Die Dauerurlauberin In der letzten Vorlesung sitzt sie schon in den Startlöchern. Links neben ihr auf dem Sitz thront der zum Bersten gefüllte Backpacker-Rucksack. Rechts liegt das Bündel aus Schlafsack, Gaskocher und Maxi-Taschenlampe. Strohhut auf dem Kopf, Sonnenbrille im Ausschnitt, Flugticket in der Hand - sie ist bereit für drei Monate Tingeltour durch aller Herren Länder. Gemeine Urlaubsregionen wie Adria oder Côte d'Azur stehen bei ihr natürlich nicht auf dem Programm. Sie zieht es in die Ferne, je ursprünglicher und untouristischer das Ziel desto besser. Auf Postkarten dürfen Eltern und Freunde nicht hoffen ("Wie spießig ist das denn!?"), dafür kehrt sie mit jeder Menge folkloristischem Tand für die Daheimgebliebenen zurück. Natürlich nicht vor dem letzten Tag der Semesterferien. (Johanna Bruckner)
Der Gammler Wenn seine WG-Mitbewohner aus den Semesterferien zurückkehren, stellen sie mit einer Mischung aus Horror und Faszination fest: Der Gammler hat die Wohnung seit dem ersten Ferientag nicht verlassen. Dafür ist es ihm gelungen, mithilfe leerer Pizzakartons den schiefen Turm von Pisa im Flur nachzubauen. "Du ich hab' da noch ein paar Sachen im Kühlschrank, die du gerne essen kannst!" - wer sich mit diesen Worten zum Backpacken nach Kambodscha verabschiedet hatte, erlebt in der WG-Küche die nächste böse Überraschung. Die Sachen liegen noch immer unangerührt an ihrem Platz. Doch als der Gammler auf wütendes Klopfen hin seine Zimmertür öffnet, erstrahlt sein bleiches Gesicht - zumindest für einen kurzen Moment: "Ich dachte, du wolltest Backpacken in Kambodscha?! Was - die Ferien sind schon vorbei!?" Lange böse sein kann man bei so viel Verpeiltheit nicht. Ohnehin perlt jegliche Kritik am Gammler ab: der schiefe Turm von Pizza - "Voll krass, oder!?", der schimmelüberwucherte Brokkoli - "Mann, den Kühlschrank hab' ich doch gar nie aufgemacht ..." und die vertrocknete Pflanze auf der Fensterbank - "Boah, sorry, Alter, ich dachte echt, die ist aus Plastik!". Da hilft nichts, als den Gammler schleunigst an die frische Luft zu setzen und sich an die Arbeit zu machen. (Violetta Hagen)
Die Bib-Touristin Sei es, weil sie diese eine Klausur nicht geschafft hat oder weil sie Hausarbeiten schreiben muss - die Bib-Touristin verbringt ihre Semesterferien an ihrem angestammten Platz in der Uni-Bibliothek. Obwohl die in diesen Wochen wie ausgestorben daliegt und plötzlich freie Spind- und Arbeitsplatzwahl herrscht: Sie ist jeden Morgen eine Viertelstunde vor der eigentlichen Öffnungszeit da und wird vom Hausmeister beim Aufschließen mit Namen begrüßt. Sie genießt diese Ruhe, diesen Frieden, diese einschläfernde Stille ... Tatsächlich schlägt ihre Stirn meistens schon gegen Mittag auf der Tischplatte auf. Ein Kaffee vom Automaten, ein Schokoriegel hinterher und weiter geht's im Lernmarathon. Ablenkung verspricht Facebook, wo die Bib-Touristin neidisch die Urlaubsfotos ihrer Kommilitonen bewundert. Alle scheinen am Strand zu liegen, während sie in staubigen Büchern blättert und Zitate markiert. Je länger die Semesterferien dauern, desto lustloser schleppt sie sich in die Bibliothek. Immerhin vergisst sie dort, dass draußen Sommer ist - bis zu ihrem Tisch dringt kein Sonnenstrahl vor. (Karin Janker)
Der Praktikumsstreber Sein Karriereplan steht seit der Grundschule. Mit 23 der erste Job (bei einem Top-Unternehmen, "versteht sich"), mit spätestens 30 eine Leitungsfunktion (anvisiertes Jahresgehalt nicht unter 130.000 Euro, "versteht sich"). Dann gehobenes Management (35), eigene Firma (40), erste Million (45), Ausstieg und Privatierdasein (Ende 40). Für Semesterferien bleibt da natürlich keine Zeit. Sommer, Sonne, Erholung? Kinderkram! Für ihn ist jedes Praktikum ein Pflichtpraktikum, schließlich gilt es, die eigenen hard skills ("Gibt es andere?") zu erweitern, den Lebenslauf aufzupolieren ("Names, names, names!") und Kontakte zu knüpfen. Deshalb geht er auch nicht mit den anderen Praktikanten in die Kantine, sondern schließt sich der Chef-Riege zum Lunch an. Dort fällt er gar nicht weiter auf, denn Anzug und Einstecktuch sind für ihn die Semesterklamotte der Wahl. Dress for success. "Versteht sich." (Johanna Bruckner)
Mamas Liebling Sobald die letzte Vorlesung des Semesters vorüber ist, zieht es ihn heim - in sein altes Kinderzimmer. Zu den Eltern, den Freunden von früher und Mamas Kochkünsten. Hier kann er den ganzen Uni-Stress vergessen und endlich wieder Kind sein. Denn so ein Studentenleben ist manchmal doch ziemlich hart mit all dem Erwachsenenkram, um den man sich kümmern muss. Also lässt er sich im Schoße seiner Familie so richtig verwöhnen. Regelmäßige Besuche bei seiner Oma, die ihn mit seinem Lieblingskuchen füttert und ihm ein Scheinchen zusteckt, inklusive. Abends hängt er mit den Leute aus der Schule ab, seinen besten Kumpel Max kennt er schon seit dem Kindergarten. Bei ihm kann er sich ausheulen über die Uni-Stadt, in der alles so fremd ist, und über die Mitbewohner in seiner WG, die ihn ständig zum Putzen ermahnen. Am Ende der Semesterferien bleibt nur ein Trost: Mama hat ihm seinen Rucksack vollgepackt mit Keksen, selbstgemachter Marmelade und vorgekochtem Gulasch für die kommenden zwei Wochen. (Karin Janker)
Die Philanthropin Ihr großes Vorbild ist Angelina Jolie. Nein, nicht wegen dieser Lippen und dem Typ an ihrer Seite. Sondern weil sie so viel Gutes tut. Und, okay, dabei ein aufregendes Leben führt. Das wünscht sich auch die Philanthropin und nutzt die Semesterferien, um Hilfsprojekte zu unterstützen. Mal baut sie in Kamerun ein Buschkrankenhaus mit auf, mal unterrichtet sie benachteiligte Kinder in einem nepalesischen Bergdorf. Via Facebook hält sie ihre Freunde über ihr aktuelles Charity-Vorhaben auf dem Laufenden. Das beginnt mit einem Foto aus der Tropenarztpraxis: "Iiiihhh ... Spritzen! Aber für die gute Sache nimmt man ja gerne Schmerzen auf sich." Und endet mit einem Selfie im Kreise dankbar strahlender Kinderaugen. Ihr Dauerlächeln gefriert ihr nur bei einer Frage: "Warum machst du nicht einfach mal was hier - liest Senioren vor, oder so?" (Johanna Bruckner)
Der Malocher Er hatte seinen ersten Ferienjob mit 14 - um sich endlich das heißersehnte Mofa zu kaufen. Damit wurde er in seiner Dorf-Clique zum King, seither hat er jeden Sommer durchgeschuftet. Der Malocher ist sich für keine Arbeit zu schade, er hat schon alles gemacht: In der lokalen Wurstfabrik Schweinedärme durchgespült, Bierkästen für die Dorfbrauerei ausgeliefert und morgens um vier in der Backstube den Ofen angeschmissen. Die Studentenstadt mit ihren Kneipen ist ein Paradies für den Malocher, hier verdient sich das Geld fast von selbst. Und seien wir mal ehrlich, hinter der Bar sieht man so viel cooler aus als in einer Schlachterschürze. In den Semesterferien reicht das aber natürlich nicht, es müssen ein, zwei Zusatzjobs her. Damit macht er den - aus seiner Sicht: faulen - Freunden gerne ein schlechtes Gewissen: "Mallorca? Nee du, ich stand den ganzen Sommer am Band ..." Auch wenn er die Ferien durchgeschuftet hat, mit Geld wirft der Malocher nie um sich. Er spart emsig, um sich seinen ganz großen Traum zu erfüllen: ein eigenes Auto. Denn mit großer Enttäuschung musste er feststellen - Mofas sind in der Stadt so gar nicht angesagt. (Violetta Hagen)