", sagt Schlitter - das gilt besonders jetzt im Winter. Helle Kleidung reicht nicht. "Ab einer Entfernung von etwa 30 Metern spielt es keine Rolle mehr, ob ein Fußgänger helle oder dunkle Kleidung trägt", so der Verkehrsexperte. Er empfiehlt Eltern, Reflektoren an Kleidung und Schulranzen ihrer Kinder anzubringen. "Im Idealfall werden vier Reflektorbänder jeweils um Arm- und Fußgelenke geheftet. So erkennen Autofahrer am besten, wenn Kinder am Straßenrand unterwegs sind." Auch LED-Leuchten, wie sie zum Beispiel von Radfahrern genutzt werden, eignen sich, um Sichtbarkeit zu schaffen.

  • Ruhe vermitteln

Ob nun die Eltern verschlafen haben oder das Kind zu lange rumgetrödelt hat - Eile und Hektik sind die falsche Reaktion. Kinder sollten wissen, dass auf dem Schulweg die gewohnten Verkehrsregeln eingehalten werden müssen, auch wenn sie dadurch möglicherweise noch später kommen.

Wie wichtig das richtige Zeitmanagement ist, verdeutlicht ein Zeichentrickfilm der baden-württembergischen Polizei. Ihren Schulranzen sollten Kinder idealerweise am Vorabend packen, damit im Zweifelsfall am Morgen genug Zeit bleibt, um noch Fehlendes zu besorgen. Eine saubere Turnhose? Ein ausgespültes Marmeladenglas fürs Bastelprojekt? Manchmal sind es die kleinsten Dinge, die Hektik verbreiten - und zur Gefahrenquelle werden können.

Tipps für Infobroschüren, Links und Lernmaterial:

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: