Schwäbisch für Anfänger:Dr Schwob schwätzt fei so

"Ha noi" hat hier nichts mit Vietnam zu, die Kehrwoche ist eine ernste Angelegenheit und Lkw gibt es beim Metzger. Wer zum Studium nach Tübingen zieht, sollte sich mit den sprachlichen Gepflogenheiten auseinandersetzen. Ein Glossar für Neu-Schwaben.

Von Johanna Bruckner, Tobias Dorfer und Dorothea Grass

Adele: Im hochdeutschen Sprachgebrauch ist Adele ein Vorname. Nur nicht im Schwäbischen. "Ade" heißt da "Auf Wiedersehen". Und weil dem sprechfaulen Schwaben Wörter generell besser von der Zunge gehen, wenn sie auf "le" enden, verabschiedet er sich von einer ihm bekannten Person eher mit dem Wort "Adele" als mit "Tschüss". Mit Verniedlichung hat das "le" am Ende übrigens nur bedingt etwas zu tun.

Äffle und Pferdle: Was in der griechischen Mythologie das Orakel von Delphi ist, sind in Baden-Württemberg Äffle und Pferdle. Ihre Kurz-Auftritte im dritten Fernsehprogramm zwischen Werbung für Jacobs-Kaffee und Wüstenrot sind Kult. Auch wegen Weisheiten wie dieser:

Äffle: "Gell, Sahne muaß mr schlaga!?"

Pferdle: "Jo, abr bloß, wenn se ned freiwillig uff da Kucha nuffgoht."

Älls (äll dag, äll bod): Der Schwabe sagt nicht "manchmal", er sagt "älls". Zum Beispiel so: "I han in de Heffezopf älls scho Rosine nei do". Übersetzt: "Manchmal backe ich meinen Hefezopf mit Rosinen." Im Unterschied zu "älls", bedeutet "äll dag" ständig beziehungsweise immer. So auch "äll bod" - wobei dieser Ausspruch eine gewisse Genervtheit impliziert: "Äll bod muss i hinder Ihnä herreima!", lautet eine gängige Beschwerde ("Ständig muss ich hinter Ihnen herräumen!"). Unordnung kann der Schwabe nicht ausstehen. Ordnung muss sein. -> Kehrwoche

bache: Übersetzt man den Begriff wörtlich, so bedeutet "bache" einfach nur backen (-> Gutsle). Aber Vorsicht: "Der isch nemme ganz bache" heißt so viel wie "Der ist nicht mehr ganz dicht." Nicht ganz knusper eben. Eines der vernichtendsten Urteile, das der back- und genussfreudige Schwabe fällen kann.

Bäbb: Könnte einem zugezogenen Studenten in Tübingen begegnen, wenn er im Seminar neben einer Schwäbin sitzen. Bäbb ist kurz und Schwäbisch für Klebestift. Nun sind Bastelaufträge an der Uni eher selten, aber merke: Ein Pfadfinderrucksack ist nichts gegen das "Mäpple" einer schwäbischen Kommilitonin.

Bagasch: Ein beliebter und aus dem Französischen entlehnter Begriff. "Baggage" bedeutet Gepäck, meint also das, was man so mitschleppt. Da die Schwaben gerne im Rudel auftauchen, haben sie dann eben ihre "Bagasch" dabei. Will heißen: Familie, Anhang, hungrige Mäuler.

Brezel: Eine der größten Sünden für Exil-Bayern in Schwaben? Beim Bäcker eine "Breze" verlangen. "Des hoißt bei ons Brezel!", wird die empörte Verkäuferin sagen und hinzufügen, dass die Brezel (gesprochen: Brett-zel) zudem auch besser schmecke als das bayerische Gegenstück mit den teigigen Ärmchen. Dem ist nichts hinzuzufügen - außer man möchte gleich die zweite Sünde begehen: einer schwäbischen Bäckersfrau widersprechen.

bruddla: Der Schwabe ist dem Klischee nach fleißig, ordentlich, sparsam, manchmal auch gemütlich -> Wasen. Nur als Frohnatur ist er nicht unbedingt bekannt. Er motzt gerne - das hochdeutsche Pendant zu "bruddla". So erklärt sich auch folgende Redewendung in Bezug auf das höchste Lob, zu dem der Schwabe fähig ist: "Net gmotzt isch globt gnug."

der wo / die wo: Ein bekannter Werbeslogan für das Land Baden-Württemberg lautet: "Wir können alles außer Hochdeutsch". Und der ist durchaus auf Aussprache und Grammatik bezogen. Deshalb würden die Schwaben selbst auch sagen: "Mir sin die wo ällas kennat außr Hochdeutsch."

dreiviertel/viertel: Eine der größten Herausforderungen für Neu-Schwaben sind die Uhrzeiten. Wenn sich jemand um dreiviertel Viere" treffen will, meint er damit: 15:45 Uhr. "Viertel Viere" bedeutet: 15:15 Uhr. Nicht hinterfragen, akzeptieren. Und pünktlich sein - c.t. ist hier nicht. (Außerdem wichtig: Nicht zu verwechseln mit -> Viertele.)

fei: Einem Nicht-Schwaben zu erklären, was fei bedeutet, isch fei schwer. Am ehesten ist der beliebte Einschub mit "echt" zu übersetzen. Das wird der Tragweite des Begriffs aber nicht gerecht, denn wenn der Schwabe einen Satz mit fei anreichert, macht er damit gleichsam deutlich: Kein Widerspruch, bitte!

Flädlessupp: Eine Suppe ohne Einlage ist für den Schwaben wie ein ungefegtes Treppenhaus: unerträglich (-> Kehrwoche). Deshalb backt die schwäbische Hausfrau Pfannenkuchen, schneidet sie in Streifen und gibt sie als "Flädle" in die Brühe.

Gosch: Derb umgangssprachlich für: Mund. "Hald dei Gosch!", zählt zu den meistgehörten Aufforderungen bei zwischenmenschlichen Divergenzen im Raum zwischen Stuttgart, Ulm und Konstanz. Wenn das dann so ist, dann haben sich die Leute "aagoschd".

Gog: Die Studentenstadt Tübingen liegt in einer Weinanbaugegend. Die Weingärtner heißen hier entweder "Wengerter" oder werden "Gog" genannt. Ob das der Weinbauer positiv oder negativ aufnimmt, ist unterschiedlich. Unbestritten aber ist: Zwischen Weinbergen und Streuobstwiesen findet sich eine der besten Erfindungen der "Goga" - die Besenwirtschaft.

Gscheitle: Bedeutet so viel wie Besserwisser. Wer es wirklich besser weiß, ist ein Käpsele. So nennt man hier liebevoll Streber.

Gschmäckle: Wenn beispielsweise der Verdacht naheliegt, dass wirtschaftsnahe Regierungsparteien ein Großprojekt vorangetrieben haben, um eben jener Wirtschaft zu helfen - und nicht in erster Linie den Bürgern -, dann hat die Sache ein Gschmäckle. Der Ausdruck ist mittlerweile auch im Hochdeutschen angekommen, wird dort aber zum "Geschmäckle" verhunzt, was gebürtigen Schwaben in den Ohren wehtut.

Gutsle: Das Weihnachtsplätzchen ist in Baden-Württemberg nicht nur ein Plätzchen, sondern etwas Gutes, etwas sehr Gutes - und heißt deshalb Gutsle. Eine echte schwäbische Hausfrau backt übrigens vor Weihnachten immer mindestens drei Sorten.

Es heißt der Schoklad

Ha noi: Hat mit der Hauptstadt Vietnams nichts zu tun. "Ha noi!" ist ein schwäbischer Ausruf, der so viel bedeutet wie: "Das darf doch wohl nicht wahr sein!" Oft zu hören gewesen im Zusammenhang mit Stuttgart 21: "Ha noi, jetzt bauet die Seckel den Bahnhof!"

hee: Was "hee" ist, das hat das Zeitliche gesegnet und kann man vergessen. "Hee" heißt hinüber, kaputt, und lässt sich sowohl für Dinge als auch für Personen anwenden. ("Nach drei -> Viertele ben i hee.")

heba: Eigentlich könnte alles ganz einfach sein. "Heba" heißt in der wörtlichen Übersetzung bekanntlich "heben". Nur: Das funktioniert im Schwäbischen nicht. "Heba" wird sinngemäß für das hochdeutsche "halten" verwendet. "Heb mol!" heißt: "Halt mal kurz!" Wer sich im Studium mit einem schwäbischen Native Speaker einlässt und Zukunftspläne schmiedet, sollte sich das einprägen, sonst "wird des ned lang heba". Und es könnte dann auch noch sein, dass ein anderer im Anschluss fragt: "Wo hot's denn g'hoba?". Sie wissen dann natürlich, wo es geklemmt hat, wie es gehalten hätte und so weiter.

Kehrwoche: Wird meist ohne "e" am Ende gesprochen - und sehr ernst genommen. Also todernst. Deshalb: Unbedingt einhalten und keine Ecke des Treppenhauses vergessen.

Schwäbisch für Anfänger: Eine todernste Angelegenheit: Kehrwoche in einem schwäbischen Treppenhaus

Eine todernste Angelegenheit: Kehrwoche in einem schwäbischen Treppenhaus

(Foto: Imago Stock&People)

Lkw: Kann man in diesen Breiten beim Metzger bestellen, sogar mit ABS. Und bekommt: ein Läberkäsweckle mit a bissle Senf.

Mauldasch: Traditionell werden Mauldasche an Gründonnerstag gegessen (aber natürlich nicht nur dann, sie sind schließlich das Nationalgericht). Sie werden auch "Herrgottsbscheißerle" genannt, weil die findige schwäbische Hausfrau der Legende nach auch in der Fastenzeit nicht auf Fleisch verzichten wollte - und es deshalb in Nudelteig einschlug. Was der Hergott nicht sieht, kümmert ihn nicht. Wobei ihm in diesem Fall etwas entgeht, zumal wenn es "gschmälzte Mauldasche" gibt: Die werden nach dem Brühen in einer Pfanne mit Butter geschwenkt und mit gerösteten Zwiebeln gereicht.

Rädle (Wurschd): Ein Rädle Wurschd bekommt man in Baden-Württemberg beim Metzger. Das bedeutet: Eins bekommt das Kind in die Hand, die anderen (dann in Gramm bemessen) werden in Schutzpapier gepackt und zum "Veschper" wieder herausgeholt. Besonders dick ist das "Rädle" allerdings nie.

Ripple (-> Schoklad): Merke: Ein Ripple -> Schoklad bezeichnet ein einzelnes Stück, nicht die ganze Reihe.

schaffa: Ja, der Schwabe ist fleißig. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Schoklad: Schokolade ist im schwäbischen Sprachraum Maskulinum, es heißt: der Schoklad.

schwätza: Bedeutet neutral übersetzt "sich unterhalten", geht manchmal aber auch in klatschen bis lästern über. Schwätzen ist genauso Lieblingsbeschäftigung wie -> bruddla.

sodele: Manchmal braucht der Schwabe etwas länger, schließlich ist er rechtschaffen und gründlich und - so würde er sagen - "hudelt net" (hetzt nicht). Ist er dann bereit für neue Taten, sagt er "sodele". Klingt ja auch netter als ein schnödes: "So!"

Spätzle: Eignen sich hervorragend als Seelentröstergericht. Schmecken am besten in folgenden Kombinationen: mit ordentlich Käse oder mit Linsen und "Soidawürschdle" (Saiten- bzw. Wiener Würstchen).

Tätat Sie mir mol ... ?: Mit dieser Formulierung leitet der Schwabe eine höfliche Bitte ein (entspricht in etwa dem hochdeutschen "Könnten Sie mir bitte mal ...?"). Der Schwabe tut generell gerne Dinge - und die Deutschlehrerin in der Grundschule versucht es ihm wieder abzugewöhnen.

Tannenzäpfle: Über Fernsehbiere wie Hasseröder oder Krombacher kann der Schwabe nur müde lächeln. Er trinkt sein Tannenzäpfle, das zwar aus Baden kommt und nicht mal besonders gut schmeckt, trotz seiner biederen Aufmachung (Schwarzwaldmädle in Tracht) Kult und selbst in Berlin zu bekommen ist. Und das hilft dem Landeshaushalt. Denn die Rothaus-Brauerei, die das Tannenzäpfle herstellt, ist im Besitz des Landes Baden-Württemberg.

Träublesgsälz: Für Zugezogene ("Reig'schmeckte") scheint dieses zusammengesetzte Substantiv zunächst eine besondere Herausforderung zu sein. "Gsälz" heißt Marmelade. Und wenn man weiß, dass "Träuble" Johannisbeeren sind, dann ist die Sache ganz einfach. (Schwierig wird es wieder beim Begriff "Gsälzbärle": Der wird als Kosewort benutzt, um einen ungeschickten oder neugierigen, manchmal auch frechen Menschen zu beschreiben.)

VfB: Eine der wichtigsten Fragen in Stuttgart lautet: "Bisch du 'n Roter oder 'n Blauer?" Derzeit empfinden Fußballfans bei den Blauen an der Waldau (Stuttgarter Kickers) deutlich mehr Freude als in Cannstatt beim VfB. Aber als VfB-Anhänger hat man sich mit der Zeit an Niederlagen gegen Bremen, Augsburg und Köln gewöhnt. Wenigstens kann der Schwabe dann einer seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen: dem -> bruddla.

Viertele: Entspricht 0,25 Litern Wein, wobei der auch gerne als Schorle getrunken wird. Für Schwabenhasser ist das Viertele Zeugnis der unerträglichen schwäbischen Sparsamkeit, die nicht mal vor dem Alkoholgenuss haltmacht. Diese Menschen werden sich vielleicht freuen zu hören, dass auch der Schwabe selbst einen abfälligen Ausdruck für Viertele-Trinker kennt: "Viertelesschlotzer".

Wasen: Der Wasen ist für Stuagart, was für Minga die Wiesn ist. Das Volksfest findet traditionell von Ende September bis Mitte Oktober auf der Festwiese im Stadtbezirk Bad Canstatt statt. Tracht wird hier auch immer mehr zum Thema, allerdings nicht in Form von Bollenhüten: Vielmehr sieht man verstärkt bayerische Dirndl und Lederhosen. Aber darum macht der Schwabe nach ein paar Litern Bier "koi Gschiess" (kein Aufheben).

Weckle: Ein Weckle ist natürlich viel mehr als ein gewöhnliches Brötchen oder Schrippe, wie der Berliner sagen würde. Der Schwabe hält die Schrippe für ein minderwertiges Gebäck und akzeptiert ausschließlich Wasserweckle auf seinem Frühstückstisch. Die sind, wie es der Name sagt, aus Wasserteig gemacht und deshalb nicht so bröselig. Aber das wird der Berliner sowieso nie verstehen ...

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